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Diese Visualisierung zeigt eine mögliche zukünftige Verkehrslenkung auf dem Steintorplatz in Hannover.
  • Diese Visualisierung zeigt eine mögliche zukünftige Verkehrslenkung auf dem Steintorplatz in Hannover.
  • Foto: picture alliance/dpa/Landeshauptstadt Hannover | Ole Spata

„Zeit der Experimente ist vorbei!“ Hannover mit knallhartem Anti-Auto-Plan

Mobilitätswende – das ist in Hannover nicht neu: Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Stadt vor allem für Autofahrer wieder aufgebaut. Jetzt wendet sich Hannover von der Wende ab, die Innenstadt soll autofrei werden – fast. Oberbürgermeister Onay macht eines ganz klar.

Man muss es sich im Land der Autofahrer einmal auf der Zunge zergehen lassen: „Das Auto muss und wird Platz machen.“ Entschlossen sagt Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay diesen Satz – so paradox er klingen mag in einer Stadt, die nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs „autogerecht“ und – nach damaligem Verständnis – modern wieder aufgebaut wurde.

Hannover: Innenstadt soll bis 2030 fast autofrei werden

Doch der Klimawandel macht eine Wende nötig, auch der Deutsche Städtetag setzt auf nachhaltige Mobilität. Für Hannover bedeutet das: Die Innenstadt soll bis 2030 fast autofrei sein, Parkplätze an Straßen und Plätzen sollen verschwinden. Hannover geht zu Fuß und radelt – und will mehr Platz für die Menschen.

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„Die Zeit der Experimente ist vorbei“, betont Onay. „Jetzt geht es an die Umsetzung.“ Die Vision einer autofreien Innenstadt war im Wahlkampf des Grünen-Politikers um das Amt des Oberbürgermeisters ein wichtiges Thema. Soll es also künftig gar keine Autos mehr in der City geben? „Autofrei heißt: Es ist kein Auto zu viel in der Stadt“, erklärt er.

Diese Autos dürfen noch weiterhin durch die Innenstadt fahren

Das heißt: Wer in der Innenstadt wohnt, kann den privaten Stellplatz mit dem Auto erreichen, Taxi- und Lieferverkehr dürfen rollen, Menschen mit Behinderung erhalten sogar mehr Parkplätze. Alle anderen fahren über wenige Stichstraßen in die Innenstadt – zu den Parkhäusern. Oder sie nutzen Bus und Bahn, radeln oder gehen zu Fuß. Onay erklärt: „Für diejenigen, die aufs Auto angewiesen sind, wird es zukünftig leichter, in die Stadt zu kommen, weil es weniger konkurrierenden Autoverkehr gibt.“ Und kein Parken im öffentlichen Raum, so sieht es das neue Mobilitätskonzept vor: „Damit verändern wir die ganze Innenstadt.“

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Noch ist das Konzept nicht beschlossen, wie Stadtbaurat Thomas Vielhaber betont – doch für Herbst oder Winter erwartet er einen Grundsatzbeschluss. Geplant sei, Mitte 2024 mit den Umbauarbeiten zu beginnen, der Ausbau etwa der Velorouten sei zudem in vollem Gange.

Schon im vergangenen Jahr sagt Tim Gerstenberger, Verkehrsplaner in Hannover, der Anteil des Radverkehrs am Gesamtverkehr in der Stadt sei zwischen 2002 und 2017 von 13 Prozent auf etwa 19 Prozent gestiegen. Und künftig? Ziel sei, bis auf einen Anteil von 40 Prozent zu kommen, kündigt Oberbürgermeister Onay damals an.

So soll die Innenstadt von Hannover künftig aussehen

Das Mobilitätskonzept hat eine Vorgeschichte – und ergänzt das Konzept für die Innenstadt der Zukunft, das der Rat der Landeshauptstadt im Herbst 2022 beschloss. Dieses sieht bis 2035 mehr Sitzmöglichkeiten vor, Bäume sollen gepflanzt werden, außerdem soll Raum für Spiel-, Kunst- und Freizeitangebote entstehen. In der Frage der Mobilität steht demnach die Erreichbarkeit mit allen Verkehrsmitteln im Fokus – ohne mehrspurige Straßen in der City. Der Radverkehr soll gestärkt und mit dem Veloroutennetz verknüpft werden. Onay spricht zu dem Zeitpunkt von einem „Meilenstein für Hannover“.

Fördermittel von rund 20 Millionen Euro seien gewonnen worden, sagt der Oberbürgermeister. Ende Dezember 2022 beschloss der Rat zudem den Doppelhaushalt für 2023 und 2024 – nach Onays Worten die Grundlage für die autofreie Innenstadt bis 2030.

Autofreie Innenstadt soll den Geschäftsleuten nicht schaden

Und die soll auch dem Einzelhandel keinesfalls schaden, wie Onay betont: „Mir geht es nicht darum, das Geschäft kaputtzumachen. Das Gegenteil ist der Fall, wir wollen, dass es auch dem Einzelhandel besser geht.“ Denn im Online-Handel gebe es keine „attraktiven Aufenthaltsräume“.

Gerstenberger sagt dazu, dass die Innenstadt „aufenthaltsfreundlicher“ werden solle; die Fußgängerzone könne erweitert werden, Radrouten sollten „weitgehend durch autoreduzierte oder autofreie Straßen“ führen. Und auch der öffentliche Nahverkehr werde zuverlässiger, wenn er mit weniger Autos um Platz konkurrieren müsse. Die verbleibenden Autos in der City sollen nach Vielhabers Worten höchstens Tempo 30 fahren dürfen, um die Schwächsten, nämlich die Fußgänger, zu schützen.

Damit schlage Hannover „einen Weg ein, den auch andere europäische Städte und Metropolen derzeit gehen“, sagt Vielhaber. Tatsächlich treibt etwa Paris eine Verkehrswende voran, bei der das Auto auf einer wachsenden Zahl von Seitenstraßen Fußgänger- und Grünflächen weichen muss oder Fahrspuren in Radwege umgewandelt werden.

Zukunftsvision: Ein autonom fahrendes Innenstadt-Shuttle

Thema Radwege: Künftig sollten die Velorouten auch weitere Stadtteile erschließen, außerdem werde über weitere autofreie Quartiere diskutiert werden, kündigt Onay an. Allerdings mahnt der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club unlängst, all dies reiche nicht aus, um in Hannover flächendeckend sicher, zügig und komfortabel mit dem Rad zu fahren – auf „maroden Radwegen“ abseits der Velorouten.

Und dann gibt es da noch eine Zukunftsvision für den Verkehr in der Innenstadt Hannovers, abseits von Radeln, Fußwegen oder Schienen, wie Gerstenberger andeutet: ein autonom fahrendes Innenstadt-Shuttle. Aber das ist Zukunftsmusik.

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