Zins-Abzocke mit Studienkrediten? So treibt der Staat junge Menschen in den Ruin
Seit wenigen Wochen läuft an den Hamburger Universitäten das Wintersemester. Für Tausende Studierende bedeutet das den Start in einen neuen Lebensabschnitt. Dabei spielt die Frage der Studienfinanzierung eine große Rolle – manchmal hilft nur ein Kredit. Und der kann dank stark gestiegener Zinsen zu einer beängstigenden Schuldenfalle werden.
Seit wenigen Wochen läuft an den Hamburger Universitäten das Wintersemester. Für Tausende Studierende bedeutet das den Start in einen neuen Lebensabschnitt. Dabei spielt die Frage der Studienfinanzierung eine große Rolle – manchmal hilft nur ein Kredit. Und der kann dank stark gestiegener Zinsen zu einer beängstigenden Schuldenfalle werden.
Viele Studierende träumen nach erfolgreichem Abschluss des Studiums von einer Chance auf gesellschaftlichen Aufstieg. Gute Noten, guter Job, gutes Geld. Die Realität sieht oft erst einmal anders aus: reichlich Lernaufwand, und wer die Bücher und Notizen weglegt, verbringt die wenige freie Zeit häufig mit gering bezahlten Nebenjobs, um das Studium und den Lebensunterhalt zu finanzieren.
KfW erhöht Zinsen für Studienkredit auf 9,01 Prozent
Entlastung erhoffen sich nicht wenige Studierende von Bildungs- oder Studienkrediten. Zu Zeiten der Pandemie lockte besonders das Angebot der staatlichen KfW-Bank (Kreditanstalt für Wiederaufbau) mit null Prozent Zinsen – die übernahm der Staat als zusätzliche Entlastung. Doch die Zinsfreiheit ist im September 2022 ausgelaufen. Seitdem schnellte der variable Zinssatz rasant in die Höhe: Seit dem 1. Oktober liegt er bei 9,01 Prozent.
Maximal 650 Euro können sich Studierende pro Monat auszahlen lassen. Die Zinsen werden in der Regel direkt von der Summe abgezogen – je länger der Kredit läuft, desto weniger Geld wird also ausgezahlt. Die schon abgezogene Summe muss am Ende dennoch zurückgezahlt werden. Während der Karenzphase, die maximal 18 Monate dauert und in die Rückzahlung mündet, die maximal 25 Jahre lang dauern darf, fallen weiterhin Zinsen an – die können mitunter Hunderte Euro über dem eigentlich zu tilgenden Betrag liegen.
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Ein Rechenbeispiel: Wer sich während eines Bachelorstudiums über sechs Semester monatlich 650 Euro auszahlen lässt, kommt auf ein Darlehen von 23.400 Euro. Abzüglich von 2955,24 Euro Zinsen stünden einem über die Gesamtzeit von 36 Monaten 20.444,76 Euro zur Verfügung. In der Karenzphase würden nach 18 Monaten weitere 3039,66 Euro Zinsen anfallen. Der Mindestbetrag für die Rückzahlung läge bei 190,96 Euro – bei einer Tilgungsphase von 25 Jahren oder 300 Monaten häufen sich so unfassbare 33.880,49 Euro an.
Insgesamt kämen Studierende nach diesem Beispiel auf eine Gesamtschuld von 63.275,39 Euro. Das birgt die Gefahr, mit mehreren zehntausend Euro Schulden aus dem Studium zu gehen und deutlich mehr als die geliehene Summe an die KfW überweisen zu müssen. Kurzum: Es riecht nach Abzocke.
KfW verteidigt steigende Zinsen für Studienkredit
„Angesichts der steigenden Marktzinsen mussten wir leider die Zinskonditionen im KfW-Studienkredit ein weiteres Mal anheben“, sagte eine KfW-Sprecherin der MOPO. Die Bank verdiene mit dem Angebot selbst kein Geld, sondern arbeite kostendeckend, hieß es verteidigend. Mit dem Zinssatz richtet sich die KfW nach dem europäischen Referenzzins Euribor – steigt der, wird auch der Studienkredit teurer.

