Michel Friedman ausgeladen: Bürgermeister wittert „Verleumdungskampagne“ – Rücktritt
Michel Friedman sollte im kommenden Jahr in einem Literaturhaus in Klütz lesen. Doch der Auftritt wurde abgesagt – aus Angst vor Störern, was heftige Kritik auslöste. Ein Kommunalpolitiker zieht nun Konsequenzen.
Nach bundesweiter Kritik an der Absage einer Lesung des jüdischen Publizisten Michel Friedman in Klütz (Landkreis Nordwestmecklenburg) hat der Bürgermeister des kleinen Ostsee-Ortes, Jürgen Mevius, seinen Rücktritt erklärt. „Ich bin heute Morgen zurückgetreten“, sagte der Kommunalpolitiker (Unabhängige Wählergemeinschaft UWG) am Freitag. Zuvor hatte die „Ostsee-Zeitung“ darüber berichtet.
Streit um abgesagte Lesung von Michel Friedman
Als Grund nannte Mevius, dass er sich unfair behandelt fühle. „Was mit der schlichten Absage eines Termins, für den es noch keinen Vertrag und keine gesicherte Finanzierung gab, begann, wurde zu einer Verleumdungskampagne gegen mich und die Stadtvertretung, ja sogar gegen die ganze Region“, sagte der Politiker in dem Statement.

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Friedman sollte im Oktober 2026 im Rahmen einer Hannah-Arendt-Woche im Klützer Literaturhaus in der 3000-Einwohner-Stadt an der Ostsee auftreten. Doch die Veranstaltung wurde abgesagt. Der Leiter des Literaturhauses, Oliver Hintz, begründete gegenüber dpa die Absage mit einem Telefonanruf von Bürgermeister Mevius. Demnach habe sich die Mehrheit eines städtischen Gremiums gegen eine Lesung von Friedman ausgesprochen. Man habe Sorge, dass rechte Störer oder Hamas-Sympathisanten nach Klütz kommen und demonstrieren könnten.

Friedman wiederum hatte Mevius in einem Interview mit dem NDR kritisiert: Kunst-, Kultur- und Meinungsfreiheit dürften nicht gefährdet sein, weil eine Einschüchterung durch Rechtsextreme angenommen werde.
Finanzielle Gründe als Gegenargument
Mevius widersprach dieser Darstellung von Hintz und Friedman und nannte finanzielle Gründe. Friedmans Honorar sei deutlich höher als bei Lesungen von Schriftstellern dort üblich. Eine Vertreterin des Fördervereins des Literaturhauses entgegnete, die Kosten würden nicht von der Stadt, sondern von anderen Trägern übernommen.
Mevius sprach in dieser Woche in einer Erklärung im Namen aller Stadtvertreter zudem davon, „dass die Kontroverse um Michel Friedmans Teilnahme an der Hannah-Arendt-Woche ein missverständliches Signal gesendet hat“. Weiter schrieb er: „Umso mehr möchten wir bekräftigen, dass Toleranz, Vielfalt und Meinungsfreiheit stets klare Leitbilder unserer politischen Arbeit waren und sind.“
Wirbel um Friedmann-Lesung: Reaktionen aus Politik und Kultur
Die AfD-Landtagsfraktion will das Thema indes auf die Tagesordnung des nächsten Innenausschusses des Landtages setzen. „Wir wollen wissen, ob es tatsächlich eine ernsthafte Gefährdungslage gibt, wie von interessierten Kreisen behauptet“, sagte der Fraktionsvorsitzende Nikolaus Kramer dazu laut Mitteilung.
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Die Ausladung des Publizisten hatte deutschlandweit Kritik ausgelöst. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, sagte, ein vorauseilendes Zurückweichen staatlicher Stellen vor Demokratiefeinden richte sich gegen die grundlegenden Werte unserer Gesellschaft. Dabei sei es unerheblich, dass der betroffene Redner Michel Friedman jüdischen Glaubens ist. Friedman selbst kritisierte in einem Interview mit dem NDR Mevius scharf und sprach von einer „peinlichen Heuchelei“.
Kundgebung in Klütz geplant
Die Autorenvereinigung Pen Berlin hat zu einer Kundgebung am kommenden Montag, um 17 Uhr, am Klützer Markt aufgerufen. Dort sollen neben dem Leiter des Literaturhauses Klütz, Oliver Hintz, auch die Schriftstellerin und Pen-Berlin-Sprecherin Thea Dorn sprechen sowie Michel Friedman, um dessen Ausladung die Kontroverse entbrannt ist.
Die Sorge vor Störungen, gleich von welcher Seite, könne niemals ein Argument sein, eine Veranstaltung abzusagen. „Das vorauseilende Einknicken vor Leuten, die nicht Kritik im Sinn haben, sondern Verhinderung, ist inakzeptabel“, schrieb Pen Berlin. (dpa/mp)
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