Landwirtin bei Aprikosen-Ernte

Sabine Schliecker vom Obsthof Schliecker im Alten Land bei der Aprikosen-Ernte Foto: Sina Schuldt/dpa

Landwirte und der Klimawandel: Aprikosen und Pfirsiche wachsen auch im Alten Land

Aprikosen, Pfirsiche und Nektarinen: Die Landwirte in Niedersachsen reagieren auf das mildere Klima, sie bauen mehr und mehr exotische Früchte an. „Wir sind auch Pioniere, das ist der Tatsache geschuldet, dass man den Klimawandel sieht, fühlt und messen kann“, sagt Claus Schliecker, Vorsitzender der Landesfachgruppe Obstbau Niedersachsen, der mit seiner Frau Sabine einen Hof in Guderhandviertel im Landkreis Stade betreibt.

„Wir haben unsere Chance genutzt und das funktioniert richtig gut“, ergänzt Sabine Schliecker, „allerdings mit Dach wegen des Regens. In Süddeutschland geht es auch ohne“.

Neue Obstsorten: (Noch) Randkultur im Norden

Überall dort, wo in Deutschland Wein angebaut wird, gebe es seit Jahrzehnten Aprikosen und Pfirsiche, sagt Jörg Hilbers, Geschäftsführer der Bundesfachgruppe Obstbau: „Je südlicher, desto intensiver werden Südfrüchte angebaut. Aprikosen spielen in Baden-Württemberg, der Pfalz eine riesengroße Rolle“. Mit dem Klimawandel habe sich der Anbau auch in den Norden verlagert. Aber: „Es bleibt eine Randkultur“, betont der Obstbauberater.


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Die Vegetation starte im Jahresvergleich 14 Tage früher, weil die starken Fröste im Winter ausblieben. Von 10.000 Hektar Obstbau im Alten Land kämen inzwischen 15 auf Aprikosen, Pfirsiche und Nektarinen, erzählt Claus Schliecker. „Wir können auf den Wandel reagieren und ihm positive Dinge abgewinnen“, sagt er und fragt: „Warum sollen wir die Früchte über Tausende Kilometer transportieren, wenn es auch hier funktioniert?“

Frisch geerntete Aprikosen und Pfirsiche auf dem Obsthof Schliecker. Sina Schuldt/dpa
Frisch geerntete Aprikosen und Pfirsiche auf dem Obsthof Schliecker.
Frisch geerntete Aprikosen und Pfirsiche auf dem Obsthof Schliecker.

Die Aprikosen reiften auch im Norden am Baum, in seinem Betrieb wachsen sie unter einem geschützten Folientunnel gegen zu viel Regen oder Sonne, an den Seiten hängen Netze gegen die Insekten. Damit man weniger Pflanzenschutz braucht.

Regionale Südfrüchte teurer als Importware

Dennoch werde der Anbau eine Nische bleiben. Wer gute Kontakte zu Feinkostgeschäften habe oder in der Direktvermarktung verkaufe, werde sein Obst los. „Im großen Einzelhandel haben wir keine Chance, die Preisdifferenz zum Kilo aus Spanien oder der Türkei beträgt bis zu drei Euro“, berichtet Schliecker. „Wir wollen unsere Leute gut bezahlen und Obstanbau bleibt Handarbeit.“ Je nach Kultur betrage der Mitarbeiterposten 60 Prozent des Kostenapparats.

Hohe Produktionskosten und Umweltstandards sowie der Mindestlohn verteuerten die inländische Ware. „Da brauchen wir Verbraucher, die sagen, ich kaufe Obst aus Norddeutschland“, meint der Landwirt, der in der Saison bis zu 20 polnische Kräfte, aber auch Schüler und Studenten beschäftigt.

Normalerweise müsste ein Mindestlohn einen Mindestpreis beinhalten, findet der Fachmann: „In Spanien und Portugal liegt der Stundenlohn zwischen sechs und acht Euro, in Marokko bei sieben Euro am Tag.“ Da sei man nicht konkurrenzfähig. So sei etwa der Heidelbeeranbau in Deutschland zurückgegangen, der Konsum aber gestiegen, weil die Beeren aus anderen Ländern viel günstiger seien.

Insgesamt habe die Anzahl der Familienbetriebe im Großraum Altes Land, das sich von Cuxhaven bis nach Hamburg erstreckt, enorm abgenommen. Habe es in den 90er Jahren noch 15.000 gegeben, sei die Zahl inzwischen auf etwa 500 geschrumpft. „Die Selbstversorgung bei Obst ist gering, bei Äpfeln beträgt sie 60 Prozent“, berichtet Schliecker. Dabei habe gerade die Corona-Zeit gezeigt, wie wichtig regionale Vernetzung sei, wenn Lieferketten zusammenbrechen.

Im Landkreis Wolfenbüttel baut Henrike Vorlop auf dem Familienhof Wassermelonen an, die sie im Hofladen und auf dem Wochenmarkt verkauft. In einem Seminar zum Thema Klimawandel hat die Gärtnerin und Landwirtschaftsstudentin vom Anbau der ursprünglich aus Afrika stammenden Nutzpflanze gehört. Die wird in einer Gärtnerei vorgezogen, dann wächst sie im Freiland und benötigt kein künstlich zugeführtes Wasser, da die Pflanzen ein großes Wurzelsystem ausbilden. „2020 habe ich damit angefangen, inzwischen sind es 800 Pflanzen“, berichtet Vorlop. Ende Juli beginnt die Ernte.

Roland Kempf aus Ahlten bei Hannover hat im Urlaub auf Mallorca reife Feigen direkt vom Baum gekostet. Der Geschmack hat ihn so begeistert, dass der Tischlermeister 2018 das erste von zwei Gewächshäusern baute und mit verschiedenen Sorten experimentierte. Inzwischen sind es nach seinen Angaben 300 verschiedene bei insgesamt 500 Bäumen. „Ich gehe von einer Ernte von vier Tonnen aus und hoffe, dass ich nächstes Jahr davon leben kann“, sagt Kempf.

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Die ersten Sorten hat er bereits im Juni gepflückt. Der Monat sei extrem trocken gewesen, für die Neuanpflanzungen brauche es Regen. Bis in den Oktober erntet er nach und nach im Freiland und schließlich wieder im Gewächshaus. Er verkauft die Früchte und auch Aprikosen im Hofladen und beliefert Supermärkte. (dpa/mp)

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