„Meilenstein der Stadtgeschichte“: Wieso Olympia 1972 Kiel verändert hat
Internationales Flair, moderne Infrastruktur, Zukunftsimpulse – die Olympischen Spiele vor 50 Jahren haben Kiel kräftig vorangebracht. Mit einem bunten Programm erinnert die Stadt an das Großereignis. Der damalige Bundespräsident sagte seinerzeit über eine Regatta, so etwas Schönes habe er noch niemals zuvor gesehen.
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Internationales Flair, moderne Infrastruktur, Zukunftsimpulse – die Olympischen Spiele vor 50 Jahren haben Kiel kräftig vorangebracht. Mit einem bunten Programm erinnert die Stadt an das Großereignis. Der damalige Bundespräsident sagte seinerzeit über eine Regatta, so etwas Schönes habe er noch niemals zuvor gesehen.
Endlich ein Autobahnanschluss, eine neue Hochbrücke über den Nord-Ostsee-Kanal, ein international konkurrenzfähiges Sportzentrum und markante Veränderungen in der Innenstadt – Olympia 1972 hat das Gesicht Kiels verändert und die schleswig-holsteinische Landeshauptstadt in die Moderne geführt.
Hier lockten vor 50 Jahren die Segelregatten zu den Olympischen Spielen von München ein Riesenpublikum an. „Sie waren ein Meilenstein in der Stadtgeschichte“, sagt Oberbürgermeister Ulf Kämpfer (SPD).
Olympia brachte Kiel einen Modernisierungsschub
„Das Ereignis hat in gewisser Weise die Nachkriegszeit in Kiel abgeschlossen – sowohl baulich als auch von der Mentalität hat Olympia der Stadt einen richtigen Modernisierungsschub gegeben.“ Kiel sei zu einer modernen Großstadt geworden. Die Segelwettbewerbe zu den Olympischen Sommerspielen in München fanden vom 29. August bis 8. September 1972 vor Kiel statt. Seit Samstag erinnert die Stadt mit einem bunten Programm bis zum 8. September an das Großereignis.
Die Stadt hatte mit Olympia 1972 eine große Chance und diese hat sie offenkundig ziemlich gut genutzt. „Die Segelwettbewerbe 1972 sollten der Schlüssel sein für die tatsächlich notwendig gewordene Weiterentwicklung der Stadt, ihre Modernisierung“, sagt der Vorsitzende der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, Rolf Fischer. 110 Millionen Mark gab es damals vom Bund für die letzten noch fehlenden zehn Kilometer Anschluss an die Autobahn Hamburg-Flensburg und 125 Millionen für den Ausbau der Bundesstraße 503 nach Schilksee samt neuer Kanal-Hochbrücke.
Kiel bekam mit dem Olympischen Dorf in Schilksee quasi einen neuen Stadtteil. „Die Olympischen Spiele haben die Internationalität Kiels mitgeprägt und sie letztlich intensiviert“, sagt Fischer. Sie seien eine markante Richtungsänderung in der Stadtgeschichte gewesen. „Die Olympischen Segelspiele 1972 sind das eindrucksvolle Symbol für die erfolgreiche Modernisierung der Stadt.“
Kiel: Sportanlage auch heute noch Veranstaltungsort
Das Olympiazentrum Schilksee war eigens für die Spiele gebaut worden, deren Segelwettbewerbe nach 1936 zum zweiten Mal in Kiel ausgetragen wurden. Auf 285.000 Quadratmetern entstand ein Sportzentrum mit Sportboothafen, Bootshallen, Schwimm- und Sporthalle, Unterkünften für Sportler und einem großen öffentlich zugänglichen Bereich. Die Anlage ist auch heute Austragungsort von Sportveranstaltungen und der Kieler Woche.
Die Baupläne für Schilksee hatte Oberbürgermeister Günther Bantzer (SPD) übrigens Anfang der siebziger Jahre, also zu Zeiten der Ost-West-Konfrontation, der estnischen Metropole Tallinn zugeschanzt. Diese nutzte die heimliche Hilfe aus dem Land des „Klassenfeindes“ im innersowjetischen Konkurrenzkampf um die Austragung der olympischen Segelwettbewerbe 1980 und bekam den Zuschlag.
Mit Olympia ’72 wurde Kiel national und international viel stärker wahrgenommen als bis dato. Der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees, Avery Brundage, kam zur Eröffnung am 28. August und Bundespräsident Gustav Heinemann zur Windjammerregatta mit über 70 Großseglern am 3. September. Fast eine halbe Million Menschen waren dabei, und Heinemann war offenkundig überwältigt. „So etwas Schönes habe ich noch nie gesehen“, kommentierte er.
Olympia-Neuauflage an der Förde?
Mehr als 300 Segler, alles Männer, aus 42 Nationen gingen seinerzeit bei den Olympiaregatten in sechs Bootsklassen an den Start. Die bundesdeutschen Segler Ulrich Libor und Peter Naumann („Flying Dutchman“) sowie Willy Kuhweide und Karsten Meyer („Star“) holten jeweils Bronze. Silber gewannen in der „Drachen“-Klasse die DDR-Athleten Paul Borowski, Konrad Weichert und Karl-Heinz Thun aus Rostock.
Das Olympische Feuer hatte übrigens der erst 16-jährige Philipp Lubinus entzündet. „Das war natürlich aufregend“, sagt der Mediziner im Rückblick am Telefon. „Es war eine große Ehre.“ Er habe damals schon gesegelt und sei auch ein ganz guter Leichtathlet gewesen. So habe sich das mit ihm wohl angeboten, sagt Lubinus. Es sei dann auch alles glattgegangen. Die Fackel, die er behalten durfte, habe er zu einem Wanderpokal umgebaut – der dann irgendwo verschollen sei.
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Ob eine Olympia-Neuauflage an der Förde denkbar sei? „Irgendwann wird es sicher wieder eine deutsche Bewerbung geben“, sagte Oberbürgermeister Kämpfer. „Und dann muss auch Kiel wieder bereitstehen.“ Im Falle einer neuen Bewerbung müsse aber das Thema Nachhaltigkeit eine herausragende Rolle spielen.