• Foto: picture alliance/dpa

Grausame Details vor Gericht: 63-Jähriger ersticht Frau (25) – Rätsel um sein Motiv

Flensburg –

Die Beweislage spricht eindeutig gegen den Angeklagten. Er wird wegen Totschlags an einer 25-Jährigen zu mehreren Jahren Haft verurteilt. Doch warum der als höflich und hilfsbereit beschriebene 63-Jährige an einem Sommerabend im vorigen Jahr auf die Frau einstach, kann das Gericht nicht klären.

Schwer atmend nimmt der Angeklagte das Urteil auf. Aus dem Publikum sind vereinzelt zustimmende Äußerungen zu hören, als der Vorsitzende Richter der Ersten Großen Strafkammer am Landgericht Flensburg, Mathias Eggers, die Entscheidung verkündet: Zehn Jahre Haft wegen Totschlags.

Die Kammer habe überhaupt keine Zweifel daran, dass der 63 Jahre alte Angeklagte am 31. Juli 2019 in Jübek (Kreis Schleswig-Flensburg) eine 25 Jahre alte Bekannte in deren Wohnung erstochen hat, sagte Eggers.

Gericht Flensburg: Deutlich höhere Strafe als erwartet

Die Kammer verurteilte den Angeklagten damit zu einer deutlich höheren Strafe als von Verteidigung, aber auch Staatsanwaltschaft und Nebenklage gefordert worden war. Der Strafrahmen für Totschlag liegt zwischen fünf und fünfzehn Jahren. Der Angeklagte kündigte nach der Urteilsverkündung an, er werde in Revision gehen.

Der Deutsche, dem ein Gutachter eine leichte Intelligenzminderung attestiert hatte, ist mit dem Lebensgefährten der jungen Frau bekannt, war regelmäßig bei dem Paar zu Besuch. Am Tattag war der Freund des späteren Opfers nicht da, sondern bei der Arbeit in Ostholstein. Dies habe der Angeklagte gewusst, sagte Eggers.

Angeklagter hat die Tat bis zum Schluss bestritten

Der Angeklagte hatte die Tat gegenüber den Nachbarn, die ihn im Anschluss festhielten, der Polizei und auch in der Hauptverhandlung vehement bestritten. Vielmehr habe ihn das Opfer kurz zuvor angerufen, damit er vorbeikomme. Als er die Wohnung betreten habe, habe sie schon leblos am Boden gelegen, schilderte er es. Auch will er sie nicht berührt haben.

„Diese Darstellung ist 100 Prozent widerlegt“, sagte Eggers. Etwa durch eine Zeugin, die die Tat beobachtet und das Gesehene in der Verhandlung detailliert, differenziert und ohne Belastungstendenzen geschildert hat, wie Eggers sagte. Den Anruf des Opfers hat es demnach nachweislich nicht gegeben, dafür wurden DNA von Täter und Opfer an der Tatwaffe gefunden sowie DNA und Blut des Opfers an der Kleidung des Angeklagten.

Gericht: „Dürfen die Tat nicht aus den Augen verlieren“

Der Mann ist nach Ansicht des Gerichts voll schuldfähig. Eggers nahm sich viel Zeit, um zu erklären, warum seine Kammer den Mann zu drei Jahren mehr als von der Staatsanwaltschaft gefordert, verurteilte. Staatsanwaltschaft und Nebenklage hatten eine Haftstrafe von sieben Jahren, die Verteidigung von sechs Jahren gefordert. Alle hatten bei der Strafzumessung mehr Punkte gesehen, die für den Angeklagten, als gegen ihn sprachen.

„Wir dürfen die Tat nicht aus den Augen verlieren“, sagte hingegen Eggers. Der Angeklagte habe 33, 34 mal zugestochen. „Da will ich das Leben nehmen. Das ist Absicht.“ Zudem sei er planvoll vorgegangen, hatte das Jagdmesser anders als sonst dabei und sei anders als sonst an einem Tag zu der Wohnung gefahren, an dem sein Bekannter nicht da war. „Dann entbrannte ein Kampf auf Leben und Tod“, machte der Kammervorsitzende deutlich. Der Angeklagte habe zugestochen, bis die Frau tot gewesen sei. „Das ist die Tat.“ Wenn er nur das Handlungsunrecht sehe, müsste die Strafe noch höher ausfallen.

Flensburg: Angeklagter wurde als lieber, netter Mensch beschrieben

Für den Angeklagten spreche aber, dass er bis zu diesem Zeitpunkt nie straffällig und laut übereinstimmender Zeugenaussagen ein friedfertiger, lieber, netter Mensch gewesen sei. Auch sei ihm eine gewisse Haftempfindlichkeit wegen seines Alters und diverser Krankheiten nicht abzusprechen. Eggers sprach auch die Kindheit und Jugendzeit des Mannes in Heimen an. „Das wünscht man keinem Kind.“ Aber später habe er ein gut funktionierendes soziales Netz gehabt. Auch nach der Tat habe sich niemand von ihm abgewandt.

Das könnte Sie auch interessieren: Junge Frau (25) von Messer-Mann getötet

Warum der Angeklagte sich am Abend des 31. Juli 2019 zu dieser nach Ansicht des Gerichts persönlichkeitsfremden Tat entschloss, konnte die Hauptverhandlung nicht klären. Motiv und Hintergründe seien „völlig offen“ und werden das Geheimnis des Angeklagten bleiben, wie Eggers sagte. Eines schloss die Kammer seinen Worten zufolge aber aus: Dass die junge Frau den Angeklagten zuvor absichtlich provoziert hat. „Dafür was sie nicht der Typ.“ (dpa/mp)

Email
Share on facebook
Share on twitter
Share on whatsapp