Der Wolf im Norden: Jetzt wird aus dem Jäger ein Gejagter
Die Zahl der Wölfe wächst in Deutschland laut Monitoring derzeit exponentiell. Es gibt rund 160 Rudel, 30 Paare und 20 Einzeltiere. Waren sie zuerst vor allem im Osten des Landes, so leben heute Hunderte in Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern. Immer wieder gibt es Abschuss-Genehmigungen – bisher geheim. Nach massiven Protesten und erfolgreichen Klagen von Tierschutzverbänden werden sie jetzt vorab bekannt gegeben. Jäger haben davor aus einem Grund große Angst.
Die Zahl der Wölfe wächst in Deutschland laut Monitoring derzeit exponentiell. Es gibt rund 160 Rudel, 30 Paare und 20 Einzeltiere. Waren sie zuerst vor allem im Osten des Landes, so leben heute Hunderte in Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern. Immer wieder gibt es Abschuss-Genehmigungen – bisher geheim. Nach massiven Protesten und erfolgreichen Klagen von Tierschutzverbänden werden sie jetzt vorab bekannt gegeben. Jäger haben davor aus einem Grund große Angst.
„Der ländliche Raum wird mit dem Problem Wolf alleine gelassen“, ärgert sich Horst Günter Jagau. Er ist Vorsitzender der Jägerschaft im Landkreis Harburg, und mit dem „Problem“ meint er den Wolf: Es werden immer mehr, das bereitet ihm Sorge. Der Jäger ist Verfechter eines „aktiven Wolfsmanagements“. Anders ausgedrückt: Er möchte die Zahl der Wölfe deckeln – und dazu gehören dann auch gezielte Abschüsse.
Dabei ist Niedersachsen wegen des großen Drucks auch nicht zimperlich. Bereits sechs sogenannte „Problem-Wölfe“ sind in der Vergangenheit abgeschossen worden. In allen Fällen waren es laut Nabu nicht einmal die Tiere, für die es eine Abschussgenehmigung gab! Weitere Tiere sind aktuell zum Abschuss freigegeben.
Sowohl Schäfer als auch Jäger in den betreffenden Gebieten sind von Tierschützern mehrfach bedroht und angefeindet worden. Deshalb sind selbst bei Abschuss-Genehmigungen kaum noch Jäger dazu bereit, Wölfe zu schießen. Sie lehnen es deshalb auch ab, dass in Zukunft bekannt gegeben wird, wenn ein Wolf „entnommen“ werden darf. Zu groß sei die Gefahr, dass dann auch bekannt werde, wer an den Abschüssen beteiligt sei.
Norddeutschland: Mehr als 500 Wölfe leben wieder hier
In Niedersachsen vermehren sich Wölfe besonders gut. Wurden 2012/2013 gerade mal elf Tiere gezählt, waren es im noch laufenden Monitoringjahr 2022/2023 bereits mehr als 350. Allerdings stagniert die Zahl auf hohem Niveau. In Mecklenburg-Vorpommern lebten vor zehn Jahren gerade mal zwei Wölfe, 2021/2022 schon 160. Einzig in Schleswig-Holstein haben sich bislang keine Rudel niedergelassen – das Bundesland wird nur von Einzeltieren durchquert.
Die größten Probleme bereitet, dass Wölfe auf dem Lande viele Schafe reißen, teils auch schon Kälber und Ponys angegriffen haben. Im Landkreis Harburg sorgte im vergangenen Sommer ein Angriff für Aufsehen: Ein Wildtier drang in eine Weide ein und attackierte 25 zum Teil trächtige Schafe. Oftmals halten sie nicht mal Zäune und Strom ab. Ein Schäfer aus Winsen (Landkreis Harburg) hat bereits versucht, eine Waffe einzuklagen.
Jäger: „Wenn ich Weidetiere einzäune, zäune ich Wild aus“
Jagau hält die politische Kommunikation zu dem Thema für widersprüchlich: „Einerseits wird gefordert, dass Nutztiere dem Tierwohl entsprechend draußen gehalten werden und nicht im Stall. Anderseits ist man nicht bereit, die nötigen Maßnahmen zu ihrem Schutz zu treffen.“ Die Weiden überall einzuzäunen, hält der Jäger für verfehlt. Für Landwirte sei das häufig gar nicht leistbar, zudem führe die Sicherung zu unerwünschten Nebenwirkungen: „Wenn ich Weidetiere einzäune, dann zäune ich Wild, wie Rehe und Wildschweine, aus.“
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Marie Neuwald vom Naturschutzbund Nabu hingegen befürwortet die Sicherung von Weideflächen durch Zäune. Doch auch sie weist auf die Herausforderungen für Landwirte hin. „Was oft vergessen wird: Herdenschutz bedeutet Mehraufwand, das heißt höhere Arbeitskosten, zum Beispiel für die Kontrolle der Zäune. Das sollte honoriert werden.“
Nabu: „Herdenschutz muss zum Standard werden“
Die Nabu-Referentin für Wölfe und Beweidung plädiert dafür, dass die Bundesländer Landwirte beim Schutz ihrer Weiden stärker als bisher unterstützen. Ein effektiver Herdenschutz müsse zum Standard der Tierhaltung werden.
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Wölfe zu bejagen hält Neuwald grundsätzlich für ungeeignet, um Weidetiere zu schützen. Wölfe würden dadurch nicht lernen, Abstand zu Nutztieren zu halten. Die einzige Ausnahme: „Wölfe, die nachweislich guten Herdenschutz überwunden haben, können als letztes Mittel entnommen, das heißt getötet werden.“ Das gebe das aktuelle Bundesnaturschutzgesetz aber schon her.
Tatsächlich hat Niedersachsen den Wolf inzwischen ins Jagdrecht aufgenommen, doch ein Abschuss ist nach wie vor an strenge Ausnahmeregelungen geknüpft. Nur Tiere, die wiederholt auffällig wurden, dürfen geschossen werden. Für die meisten Wölfe heißt das vorerst: durchatmen.