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  • Die „Bridge&Tunnel“-Gründerinnen Constanze Klotz (40, l.) und Charlotte Erhorn (42).
  • Foto: Quandt

Alte Jeans für neue Chancen: „Uns sind Zeugnisse egal, es zählt nur das Geschick“

Wilhelmsburg –

Zwölf Millionen Tonnen an Textilien landen in Deutschland jedes Jahr im Müll. Unerträglich – dachten sich Hanna Charlotte Erhorn (42) und Constanze Klotz (40) vor über fünf Jahren, und entwickelten ein Geschäftsmodell, das wenigstens ein paar Kilo pro Jahr retten sollte: Im Atelier ihres Start-ups Bridge&Tunnel landen alte Jeans auf dem Nähtisch statt auf der Müllkippe. Werden zu Taschen, Decken, Hipbags, Kissenbezügen und Blousons verarbeitet.

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Upcycling nennt man dieses Prinzip. „Als wir gestartet sind, haben uns viele ein Nischendasein vorausgesagt. Heute sind wir total zeitgeistig“, sagt Klotz. Denn selbst auf den Laufstegen von Mailand bis Paris ist das Thema angekommen.

Für Hamburger Unternehmen zählt Erfahrung statt Zeugnisse

Im Mittelpunkt stand bei der Gründung von Bridge&Tunnel (weil man nach Wilhelmsburg nur über Brücken oder Tunnel kommt) noch ein weiterer Gedanke: Die Gründerinnen wollten Menschen eine Chance geben, wieder in den Arbeitsmarkt einzusteigen. „Teilweise haben unsere Mitarbeiter*innen schon jahrelange Berufserfahrung. Weil sie aber das Nähen im Familienbetrieb oder von der Mutter gelernt haben, können sie keine Zeugnisse vorweisen“, sagt Constanze Klotz, die als promovierte Kulturwissenschaftlerin viele Jahre in der Stadtplanung tätig war. „Uns sind Zeugnisse egal, es zählt nur das handwerkliche Geschick an der Maschine.“

Podcast: Hören Sie AboutYou-Gründer Tarek Müller hier im Gespräch mit den „Bridge&Tunnel“-Gründerinnen:

Aktuell arbeiten sieben festangestellte Näher*innen aus sechs Nationen für das Start-up: Menschen mit Fluchtgeschichte, Langzeitarbeitslose und eine gehörlose Frau. Auf jedem fertigen Teil kann man lesen, wer es gemacht hat. „Die Textilarbeiter*innen werden in der Modebranche oft wenig wertgeschätzt. Wir wollen das ändern“, sagt Erhorn, die Textildesign studiert hat.

Wilhelmsburg: Kaputte Jeans werden wieder zu was Neuem

„Hamburg war gut zu uns“, da sind sich beide einig. „Die Menschen stehen zu ihrem Wort.“ Auf die spontane Idee der beiden folgte ein Stipendium von der Gründerunterstützung Social Impact, und auf den Businessplan eine viertel Million Euro Starthilfe von einem privaten Investor aus Hamburg und über Gründungswettbewerbe.

Verarbeitet werden in Wilhelmsburg kaputte Jeans von Privatleuten genauso wie Restanten von großen Firmen wie Otto und unverwertbare Textilien aus Kleiderkammern. Auch kann man seine alte Lieblingsjeans einschicken und sie zu einer neuen Tasche umgestalten lassen.

Hamburgerinnen verwerten Warenreste

Einen großen Teil des Umsatzes erwirtschaftet Bridge&Tunnel mit B2B, also mit Kooperationen mit Unternehmen wie Sea Shepherd oder Tchibo. „Wir wollen Firmen dazu bewegen, über ihre Warenreste nachzudenken“, so Klotz. „Ob alte Zelte oder Warnwesten: Textilien sind erst dann Müll, wenn man sie als solchen betrachtet.“ Und wer gerade eine schwarze oder graue Jeans wegwerfen wollte: die werden händeringend gebraucht in Wilhelmsburg.

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