Das Hamburger Studierendenwerk beobachtet die Entwicklung mit kritischen Augen. Dort gibt es die Möglichkeit, sich über verschiedene Finanzierungswege zu informieren – auch über den KfW-Studienkredit. „Manche kommen mit einem Vertrag rein und werfen den später weg, weil wir eine günstigere Finanzierungsmöglichkeit gefunden haben“, sagte Birte Aye, Leiterin des Beratungsteams Studienfinanzierung, im Gespräch mit der MOPO.
Studierendenwerk Hamburg: „Können vor KfW-Studienkredit nur warnen“
Auch über die Risiken, die der Studienkredit der KfW birgt, klärt das Beratungsteam auf. Zu jedem Gespräch gehöre dazu, die Tilgung der Schulden durchzurechnen und zu erklären, wie das mit dem variablen Zinssatz funktioniert. „Wir machen den Studierenden deutlich, was auf sie zukommt“, sagte Aye. „Im Moment können wir vor dem KfW-Studienkredit nur warnen.“
Auch Studienkredit-Experte Ulrich Müller rät vom KfW-Studienkredit ab. Steigen die Zinsen weiterhin so stark, spiele das Angebot in „ein, zwei Jahren“ keine Rolle mehr, prognostiziert der Leiter politische Analysen des Centrums für Hochschulforschung (CHE). Müller fürchtet, dass Bildung künftig noch stärker vom Elternhaus und Nebenjobs abhängt: „Bereits jetzt sind diese beiden Quellen die wesentlichen Pfeiler der Studienfinanzierung in Deutschland, 85 Prozent der Studierenden erhalten aktuell weder BAföG noch Stipendium, noch nutzen sie einen Studienkredit.“
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Über kurz oder lang helfe nur eine Reform des BAföG, das den Studierenden zinsfreie oder zinsgünstige Darlehensoptionen anbieten müsste. Müller sieht den Ball jetzt bei der Bundesregierung und Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) liegen. „Sie muss kurzfristig dafür sorgen, dass die KfW den Zinssatz in akzeptable Regionen senkt.“ Ein Vorbild könnte Amtsvorgängerin Annette Schavan (CDU) sein, die 2009 während der Finanzkrise einen Anstieg auf einen Zinssatz von sieben Prozent verhindert hatte.
Die MOPO hat im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) nachgefragt. „Aufstieg durch Bildung ist ein zentrales Anliegen“, sagte eine Sprecherin, „ein Studium darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen“. Das Ministerium habe sich „im Interesse derzeitiger und künftiger Kreditnehmer“ mit der KfW darüber ausgetauscht, ob die Zinsen stabil gehalten oder sogar gesenkt werden können – und eine Absage kassiert.
Bildungsministerium: „Keine Option, KfW-Studienkredit mit Bundesmitteln zu unterstützen“
„Angesichts der klaren Konzeption als Eigenmittelprogramm und der Haushaltslage, war es schlussendlich auch keine Option, den KfW-Studienkredit mit Bundesmitteln zu unterstützen“, sagte die Sprecherin. CDU und SPD hatten bei der Einführung 2006 beschlossen, dass sich das Angebot nicht belastend auf den Bundeshaushalt auswirken darf.
Die KfW wiederum empfiehlt Studierenden, sich nicht allein auf ihr Angebot zu verlassen. „Der KfW-Studienkredit kann ein Baustein unter vielen in der Studienfinanzierung sein und z.B. für laufende Kosten genutzt werden, die nicht durch BAföG, einen Nebenjob oder Unterstützung der Familie abgedeckt werden können“, sagte die Sprecherin. (Ex-)Studierenden, die schon längst in der Schuldenfalle stecken, hilft das kaum. Für sie wird das Thema Privatinsolvenz immer interessanter. Die ist immerhin schon nach spätestens sechs Jahren abgeschlossen – und nicht erst nach einem Vierteljahrhundert.