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Gift, Fische und Co.: So geht es der Ostsee wirklich

Die Ostsee verbindet Deutschland mit Polen, Skandinavien und dem Baltikum. Wo es dem Meer gut geht und wo schlecht, wollen Forscher mit einem neuen Index zeigen. Ihnen geht es vor allem um das bislang weniger beachtete Zusammenspiel einzelner Faktoren.

Die Ostsee befindet sich internationalen Experten zufolge in durchwachsenem Zustand. Im Rahmen eines erstmals auf das Binnenmeer angewandten Indexes erhält sie 76 von 100 Punkten, wie die Wissenschaftler des Stockholm Resilience Centre (SRC) am Montag mitteilten. Das entspreche in etwa einer 3+ im Schulzeugnis, sagte der deutsche Hauptautor der Untersuchung, Thorsten Blenckner. „Im Prinzip ist das, als wenn man online etwas kauft, das drei von fünf Sternen bekommen hat.“

Ostsee schneidet im Index mit Schulnote 3+ ab

Bei dem Projekt haben Blenckner und seine Mitstreiter den seit 2012 berechneten Ocean Health Index (OHI) kalifornischer Forscher zum ersten Mal auf die Ostsee angewandt. Mit dem Baltic Health Index (BHI) wollen sie ein umfassendes Bild vermitteln, wie es um den Zustand des Meeres bestellt ist. Gleichzeitig soll besser zu erkennen sein, welche Auswirkungen das Verstellen einer Stellschraube für andere Teilaspekte des Meeres hat.

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„Oft wird diskutiert, dass wir Nährstoffe reduzieren oder weniger fischen müssen. Man stellt aber oft keine Verbindung zwischen den einzelnen Komponenten her“, erklärte Blenckner. Dabei könne es enorm wichtig sein, sich etwa anzuschauen, welche Vorteile ein Schutzgebiet für die Artenvielfalt oder eine Veränderung der Nährstoffe für die Fischerei habe. „Dieser Index gibt das Gesamtbild, wie man das gesamte System – in diesem Fall die Ostsee – managen und messen soll.“ Ein zentrales Ziel ist, aus Hunderttausenden Daten berechnen zu können, wie sich der Zustand über die Jahre verändert – und wie man frühzeitig zum Positiven steuern kann.

Heringe

Heringe aus der Ostsee (Symbolbild).

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Nachbesserungsbedarf sieht Blenckner vor allem bei neuen Giftstoffen. Während die Situation bei alten Schadstoffen wie etwa Dioxin langsam besser werde, würden neuere teils noch gar nicht gemessen.

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Ein zweites Problemfeld seien die Schutzgebiete, die zwar ausgewiesen seien, aber oft über keinen Managementplan verfügten. „Ich kann also mit meinem Boot in dieses Gebiet hineinfahren und es wird nicht richtig kontrolliert. Das gilt auch für Deutschland.“ Wie in der gesamten Region gebe es lokal teils sehr deutliche Unterschiede.

Greenpeace: Schutzzonen der Ostsee bestehen nur auf Papier

Trotzdem lasse sich ein eindeutiges Fazit für die Ostsee erkennen, sagte der Greenpeace-Meeresbiologe Thilo Maack: Die ausgewiesenen Schutzgebiete bestünden nur auf dem Papier, die Anrainer müssten dringend mehr für den Meeresschutz tun. 

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Beim Thünen-Institut für Ostseefischerei in Rostock wurde der Index mit Lob aufgenommen. Der Index zeige, „dass wir noch ein gutes Stück zurückzulegen haben auf dem Weg zum guten Umweltzustand der Ostsee, aber auch, dass die Ostsee alles andere als ein totes Meer ist“, sagte Institutsleiter Christopher Zimmermann.

Greenpeace-Aktivistin

Eine Greenpeace-Aktivistin bei einer Aktion im Juli 2020 (Symbolbild)

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Zur Kritik am Management der Schutzgebiete schränkte Zimmermann ein: „In fast allen Ländern sind erhebliche Anstrengungen im Gange, um Schutzgebiete sinnvoll zu managen, die intensive, aber unvermeidbare Abstimmung mit den verschiedenen Nutzern und Anrainern benötigt aber Zeit.“ In den nächsten beiden Jahren dürften die Abstimmungen abgeschlossen sein.

Stickstoff führt in der Ostsee zu Algenwachstum und Todeszonen

Die Europäische Umweltagentur EEA hatte im Dezember festgestellt, dass es in nahezu der gesamten Ostsee weiter eine zu hohe Belastung durch Nährstoffe gibt. 99 Prozent der analysierten Bereiche des Meeres leiden demnach unter Eutrophierung. Darunter versteht man die oft vom Menschen verursachte und mit negativen Folgen verbundene Anreicherung von Nährstoffen wie zum Beispiel Stickstoff in Gewässern.

Blaualgen auf Ostsee

Blaualgen auf der Ostsee (Symbolbild)

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Wolfram Stein

Nichtsdestotrotz sehe man in dieser Hinsicht eine klare Verbesserung, sagte Blenckner. „Da wird wirklich etwas getan, in die Ostsee kommen deutlich verminderte Nährstoffe hinein.“ Effekte sehe man aber erst nach langer Zeit, so Blenckner. „Die Ostsee ist ja eine Art Badewanne. Um das Wasser in der zentralen Ostsee auszutauschen, dauert es 30 Jahre.“

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Der Umweltstiftung WWF Deutschland gehen die Maßnahmen zur Eindämmung des Nährstoffeintrags nicht weit genug. „Trotz aller Anstrengungen im Bereich Kläranlagen bleibt der Eintrag aus der Überdüngung der Felder weiter ein wesentlicher Treiber von Algenwachstum und Todeszonen in der Ostsee“, erklärte der Leiter des WWF-Ostseebüros, Jochen Lamp. Schon auf den Äckern im Binnenland müsse der Rückhalt der Nährstoffe ansetzen. (dpa)

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