Mit Gendern und Dauer-Provokation: „Klimakleber“ geht Richter mächtig auf die Nerven
Von diesem Prozesstag müssen sich alle erstmal erholen: Ein 41-jähriger „Klimakleber“ der „Letzten Generation“ hat am Montagmorgen die Geduld der Anwesenden gehörig strapaziert. Zwischenrufe, unangemessene Fragen an eine Zeugin, Vorwürfe an den Richter, Gender-Forderungen Der Mann, der sich selbst für einen der Guten hält und offenbar wenig mit seinem Leben anzufangen weiß, ließ nichts aus – und kassierte dafür schon vor der Urteilsverkündung eine erste Bestrafung.
Angeklagt ist der Flensburger Lars Schäfer, ein Mitglied der „Letzten Generation“: 41 Jahre alt, Glatze, grau werdender Bart, roter, knöchellanger Rock, türkisfarbener Nagellack, schwarzes Jackett. Vom Gesicht her Vorstadt-Familienvater, von der Kleidung her schottischer Dudelsack-Spieler. Ihm wird vorgeworfen, sich im Oktober 2023 mit einer Hand auf die Edmund-Siemers-Allee auf Höhe der Uni geklebt und damit den Verkehr blockiert zu haben – laut Staatsanwaltschaft ein klarer Fall von Nötigung.
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Von diesem Prozesstag müssen sich alle erstmal erholen: Ein 41-jähriger „Klimakleber“ der „Letzten Generation“ hat am Montagmorgen die Geduld der Anwesenden gehörig strapaziert. Zwischenrufe, unangemessene Fragen an eine Zeugin, Vorwürfe an den Richter, Gender-Forderungen Der Mann, der sich selbst für einen der Guten hält und offenbar wenig mit seinem Leben anzufangen weiß, ließ nichts aus – und kassierte dafür schon vor der Urteilsverkündung eine erste Bestrafung.
Die Zuschauerbank ist gut gefüllt an diesem Morgen im zweiten Stock des Hamburger Amtsgerichts. Einige ältere Damen sitzen da, ein Mann mit Wuschelhaar und Strickpulli, eine unscheinbare junge Frau und Mathias Kranz, eines der Gesichter der Hamburger Klimakleberbewegung, er macht sich eifrig Notizen.
Kranz spielt heute aber nur eine Nebenrolle. Angeklagt ist der Flensburger Lars Schäfer, ein anderes Mitglied der „Letzten Generation“: 41 Jahre alt, Glatze, grau werdender Bart, roter, knöchellanger Rock, türkisfarbener Nagellack, schwarzes Jackett. Vom Gesicht her Vorstadt-Familienvater, von der Kleidung her schottischer Dudelsack-Spieler. Ihm wird vorgeworfen, sich im Oktober 2023 mit einer Hand auf die Edmund-Siemers-Allee auf Höhe der Uni geklebt und damit den Verkehr blockiert zu haben – laut Staatsanwaltschaft ein klarer Fall von Nötigung. Mit dabei soll unter anderem Lea Maria Rhein gewesen sein, eine andere bekannte „Klimakleberin“.
Kleber-Prozess in Hamburg: Kollege will Anwalt spielen
Schon zu Beginn deutet sich an, dass diese Verhandlung nicht ganz einfach werden wird. Denn zunächst gibt es eine fast einstündige Diskussion darüber, ob Schäfers Aktivisten-Freund Philipp Hannibal – weißes Hemd, langes schwarzes Haar und Bart – ihn verteidigen darf. Der Richter lässt Schäfer mit stoischer Ruhe verlesen, welche Gründe seiner Ansicht nach dafür sprechen. Er sei „von ähnlichen Repressionen betroffen“ und deshalb eine „gute emotionale Stütze“.
Doch dass Hannibal einen Jura-Workshop besucht und sich eine Podiumsdiskussion angesehen hat, reicht genauso wenig für den Job aus wie sein Physikstudium. Der Richter lehnt ab. Schäfer erhebt Einspruch. Schließlich geleitet ein Justizbeamter den Doch-Nicht-Verteidiger in den Zuschauerraum.
Klima-Kleber in Hamburg vor Gericht: Nicht-Jurist will Anwalt sein
Von dort aus mischt er sich noch ein paar Mal ein und kassiert dafür Ordnungsrufe. Doch nicht nur deshalb geht die Verhandlung kaum voran. Ständig unterbricht Schäfer Staatsanwältin, Protokollantin und Richter und stellt zudem noch Anträge, die die Verhandlung unnötig in die Länge ziehen: einen zum Bespiel auf „gendergerechte Sprache“ in der Verhandlung (er selbst wolle nicht mit Herr Schäfer oder der Angeklagte angesprochen werden, die Pronomen er und ihm seien aber in Ordnung). Dabei vergisst er das Gendern während der Verhandlung selbst ständig.
Dann versucht er es nochmal mit einem Antrag auf Vertretung durch seinen Kleber-Freund. Danach will er, dass die Aussagen der Zeugen wörtlich mitgeschrieben werden. Noch ein Antrag auf Vertretung durch Hannibal. Der Richter lehnt alle ab – ein Grund für Lars Schäfer, den nächsten zu stellen, nämlich auf Aussetzung der Hauptverhandlung, weil er den Vorsitzenden für „befangen“ hält. Ein Ordnungsgeld über 150 Euro wegen seiner Zwischenrufe nimmt Schäfer schulterzuckend entgegen.
Vor Gericht: Angeklagter Klimakleber fragt Polizistin aus
In einem halbstündigen Vortrag erläutert er zudem seine Motivation fürs Kleben. Er spricht über seine Kindheit, seine Jugend, seine Tochter. Lange habe er nicht gewusst, was er mit seinem Leben anfangen wolle. Nun sei ihm klar geworden, dass er Verantwortung für den Erhalt der Erde übernehmen wolle. Er hält sich selbst für einen von den Guten, das wird deutlich – die Proteste der „Letzten Generation“ bezeichnet er als friedlich und gewaltfrei.
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Der vorläufige Höhepunkt des Prozesstages ist die Vernehmung der ersten Zeugin, einer Polizistin, die an dem Tag im Oktober im Einsatz war. Nachdem der Richter ihr kurz ein paar Fragen gestellt hat und sie eigentlich schon den Raum verlassen will, fängt Lars Schäfer an, sie auszufragen – über den Verlauf des Einsatzes, ihre Gefühle dabei, ihre Definition von Folter. Der Richter weist darauf hin, dass letzteres nichts zur Sache tut. Die Zeugin bemüht sich, ruhig zu bleiben und alle Fragen nach Möglichkeit zu beantworten. Und wieder geht eine Stunde ins Land.
Es hatte sich schon am Anfang angedeutet: Heute wird kein Urteil gefällt. Am 24. Januar soll es weitergehen. Bis dahin will Lars Schäfer es irgendwie schaffen, dass sein Kleber-Freund Philipp Hannibal doch noch als Verteidiger zugelassen wird.