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  • Foto: dpa

Sperrungen und Schließungen: Darf der Staat Gewalt anwenden und mich einsperren?

Die Grundrechte sind das höchste Gut in einer Demokratie – außer, man hat das Coronavirus. Denn dann geht der Seuchenschutz vor. Und der ist vom Gesetzgeber knallhart geregelt: Der Staat darf Personen isolieren, unter Quarantäne stellen, ja sogar wegsperren. Und das schon bei einem Verdachtsfall, also wenn jemand im Umfeld infiziert ist! Auch das Postgeheimnis ist aufgehoben. Und wie in anderen Ländern könnten bald auch komplette Ausgangssperren auf uns zukommen. Was der Staat in der Corona-Krise alles darf – wir erklären es hier. 

Details der Seuchenbekämpfung sind im Infektionsschutzgesetz geregelt. In Deutschland sind vor allem die Länder und Kommunen und dort die Gesundheitsämter zuständig. Sie sind für die Beobachtung und Bekämpfung von Epidemien verantwortlich.

Coronavirus: Der Staat darf Veranstaltungen verbieten und Einrichtungen schließen

Um weitere Erkrankungen zu verhindern, sind die zuständigen Behörden dazu berechtigt, weitreichende Maßnahmen zu ergreifen: Sie können Veranstaltungen und Versammlungen verbieten und Gemeinschaftseinrichtungen wie Schulen, Kitas oder Bäder schließen.

Doch auch vor den persönlichen Grundrechten machen die Eingriffe keinen Halt. So heißt es in Paragraph 28 des Infektionsschutzgesetzes: Die Behörde „kann auch Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte nicht zu betreten, bis die notwendigen Schutzmaßnahmen durchgeführt worden sind.“ Die Grundrechte der Freiheit der Person, der Versammlungsfreiheit und der Unverletzlichkeit der Wohnung werden insoweit eingeschränkt.

Sperrzonen auch in Deutschland denkbar

Auch die Abriegelung ganzer Landstriche wie vor Kurzem in Italien ist in Deutschland denkbar. Doch was passiert, wenn sich ein Bürger der Anordnung, die Gegend nicht zu verlassen, einfach widersetzt? 

„Es ist kein Problem, Menschen, die ein solches Gebiet verlassen wollen, freundlich darauf hinzuweisen, dass sie das nicht dürfen“, sagt Rechtsanwältin Sigrid Wienhues von der Hamburger Kanzlei Graf von Westfalen in einem Interview mit dem „Spiegel“. „Notfalls dürften Beamte der Ordnungsbehörden oder der Polizei sogar unmittelbaren Zwang anwenden, also letztlich körperliche Gewalt. Dabei ist aber auf die Verhältnismäßigkeit zu achten. Mehr, als dass Polizisten, die am Rande eines Sperrgebietes stehen, mal jemanden festhalten, kann ich mir hierzulande nicht vorstellen.“

Außerdem würden Bußgelder, in manchen Fällen sogar Strafen drohen. Schüsse auf Ausbrecher hält die Expertin jedoch für sehr unwahrscheinlich.

Coronavirus: Der Staat darf Betroffene im Notfall sogar einsperren

Paragraph 30 sieht vor, Infizierte, Kranke aber auch Personen, die unter Krankheits- beziehungsweise Ansteckungsverdacht stehen, unter Quarantäne zu stellen. Wer sich weigert, kann „zwangsweise durch Unterbringung in einem abgeschlossenen Krankenhaus oder einem abgeschlossenen Teil eines Krankenhauses“ abgesondert werden. Bei „Ansteckungsverdächtigen“ reicht auch eine „andere geeignete abgeschlossene Einrichtung“.

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Steht eine Person unter Quarantäne, dürfen ihr Gegenstände abgenommen sowie Teile der Post geöffnet oder zurückgehalten werden. Zudem besteht die Möglichkeit, Betroffene die Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeiten zu entbinden. Eine gerichtliche Verfügung ist nicht notwendig, die Anordnungen gelten unverzüglich, insofern ein begründeter Anlass vorliegt. Die Maßnahmen müssen allerdings verhältnismäßig sein sowie räumlich, zeitlich und auf definierte Personen begrenzt.

Corona-Epidemie: Darf der Staat Bus und Bahn verbieten?

In öffentlichen Verkehrsmitteln verbreiten sich Viren besonders leicht. Darf der Staat das Fahren mit Bus und Bahn im Krisenfall generell verbieten, um die Ausbreitung einer Krankheit einzudämmen?

„Die Schließung des öffentlichen Nahverkehrs ist zwar nicht ausdrücklich im Gesetz vorgesehen“, sagt Wienhues im „Spiegel“ weiter. „Theoretisch wäre aber denkbar, dass man den Bürgern untersagt, Bahnhöfe und U-Bahnhöfe zu betreten. Und damit den öffentlichen Nahverkehr einfach faktisch einstellt.“ (ju/tst)

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