• Am Haus Frommestraße 7 zeigen sich aktuell massive Schäden.
  • Foto: Florian Quandt

Wenn der „Senkungs-Teufel“ zuschlägt: Hier ist eine komplette Hausfassade deformiert

Lüneburg –

Haben Sie schon mal vom „Senkungs-Teufel“ gehört? Vermutlich nicht. Es sei denn, Sie leben schon lange in Lüneburg. Der „Teufel“, auch „Senkungs-Kobold“ genannt, wurde bis in die 60er Jahre für starke Erdabsackungen verantwortlich gemacht. 100 Jahre alte Mietshäuser mussten abgerissen werden. Doch dafür gibt es einen einfachen Grund.

„Der Senkungs-Teufel bedroht das Postamt“ – so titelte am 23. August 1966 die „Lüneburger Landeszeitung“. Und tatsächlich: 1972 musste das prächtige Gebäude im Stil der Neugotik abgerissen werden. Um die Erdbewegungen in der Hansestadt an der Ilmenau zu ergründen, müssen wir zeitlich etwas zurückgehen. Ziemlich genau 300 Millionen Jahre. Wo heute Lüneburg liegt, befand sich damals ein Meeresbecken. Und in dem lagerte sich Salz ab. Ein Salzstock entstand, der heute etwa 40 bis 50 Meter unter der Erdoberfläche liegt. Das Grundwasser erreicht pro­blemlos die Salzfläche, löst das Salz und bildet eine konzentrierte Sole. Um das Jahr 956 wird die stark salzhaltige Sole erstmals gefördert.

kaputtes Dach Lüneburg

Auch am Dach des Hauses mit der Nummer 7 sind Schäden sichtbar.

Foto:

Florian Quandt

Lost Place: Der Senkungs-Teufel von Lüneburg

Kaum 60 Jahre später sind erste Meldungen über Senkungen des Erdreichs über dem Salzstock verbürgt. Sie betrafen die heute nicht mehr existierende Cyriakuskirche. Ab dem 13. Jahrhundert begann die planmäßige Förderung des Salzes – und das „Weiße Gold“, wie es im Mittelalter genannt wurde, machte Lüneburg und die Salinenbesitzer reich. Um 1500 gab es schon 2000 Wohnhäuser und 14.000 Einwohner. Noch im 20. Jahrhundert sind bis zu 37.000 Tonnen Salz jährlich gefördert worden – viel zu viel! Der Untergrund im Zentrum der Altstadt gleicht einem Schweizer Käse.

abgesenkter Boden in Lüneburg

Wo heute eine Freifläche ist, stand einmal eine ganze Häuserreihe. Der abgesackte Erdboden ist deutlich zu sehen.

Foto:

Florian Quandt

Ein Zentrum der Absackungen ist heute die Frommestraße. 1931 kam es zum Zusammenbruch der Häuser Nummer 2 und 3 – sie wurden regelrecht zusammengepresst. Ab 1955 traf es in der Altstadt viele Häuser. Bis in die 70er Jahre sind etwa 200 mittelalterliche Gebäude nach Senkungsschäden abgebrochen worden. Ab 2009 kam es an der Frommestraße erneut zu Problemen. Nach Senkungen von bis zu 21 Zentimetern pro Jahr mussten 2012 die 110 Jahre alten Mietshäuser Nr. 4 und 5 abgerissen werden. Es gab Bürgerproteste – die Häuser standen unter Denkmalschutz. Doch Statiker sahen akute Einsturzgefahr. Heute ist die Frommestraße für den Verkehr gesperrt. Und auch an den verbliebenen Häusern sind schon wieder massive Risse erkennbar. Geologen rechnen mit weiteren Verwerfungen. Auf der Website der Stadt gibt es sogar einen Ratgeber: „Was ist bei Erdfällen zu tun?“

schiefes Haus in Lüneburg

Durch die Erdbewegungen bedroht: die verbliebenen Häuser an der Frommestraße.

Foto:

Florian Quandt

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Seit 1980 ist die Lüneburger Saline geschlossen. Die Betreiber hatten bis zuletzt geleugnet, für Senkungen verantwortlich zu sein – und sie auf den „Senkungs-Teufel“ geschoben.

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