Gigantische Mengen Sand weg: Der Kampf um die Nordsee-Strände
Sturmtief „Nadia“ hat am vergangenen Wochenende im ganzen Norden für Chaos gesorgt. Auch die Nordseeinseln sind nicht von Sturmfluten verschont geblieben. Wind und Meer haben dort große Mengen an Sand von den Stränden abgetragen, teilweise sogar regelrechte Schluchten geformt.
Wo vorher ein breiter Sandstrand war, ziert jetzt eine meterhohe Abbruchkante das Bild: Im Westen der Insel Langeoog hatten diesen Winter kleinere Sturmfluten nach und nach den Sand abgetragen, bis ein Teil des Strandes einfach abgebrochen war. Diese Kante ist durch die Stürme am Wochenende nun bedrohlich weit an die Dünen der Insel herangerückt. Selbst Heike Horn, Bürgermeisterin von Langeoog, zeigte sich im Gespräch mit der MOPO beeindruckt: „Das war schon ein Spektakel, solche Sturmfluten haben wir nicht häufig.“
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Sturmtief „Nadia“ hat am vergangenen Wochenende im ganzen Norden für Chaos gesorgt. Auch die Nordseeinseln sind nicht von Sturmfluten verschont geblieben. Wind und Meer haben dort große Mengen an Sand von den Stränden abgetragen, teilweise sogar regelrechte Schluchten geformt.
Wo vorher ein breiter Sandstrand war, ziert jetzt eine meterhohe Abbruchkante das Bild: Im Westen der Insel Langeoog hatten diesen Winter kleinere Sturmfluten nach und nach den Sand abgetragen, bis ein Teil des Strandes einfach abgebrochen war. Diese Kante ist durch die Stürme am Wochenende nun bedrohlich weit an die Dünen der Insel herangerückt. Selbst Heike Horn, Bürgermeisterin von Langeoog, zeigte sich im Gespräch mit der MOPO beeindruckt: „Das war schon ein Spektakel, solche Sturmfluten haben wir nicht häufig.“
Sturmfluten sorgen für massive Sandverluste auf Nordseeinseln
Auch auf den zu Schleswig-Holstein gehörenden Inseln Föhr, Amrum und Sylt vermeldete man Dünenabbrüche leichter bis mittlerer Kategorie. „Auf den anderen Ostfriesischen Inseln sind ebenso auf kleineren Teilstrecken erwartete Abbrüche an der Seeseite der Dünen eingetreten“, so ein Sprecher des Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) zur MOPO. Laut NLWKN waren die Wasserstände im Norden die bisher höchsten in dieser Sturmflutsaison. An der niedersächsischen Nordseeküste wurde sogar fast der Grenzwert für eine schwere Sturmflut erreicht.
Auf Wangerooge haben die extremen Wetterverhältnisse ebenfalls Spuren hinterlassen. An den Dünen im Nordosten der Insel habe man laut Inselbürgermeister Marcel Fangohr bis zu fünf Meter hohe Abbruchkanten – so groß sei der Sandverlust. Überrascht ist der Bürgermeister darüber allerdings nicht mehr: „Damit leben wir seit Jahrzehnten.“ Dennoch: Seine Kollegin Horn beobachtet die Entwicklung nicht ohne Sorge. „Wir ringen um jeden Quadratmeter Strand, denn er ist unter Schutz.“
Sand-Depots sollen die Inseln vor Stürmen schützen
Um eben diesen Schutz zu erhalten, hatte man 2020 ein Sanddepot von 700.000 Kubikmetern vor die Nordseeinsel gespült, welches den Sandabtrag von der eigentlichen Randdüne verhindern soll. Zum Glück, denn von diesem Depot ist an Teilen des Strands nur noch ein kleiner Streifen übrig. Die bis zu 80 Meter breiten Dünengebiete sind ein wichtiger Teil des Küstenschutzes, sie verhindern das Eindringen von Salzwasser in das lebenswichtige Trinkwasserreservoir im Inneren von Langeoog.
Die Bürgermeisterin der Insel berichtet von einem Abtrag im höheren sechstelligen Bereich. In gerade einmal anderthalb Jahren hat sich das Meer einen Großteil des Sandes wieder zurück geholt: „Man geht natürlich davon aus, dass das Depot nach und nach weggespült wird, trotzdem hätte ich mir gewünscht, es hätte länger gehalten.“
Prof. Frank Thorenz vom NLWKN erklärt, wie die Aufspülung funktioniert: „Das eingebaute Depot opfert sich sprichwörtlich für die eigentliche Düne und verliert deshalb in Sturmfluten laufend an Breite. Genau dieser Effekt ist geplant – Strandaufspülungen haben immer eine begrenzte, schwer vorhersagbare Halbwertszeit.“
Der Sand, der vor der Insel aufgespült wird, stammt vom Meeresgrund – und kehrt früher oder später auch dahin zurück. „Für Dünenverstärkungen, wie zuletzt auf Norderney durchgeführt, wird mitunter auch Sand aus hochdynamischen Inselstränden verwendet, an denen Sandüberschuss herrscht und Natur- und Küstenschutz nicht beeinträchtigt werden“, führt das NLWKN aus. Finanziert würden solche Vorhaben aus Mitteln der Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes.
Bei diesen Strandaufspülungen handele es sich um die gezielte Unterstützung der natürlich vorhandenen Strukturen und Sedimenttransportprozesse vor den Inseln. So könne bereits seit 1952 effektiver Küstenschutz ohne die Hilfe von massiven Bauwerken oder Deichen betrieben werden.
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Spätestens im Sommer werden wieder neue Depots vor die Inseln gespült werden müssen. Wie viel und wo genau, wird sich nach Auswertung der Sturmflutsaison zeigen, Handlungsbedarf sieht das NLWKN aber vor allem auf Langeoog und Norderney. „Für Wangerooge könnte zudem eine kleinräumige Dünenverstärkung an den Nord-Ost-Dünen nötig werden.“
Heike Horns erwartet ebenfalls eine erneute Aufspülung: „Es wird sich auf Langeoog um eine ähnliche Größenordnung wie 2020 handeln, vermutlich sogar mehr.“ Auch der Badestrand soll dann neu aufgeschüttet werden. Die aktuelle Situation und Entwicklung von Depots, Stränden und Dünengebieten wird mithilfe von Drohnen und Satelliten laufend vom NLWKN beobachtet. Nächste Woche wird eine erste Bilanz zu den vergangenen Sturmfluten gezogen.