Zoff um Kioske im Norden: „Wir sind nicht die zweite Reeperbahn“
Trifft man sich in Hamburg beim „Cornern“ an einer Straßenecke, so zieht man in Hannover grüppchenweise von einem Kiosk zum nächsten, vor allem an Wochenenden. „Limmern“ nennt der Volksmund dieses Treiben, bei dem manch einer achtgeben muss, dass er nicht unter die Straßenbahn gerät, denn die fährt zweigleisig durch die Limmerstraße. Bier zu günstigen Preisen am Kiosk kaufen und dann gemeinsam draußen trinken? Das sorgt zunehmend für Ärger. Mancher Anwohner wünscht sich Starkregen vorbei – und zieht schon Vergleiche zur Hamburger Reeperbahn.
Sonntags gegen Mittag, beim späten Frühstück, geht es ruhig zu auf der Limmerstraße in Hannover-Linden. Autos fahren hier kaum. Nur die Straßenbahn rumpelt vorbei.
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Trifft man sich in Hamburg beim „Cornern“ an einer Straßenecke, so zieht man in Hannover grüppchenweise von einem Kiosk zum nächsten, vor allem an Wochenenden. „Limmern“ nennt der Volksmund dieses Treiben, bei dem manch einer achtgeben muss, dass er nicht unter die Straßenbahn gerät, denn die fährt zweigleisig durch die Limmerstraße. Bier zu günstigen Preisen am Kiosk kaufen und dann gemeinsam draußen trinken? Das sorgt zunehmend für Ärger. Mancher Anwohner wünscht sich Starkregen vorbei – und zieht schon Vergleiche zur Hamburger Reeperbahn.
Sonntags gegen Mittag, beim späten Frühstück, geht es ruhig zu auf der Limmerstraße in Hannover-Linden. Autos fahren hier kaum. Nur die Straßenbahn rumpelt vorbei.
Das ist nicht immer so. Die Limmerstraße ist beliebt, vor allem bei jungen Leuten. Zwischen der U-Bahn-Station „Am Küchengarten“ und dem Pferdekutschenbrunnen liegen knapp 700 verkehrsberuhigte Meter und – was viel wichtiger ist – etliche Bars und Restaurants. Und dazu mindestens ein halbes Dutzend Kioske, wenn man auch mal in die Seitenstraßen schaut.
Diese Kioske sind in den vergangenen Jahren immer mehr das Ziel auch von auswärtigen Besuchern geworden. Das gefällt nicht jedem.
„Cornern“ in Hamburg, „Limmern“ in Hannover
In der Kochstraße, keine zehn Meter von der Limmerstraße entfernt, liegt der Kiosk von Hüseyin Yilmaz, doch was heißt hier schon Kiosk? Yilmaz verkauft Freilandeier und FFP2-Masken, erstellt Kopien und faxt Dokumente. Und er zapft Bier, auch „to go“, und das fassweise, jede Woche. Ob vom Faß oder in der Flasche, die Getränke sind günstig, auch bei den anderen Kiosken.
Eigentlich hat das „Limmern“ Tradition – im ehemaligen Arbeiterviertel traf man sich im Freien zum Klönen. Das hat sich durch die Sozialen Medien verändert. Jetzt verabrede man sich zum „Abfeiern“, sagt ein Anwohner und schiebt nach: „Wir sind nicht amused, wir sind nicht die zweite Reeperbahn.“
Eingesessene Lindener sehe man eher selten, die Leute kommen aus Pattensen und Peine, beobachtet der Mann. Vor allem bei gutem Wetter wird es laut. „Starkregen ist immer gut“, sagt der Ur-Lindener. Wobei die Anwohner nichts gegen die Kioske haben.
Gemeinsame Streifen von Polizei und Ordnungsdienst sollen jeden Zwist im Vorfeld entschärfen. Und die Stadt Hannover wirbt auf ihrer Internetseite für „stilvolles Limmern“ – in Lokalen.
„Limmern? Als Hannoveraner macht man das!“
„Limmern? Klar, als Hannoveraner macht man das“, sagt Hüseyin Erhan und schiebt nach: „Wenn auch nicht jede Woche.“
2019 eröffnete der 41-Jährige am Holzmarkt am Rande der Altstadt „Gottfried‘s Feinkiosk“. Die Lage könnte kaum besser sein – direkt am Leibnizhaus, gegenüber vom Niedersächsischen Landtag. „Die Umgebung ist in jedem Reiseführer“, sagt Erhan.
An der Wand hängen Fotos von Kaffeebohnen, Erhans Schwester hat sie bei einer 18-monatigen „Kaffee-Weltreise“ aufgenommen. Der Kiosk hat eine Kaffeebar im „Huckepack“, wie Erhan es nennt, wer hier arbeitet, sollte „Barista-Erfahrung“ mitbringen. Der Kaffee wird in Hannover geröstet, die Milch kommt aus dem Umland. „Wenig Konzern, viel Regionales, da legen wir Wert drauf.“
Kioske in Hannover: Das „Du“ gilt auch für Ex-Kanzler Schröder
Das „Du“ ist hier Kiosk-Philosophie, selbst dann, wenn Ex-Kanzler Gerhard Schröder, Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius oder Hannovers Bürgermeister Belit Onay vorbeikommen, über deren Einkaufsverhalten sich Erhan diskret ausschweigt.
Wie „Gottfried‘s Feinkiosk“ blieb auch „Onkel Olli‘s“ in der Pandemie-Zeit geöffnet. „Wenn nichts mehr offen hatte – hier konnte man sich treffen“, wie Gäste versichern, draußen und mit Abstand. Der Kiosk liegt im langen Schatten der Lutherkirche in der Nordstadt. Das Publikum ist bunt und international, die Uni gleich um die Ecke.
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„Onkel Olli‘s“ ist in Hannover bekannt für seine große Auswahl an Biersorten, mindestens 200 sind es immer, da kommen viele Supermärkte nicht mit, sagt Lukas Nolte, der den Kiosk im April übernommen hat.
Marc-Oliver Schrank, der Kiosk-Gründer, ist eigens noch nach Belgien gefahren, um ausgefallene Biere im Angebot zu haben. Und Schrank war es, der 2017 versuchte, die hannoverschen Kioske als immaterielles Kulturerbe bei der Unesco anerkennen zu lassen – erfolglos allerdings.