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Kaum Infektionen: Was macht Rostock anders als andere Städte, Herr Oberbürgermeister?

Er ist Däne und damit der erste ausländische Oberbürgermeister einer deutschen Großstadt – und er hat es geschafft, dass Rostock mitten in der Pandemie mit einem sensationell niedrigen Inzidenzwert von 16,7 glänzt. Was macht Claus Ruhe Madsen (48, parteilos) anders als andere Bürgermeister?

Ein winziger gelber Fleck leuchtet auf der rot bis tiefroten Corona-Deutschlandkarte, ganz oben. Das ist die Hansestadt Rostock, die einen in ganz Europa extrem niedrigen 7-Tages-Inzidenzwert aufweist: Pro 100.000 Einwohner infizieren sich binnen sieben Tagen 17,6 Rostocker, während es in Sachsen Landkreise mit Inzidenzwerten von mehr als 500 gibt.

Rostock: Darum gibt es hier kaum Corona-Infektionen

Die beiden anderen Landkreise mit solchen Top-Werten, Uelzen (32,79 und Nordfriesland (33,1), sind deutlich dünner besiedelt als die größte Stadt Mecklenburg-Vorpommerns mit knapp 209.000 Einwohnern.

Der Blick auf die Landkarte mache ihn „schon ein bisschen stolz“, sagt Madsen im Gespräch mit der MOPO. Wenn die Rostocker ihn „OB-lix“, nennen, der sein kleines gallisches Dorf gegen das Virus verteidigt (nur acht Corona-Todesfälle bisher!), das macht ihm Spaß – auch wenn er das Unheil näher kommen sieht: „Man sieht die Welle mit jedem Tag stärker auf uns zurollen.“

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Das Rostocker Einkaufszentrum Kröpeliner Tor Center kurz vor dem Weihnachts-Lockdown.

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Schon im Frühjahr hat der Oberbürgermeister, erst seit September 2019 im Amt, schnell reagiert – so schnell, dass es auch jede Menge Gegenwind gab: „Wir haben die Schulen geschlossen, als es gerade mal vier Infektionen in Rostock gab, Rückkehrer aus dem Ski-Urlaub. Da musste ich mich mit der Bundes- und der Landespolitik streiten.“ Madsen setzte sich durch, schickte auch gleich die meisten der 2400 Verwaltungsangestellten ins Homeoffice, denn: „Solche Maßnahmen sind sinnvoll, bevor die Pandemie die Stadt erreicht.“

Rostocks Bürgermeister Claus Ruhe Radsen über seine Strategie

Auch ein Konzert von Johannes Oerding wurde noch vor dem allgemeinen Lockdown abgesagt: „Da wären Leute von überall her nach Rostock gekommen, das hätte ein Superspreader-Event werden können.“

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Claus Ruhe Madsen, Oberbürgermeister, sitzt im Rathaus vor dem Stadtwappen.

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Parallel stockte Madsen das Gesundheitsamt auf: „Ich habe etwa die Leute aus der Gewerbeaufsicht zur Verstärkung geschickt. Und wenn die sagten, wir haben für die nichts zu tun, sagte ich ‚dann bringt denen bei, was sie wissen müssen, wenn es soweit ist.’“ Weil genug Leute da waren, konnte das Gesundheitsamt auch Konzepte erarbeiten, die dazu führten, dass der Kinder- und Jugendsport in Rostock bis vor wenigen Tagen ohne Abstriche stattfinden konnte.

Dass „sein“ Gesundheitsamt die Kontaktverfolgung aufgibt, weil die schiere Masse nicht mehr zu schaffen ist, das wollte der Oberbürgermeister keinesfalls erleben: „Kontaktnachverfolgung ist die stärkste Waffe. Wer das schafft, gehört zum Team Gewinner.“

Madsen, Inhaber eines Möbelgeschäftes, ist ein nahbarer Typ, der es schaffte, die Rostocker mitzunehmen bei seinem strikten Kurs der Kontaktvermeidung: „Ich habe gesagt: Wir spielen Bowling, das Blöde ist nur – wir sind die Kegel. Wir müssen möglichst viele Kegel aus dem Spiel nehmen, damit die Kugel einfach durchrollt.“

Er sagt  – mit ganz leichtem dänischen Akzent – auch Dinge wie „Wir rasen mit 300 Stundenkilometern und gucken nur in den Rückspiegel“, was man gerne als Kritik an der großen Lockdown-Politik verstehen darf: „Ich wünsche mir visionäres Denken, ich möchte nicht immer sieben Tage zurück gucken, sondern frage mich, wie wir in sieben Wochen leben wollen.“

Natürlich steht der Impfplan für Rostock längst. In den Pflegeheimen wurden Listen mit den Namen von impfwilligen Bewohnern erstellt, die Wagen für die mobilen Impfteams sind gepackt, Fahrer stehen bereit – bloß nicht nur in den Rückspiegel schauen.

Madsen, selbst Unternehmer, ist kein Fan des Lockdowns, sagt ganz klar, dass man den Leuten nicht das Schuhe kaufen mit Maske und den Restaurantbesuch mit Hygieneregeln verbieten solle, sondern darauf drängen müsse, dass die Menschen auf die vielen ungeregelten Treffen in Privatwohnungen verzichten.

Dass seine Stadt nun trotz kaum vorhandenen Infektionsgeschehens wie der Rest des Landes alles runterfahren muss, das grämt den Oberbürgermeister trotzdem nicht: „Es gehört zur Solidarität, dass auch die mit den guten Werten mitziehen. Außerdem, wenn wir als einzige alles offen lassen würden, dann wäre das ja wie ein Magnet.“

Dass Rostock einigermaßen verschont bliebe, das ist sein größter Wunsch: „Wenn die Welle nicht zu uns rüberschwappt, dann bin ich der glücklichste Oberbürgermeister der Welt.“ 

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