Zirkuszelt statt schwarzer Kleidung: Wie Bestattungen in Hamburg sich verändern
In einem Wald, in einem See, in einem Diamanten? Mit einem Zirkuszelt, mit einer Malstunde oder jede Menge Fußball-Deko – wie wollen Sie denn mal verabschiedet werden? Was für die meisten Menschen ein absolutes Tabuthema ist, ist für eine Hamburger Bestatterin täglich Brot. Ein Schicksalsschlag brachte sie zu ihrem neuen Beruf und war ihr gleichzeitig Inspiration. „Wir verstecken uns nicht am Stadtrand mit Lamellen im Fenster“, sagt sie. Wie sie aus „Trauerfeiern“ „Lebensfeiern“ macht und warum man sich schon mitten im Leben Gedanken über seinen Abschied machen sollte, hat sie der MOPO erzählt.
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In einem Wald, in einem See, in einem Diamanten? Mit einem Zirkuszelt, mit einer Malstunde oder jede Menge Fußball-Deko – wie wollen Sie denn mal für immer verabschiedet werden? Was für die meisten Menschen ein absolutes Tabuthema ist, ist für eine Hamburger Bestatterin täglich Brot. Ein Schicksalsschlag brachte sie zu ihrem neuen Beruf und war ihr gleichzeitig Inspiration. „Wir verstecken uns nicht am Stadtrand mit Lamellen im Fenster“, sagt sie. Wie sie aus „Trauerfeiern“ „Lebensfeiern“ macht und warum man sich schon mitten im Leben Gedanken über seinen Abschied machen sollte, hat sie der MOPO erzählt.
Gioia Königsmark war 30, als ihre Mutter den Kampf gegen den Krebs verlor. „Gemeinsam haben wir Seite an Seite 13 Monate gekämpft. Wir haben gelacht und geweint, in dem Wissen, dass unsere Zeit endlich ist“, sagt sie. „Meine Mama war Künstlerin und hat sich gewünscht, dass ich ihre Asche auf dem Jakobsweg verstreue.“
Gioia Königsmark fand einen Bestatter, der ihr das möglich machte. „Ich bin da rausgegangen und dachte: Wow, was für ein irrer Beruf. Ich möchte auch Menschen in solchen Momenten begleiten und ihnen wenigstens die bürokratischen Sorgen nehmen.“
Lebensfeiern mit Fußball-Urne, Partyzelt und Heavy Metal
Die Abschiedsfeier von ihrer Mutter nannte Königsmark Lebensfeier: Ihre Freunde kamen im Garten zusammen, Beatles-Musik lief und es gab kalte Getränke. Einige Jahre später gründeten die junge Frau und ihr Partner Dustin Selke (37) das Bestattungsunternehmen „Lichtermeer“.
Ihr Konzept: bunte, wechselnde Schaufenster, ein Tisch mit Blumen und Süßigkeiten vor der Tür. Ihr Geschäft in der Ottenser Hauptstraße ist hell und freundlich, im Regal steht eine Urne mit dem Logo des FC St. Pauli, eine in Form eines Heißluftballons und Kinderbücher, die sich mit dem Tod beschäftigen. „Als Quereinsteiger sind wir ganz offen in den Beruf gestartet“, erzählt Königsmark. Bei dem Wort „Lebensfeier“ würden den Angehörigen unzählige Ideen für die Gestaltung einfallen, sagt Gioia Königsmark, und sie versucht, es möglich zu machen: Ob mit Fußball-Deko, Konfetti oder Heavy Metal.
„Ein Klient hat unerwartet seinen Lebensgefährten verloren und wollte, dass die Feier genauso fröhlich wird, wie er es war“, berichtet sie. „Er hat eine Villa gemietet und es wie eine Hochzeit gestaltet. Der Sarg wurde während der Feierlichkeiten bemalt, unter anderem mit dem kleinen Prinzen, den der Verstorbene sehr mochte.“ Gerade plane sie eine Lebensfeier für einen verstorbene Künstler – mit einem Zirkuszelt, einer Marching Band und 150 bis 200 Gästen.
Ohlsdorf: Nur noch 11 Prozent der Friedhofsfläche benötigt
Durch die Bank weg beobachten die Bestatter, dass die Menschen individuellere und vor allem naturverbundenere Bestattungsformen wählen. „Zum Beispiel in einem Wald. Dort gibt es, anders als auf dem Friedhof, keine Öffnungszeiten und man kann mit dem Hund spazieren gehen oder am Grab picknicken“, sagt Dustin Selke.
Einer, der den Wunsch nach Individualität ebenfalls zu spüren bekommt, ist Lutz Rehkopf vom Friedhof Ohlsdorf. Große Teile der 389 Hektar großen Parkanlage stehen leer. „80 Prozent der Beisetzungen in Hamburg finden mittlerweile in Urnen statt“, sagt Rehkopf im Gespräch mit der MOPO. „Dadurch wird nur noch elf Prozent der früheren Fläche des Friedhofs als Grabfläche benötigt. Dazu kommt die Konkurrenz durch Bestattungsangebote außerhalb der Friedhöfe, zum Beispiel Friedwälder, Diamant- und Seebestattungen.“
- Florian Quandt Eine der neuen Bestattungsmöglichkeiten auf dem Ohlsdorfer Friedhof ist das „Ufer der Erinnerungen“, eine Art Seebestattungs-Ersatz.
- Florian Quandt Auf dem Mensch-und-Tier-Friedhof kann man sich mit seinem Haustier begraben lassen.
- Florian Quandt Auch einen Aussichtsturm gibt es auf dem Friedhof Ohlsdorf.
- Florian Quandt Auf dem Mensch-und-Tier-Friedhof kann man sich mit seinem Haustier begraben lassen.
Dem Trend versucht der Friedhof mit dem Angebot von Aberdutzenden Themengrabstätten gerecht zu werden. Da gibt es Mensch-Haustier-Gräber, einen Schmetterlingsgarten, eine Urnenkrypta. Zum Jahreswechsel sind unter anderem ein Wildblumengarten, ein Ufer der Erinnerungen sowie ein Apfelhain dazugekommen.
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Gioia Königsmark und Dustin Selke von „Lichtermeer Bestattungen“ sind der Meinung, dass auch Lebende sich bereits damit beschäftigen sollten, wie sie verabschiedet werden wollen. „Das gibt einem so viel Macht“, sagt Königsmark. „Der Abschied sollte in der gleichen Handschrift geschrieben sein, wie das Leben selbst.“