Zwischen Betten und Kommoden: Zweite Chance für Ex-Knackis und -Trinker
Zwischen Fitnessstudios, Hipster-Lokalen und PR-Agenturen liegt etwas versteckt mitten in Eimsbüttel (Doormannsweg) der „Möbelkeller“. Was auf den ersten Blick aussieht wie ein Retro-Ikea, ist in Wirklichkeit ein Geschäft für Hamburger, denen das Geld gerade so zum Leben reicht. Seit der Corona-Krise sind das nicht mehr nur Langzeitarbeitslose, das Problem ist in der Mittelschicht angekommen. Und für viele Mitarbeiter – ehemalige Häftlinge, Alkoholiker, Arbeitslose – ist dieser Ort ein wichtiger Anlaufpunkt.
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Zwischen Fitnessstudios, Hipster-Lokalen und PR-Agenturen liegt etwas versteckt mitten in Eimsbüttel am Doormannsweg der „Möbelkeller“. Was auf den ersten Blick aussieht wie ein Retro-Ikea, ist in Wirklichkeit ein Geschäft für Hamburger, denen das Geld gerade so zum Leben reicht. Seit der Corona-Krise sind das nicht mehr nur Langzeitarbeitslose, das Problem ist in der Mittelschicht angekommen. Und für viele Mitarbeiter – ehemalige Häftlinge, Alkoholiker, Arbeitslose – ist dieser Ort ein wichtiger Anlaufpunkt.
So wie für Dirk Schlupp. Der 55-Jährige arbeitet seit fast fünf Jahren in dem Möbelhaus. „Ich habe hier das Pflichtpraktikum während meiner Reha-Maßnahme absolviert“, berichtet er. „Das hat mir wirklich gut gefallen: Super Kollegen, eine tolle Teamarbeit. Am Ende des Praktikums hat der Chef mich gefragt, ob ich nicht länger bleiben möchte. Da musste ich gar nicht lange überlegen.“
„Möbelkeller“ in Hamburg: Spenden vor allem von Privat
Der Chef, das ist André Jünke vom Verein „Mook wat e.V.“, der den „Möbelkeller“ betreibt. Ein günstiges Möbelgeschäft für Menschen, die ihre Bedürftigkeit nachweisen können – zum Beispiel Rentner, Studenten, Bezieher jeglicher Transferleistungen.
„Wir merken, dass immer mehr Menschen aus der vermeintlichen Mittelschicht hierherkommen. Väter, die ihre Familien nicht mehr ernähren können. Selbstständige. Menschen, die durch Corona-, Energiekrise und Inflation ans Existenzminimum gerutscht sind.“
Bei den Möbeln handelt es sich ausschließlich um Spenden, vor allem von Privatpersonen. Im „Möbelkeller“ werden sie bei Bedarf repariert, ihr Wert geschätzt und anschließend verkauft. Ca. 30 Personen arbeiten hier auf 500 Quadratmetern Verkaufsfläche.
Sie kommen aus unterschiedlichen Unterstützungsprogrammen – zum Beispiel zur Resozialisierung nach einer Haft, im Rahmen einer Suchtbehandlung wie bei Dirk Schlupp, oder als Maßnahme des Jobcenters wie bei Thomas Schreiber.
„Rundum-Wohlfühlprogramm“: „Möbelkeller“ in Hamburg
Der 57-Jährige hat nie eine Ausbildung gemacht und war viele Jahre arbeitslos. Das Jobangebot war ein absoluter Glücksgriff für ihn. „Dieser Ort ist wie ein Rundum-Wohlfühlprogramm“, sagt er. „Ich kann mir gut vorstellen, meinen Zweijahresvertrag zu verlängern.“
Im Gegensatz zu Dirk Schlupp verdient er hier auch Geld. Der arbeitet nämlich nach wie vor ehrenamtlich und bezieht Bürgergeld. Das gibt ihm Struktur, sagt er, und trotzdem hat er keinen Druck – erst neulich hat er seine Arbeitstage nach einem Klinikaufenthalt wegen Depressionen reduziert.
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„Die Nachfrage lässt sich kaum bedienen“, sagt André Jünke. „An unserem Anspruch verändert sich trotzdem nichts: Wir verkaufen keinen Schrott, die Menschen sollen sich bei uns wohlfühlen.“