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Ein Traktor auf dem Feld bei der Kartoffelernte.
  • Im Hitzesommer stehen die Kartoffelbauern vor Problemen. (Symbolbild)
  • Foto: dpa | Philipp Schulze

Neue Knollen für heiße Zeiten: Diese Kartoffeln trotzen dem Klimawandel

Es wird immer wärmer und trockener: Das merken nicht nur wir im Sommer, sondern auch die Bauern auf dem Feld. Alte Kartoffelsorten überleben das nur teilweise. Die Lösung? Neue Knollenarten müssen her. Diese zu finden hat sich ein Zuchtbetrieb bei Lüneburg zur Aufgabe gemacht.

Es staubt auf dem Kartoffelversuchsfeld in Ebstorf im Landkreis Uelzen, mehr als in früheren Jahren. Auf acht Hektar sprießen mit Melissa, Laura oder Antonia neu gezüchteten Knollen.

Die Aufgabe für die Tüftler bei Lüneburg: Sorten zu kreuzen, die mehr Hitze vertragen und resistenter gegen neue Viren sind, die durch den Klimawandel immer weiter nördlich auftauchen.

Kartoffelanbau: deutlich mehr Wasser notwendig

Die Kartoffelbauern in der Region dürften ihre Felder im ersten Halbjahr schon so stark künstlich bewässert haben wie sonst in einem ganzen Jahr. „Die 70 Millimeter Beregnung pro Jahr im siebenjährigen Schnitt haben die Landwirte wohl schon Ende Juni erreicht“, berichtet Hans-Reinhard Hofferbert, Leiter der Züchtung bei der Böhm-Nordkartoffel Agrarproduktion.

„Auch Blattläuse überwintern durch die Wärme besser, Resistenzzüchtungen sind ein Riesenthema“, sagt Justus Böhm, Geschäftsführer einer der größten Kartoffelzüchter Europas und Vorstandsmitglied des Bundesverbandes Deutscher Pflanzenzüchter.

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Die Bauern müssen in Zukunft mit weniger chemischer Düngung und möglicherweise auch ohne das umstrittene Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat auskommen, dessen Zulassung 2023 ausläuft. Vor vier Jahren wurde zudem die chemische Keimhemmung verboten. „Der Ball rollt immer wieder zur Züchtung, denn die chemischen Möglichkeiten werden den Kartoffelbauern mehr und mehr genommen“, sagt Hofferbert.

„Das ist ein Riesenaufwand, man muss gucken, dass das wirtschaftlich bleibt“, bestätigt Olaf Feuerborn, Präsident der Union der Deutschen Kartoffelwirtschaft (Unika). Der Verband kämpft auf europäischer Ebene dafür, dass eine sogenannte Genschere eingesetzt werden darf. Anders als bei der klassischen Gentechnik werden dabei lediglich schädliche Gene ausgeschaltet und keine neuen eingebracht. Dann könnte die Züchtung schneller gehen und die mittelständischen Unternehmen in Deutschland besser mit dem Weltmarkt Schritt halten.

Kartoffelzucht ist Handarbeit

Eine der größten Aufgaben sei es, trocken- und stressresistente Sorten zu finden. „Wir müssen auf die fehlende Feuchtigkeit reagieren und Antworten finden“, betont Feuerborn. Derzeit bildeten viele Sorten in den zu trockenen Böden in Norddeutschland keinen guten Ansatz und setzten später zu wenige Knollen an.

Jedes Jahr produziert der Zuchtbetrieb in der Heide 400.000 Setzlinge, bei der aufwendigen Forschung gehen daraus nach zehn Jahren fünf Kartoffelsorten hervor. „Wenn es einfach wäre, würden es noch mehr machen“, sagt Hofferbert. Bisher gibt es in Deutschland etwa 550 Sorten, weltweit sind es rund 5000.

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In den Gewächshäusern bei Ebstorf wird in Handarbeit mit der Pinzette gekreuzt. Der männliche Samen wird künstlich auf die Blüte aufgestäubt. „Mir gefällt die Arbeit, man erschafft etwas“, sagt Anke Butenschön, die sich im feuchten, aber heruntergekühlten Gewächshaus von Pflanze zu Pflanze vorarbeitet.

Die kleinen Beeren am Strauch sehen aus wie grüne Mini-Tomaten. „Sie sind ja auch verwandt“, erklärt Hofferbert. Zehn Jahre im voraus müsse man wissen, wie sich der Markt entwickele. Und dann soll eine Sorte im besten Fall auch etwa 30 Jahre nachgefragt werden, so lange läuft der Sortenschutz. Wie robust eine Kartoffel ist, wird auch bei Partner-Betrieben in Marokko, Frankreich und Spanien getestet.

Weniger Stärke: Coronada ist ein voller Erfolg

Derzeit wird viel an neuen Sorten für Kartoffelchips und Pommes geforscht. Die potenziell krebserregende Substanz Acrylamid kann bei starker Erhitzung entstehen. Je weniger Zucker eine Sorte enthält, umso weniger bräunlich wird sie beim Frittieren und damit auch nicht so schädlich, sagen die Fachleute. Damit müsse weiter an einer kälteresistenten Sorte geforscht werden, weil sie bei kühlerer Lagerung im Winter die Stärke nicht in Zucker umwandelt.

Ein Züchtungserfolg ist die Coronada, die 25 Prozent weniger Stärke beinhaltet und damit für Ernährungsbewusste und Diabetiker interessant ist. Unter dem Namen Linella vertreibt eine Supermarktkette die Low-Carb-Knolle. „Es ist ein Nischenprodukt und läuft gut“, sagt Böhm. (dpa/mp)

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