Zigaretten-Boom bei Jugendlichen: Warum wird das Zeug nicht verboten?
Immer mehr Jugendliche greifen zur Zigarette: Unter den 14- bis 17-Jährigen hat sich der Tabakkonsum fast verdoppelt – das ist das Ergebnis einer neuen Studie. Tatsächlich bildet Deutschland auch im europäischen Vergleich das Schlusslicht, wenn es um den Jugendschutz beim Rauchen geht. Warum das so ist, ob E-Zigaretten wirklich so harmlos sind und was Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zu all dem sagt.
- Deutsch (Deutschland)
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Immer mehr Jugendliche greifen zur Zigarette: Unter den 14- bis 17-Jährigen hat sich der Tabakkonsum fast verdoppelt – das ist das Ergebnis einer neuen Studie. Tatsächlich bildet Deutschland auch im europäischen Vergleich das Schlusslicht, wenn es um den Jugendschutz beim Rauchen geht. Warum das so ist, ob E-Zigaretten wirklich so harmlos sind und was Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zu all dem sagt.
Was sind die Ergebnisse der Studie?
Die „Deutsche Befragung zum Rauchverhalten” (Debra) hat ergeben, dass der Anteil der Raucher:innen in allen Altersgruppen gestiegen ist. Besonders gravierend unter den 14- bis 17-Jährigen: In den vergangenen zwölf Monaten von 8,7 auf 15,9 Prozent. Auch der Anteil von Nutzer:innen von E-Zigaretten ist stark gestiegen: von 0,5 auf 2,5 Prozent. Für die Studie wurden alle zwei Monate rund 2000 Personen zu ihrem Rauchverhalten befragt.
Wie ist das Rauchverhalten der Hamburger Jugendlichen?
In der Debra-Studie finden sich keine Daten explizit für Hamburg. Die lieferte zuletzt die „Schulbus-Studie 2021/22“, die das Suchtverhalten von 14– bis 17-Jährigen in Hamburg und Bremen untersucht hat. Dort war der Anteil der Hamburger Jugendlichen, die Zigaretten rauchen, im Vergleich zu den Vorjahren gesunken. Etwa 29 Prozent gaben damals an, schon Zigaretten geraucht zu haben. 2018 waren es noch 34 Prozent.
Aktuell ist zu vermuten, dass sich die Trendwende aus der Debra-Studie im Jahr 2022 inzwischen auch in der Hansestadt niederschlägt.
Warum ist Rauchen bei Jugendlichen wieder „in“?
Zu den Gründen für den vermehrten Griff zum Glimmstängel liefert die Debra-Studie keine Daten. Was wahrscheinlich dazu beiträgt, ist der Trend zur E-Zigarette. Besonders die bunten Einweg-Vapes mit Geschmackssorten wie Zuckerwatte, Pfefferminze oder Wassermelone sind bei Jugendlichen beliebt. Zusätzlich könnten laut Forscher:innen auch Stressfaktoren wie die Pandemie, Kriege und Krisen einen Einfluss auf das Rauchverhalten haben.
Wie schädlich sind Tabak- und E-Zigaretten?
In Deutschland sterben jährlich mehr als 120.000 Menschen an den Folgen des Tabakkonsums. Viele Raucher:innen greifen zur E-Zigaretten, die mit Verdampfungsverfahren arbeiten und als weniger gesundheitsschädlich gelten. Die Liquids von E-Zigaretten enthalten jedoch viele Stoffe, deren Langzeitwirkung auf den Körper noch weitgehend unerforscht sind.
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Zudem können E-Zigaretten gerade für Jugendliche ein Einstieg in die Nikotinsucht sein. „In diesem Alter ist das Gehirn noch in der Entwicklung. Wenn es dann mit Nikotin angefixt wird, ist Suchtgefahr fürs Leben extrem groß”, sagt Daniel Kotz, Leiter der Debra-Studie im „Spiegel”.
Wie hält es Deutschland mit Rauchverboten?
Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nannte die Ergebnisse der Studie im „Spiegel“ einen „sehr großen Grund zur Sorge.” Er räumte gleichzeitig ein, dass Deutschland bei der Tabakprävention deutlich hinter anderen Ländern zurückliege.
Kinowerbung für Tabakprodukte ist zum Beispiel erst seit 2021 in Deutschland verboten, wenn der Film für unter 18-Jährige freigegeben ist. Tabakwerbung auf Außenflächen wie Plakaten ist seit 2022 verboten. Die Außenwerbung für Tabakerhitzer ist ab 2023 verboten, die für E-Zigaretten erst ab 2024.
Wie halten es andere Länder mit Rauchverboten?
Auf der „Europäischen Tabakkontrollskala 2021” liegt Deutschland auf Platz 34 von 37 europäischen Ländern. Die Tabakkontrollskala ist eine Rangliste basierend auf Maßnahmen, die seit 2016 zur Verringerung des Rauchens in der Bevölkerung umgesetzt wurden.
In den Niederlanden, Frankreich und Großbritannien werden Zigaretten zum Beispiel in olivgrünen Uniformschachteln ohne Markenlogo verhüllt. Außerdem dürfen Verkaufsstellen die Tabakwaren vielerorts nur hinter verschlossenen Schränken aufbewahren und allein auf Nachfrage herausgeben.
Neuseeland hat vor Kurzem sogar beschlossen, in Zukunft keinen Tabak mehr an Personen auszugeben, die nach dem 1. Januar 2009 geboren wurden. Dänemark arbeitet derzeit ebenfalls an einer Gesundheitsreform, um schrittweise ein Verkaufsverbot von Tabak einzuführen.
Warum ist Deutschland ein Schlusslicht?
„Von einem Zigarettenverbot in Deutschland sind wir meilenwert entfernt“, sagte Katrin Schaller vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg kürzlich dem WDR. Das Institut gehört zu einem Verbund von 50 Gesundheits- und zivilgesellschaftlichen Organisationen, die von der Politik eine Strategie für ein tabakfreies Deutschland 2040 fordern.
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„Das halten wir schon für ambitioniert, aber machbar. Die Tabaklobby leistet in Deutschland gute Arbeit“, sagt Schaller. Und genau damit spricht sie einen wunden Punkt an: Die deutsche Tabaklobby hat gute Verbindung zur Politik und dort wird meist lieber auf Freiwilligkeit als auf Verbote gesetzt.