Kult-Kneipe „Erika‘s Eck“: Was hier in einer Nacht alles passiert
„Erikas Eck“ ist eine Hamburger Institution. Hier kamen früher die Schlachter aus dem Schlachthof, machten Pause. Fleischreste und Blut noch auf der Schürze tranken sie Kaffee und Korn. Heute ist „Erikas Eck“ eine Kneipe, ein Restaurant und einer der wenigen Orte, an dem man nachts noch ein warmes, deftiges Essen bekommt. MOPO-Reporter Erwin Hitzler erlebte bis in den frühen Morgen hautnah mit, warum in dieser Kneipe die Zeit still steht.
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„Erika‘s Eck“ ist eine Hamburger Institution. Hier kamen früher die Schlachter aus dem Schlachthof, machten Pause. Fleischreste und Blut noch auf der Schürze, tranken sie Kaffee und Korn. Heute ist „Erika‘s Eck“ in der Sternschanze eine Kneipe, ein Restaurant und einer der wenigen Orte, an dem man nachts noch ein warmes, deftiges Essen bekommt. MOPO-Reporter Erwin Hitzler erlebte bis in den frühen Morgen hautnah mit, warum in dieser Kneipe die Zeit still steht.
Es ist 20.15 Uhr, die „Tagesschau“ ist vorbei, ich sitze in „Erika‘s Eck“ an der Sternstraße. Die Hamburger Kneipe hat vor kurzer Zeit den Besitzer gewechselt. Vor mir ein großes Bier, eine gewaltige Currywurst und richtig fettige, leckere Bratkartoffeln. Um mich herum Männer mit ihren Töchtern, Mütter mit ihren Söhnen, Junge, Alte, alle schlemmen und trinken die verschiedensten Spirituosen.
Ein Wiedersehen nach mehr als drei Jahrzehnten
An einem Tisch in der Ecke sitzt Bernhardt mit seiner Frau und zwei Freunden. Früher, erzählt er, war er öfter hier. Früher, das war vor 1989. Da ist er aus Hamburg weggezogen. Heute ist er das erste Mal seit 35 Jahren wieder in „Erika‘s Eck“.
Damals, da ist er sich sicher, war schon dieselbe Holzvertäfelung an den Wänden. Bernhardt kam nach dem Feiern, auf dem Weg nach Hause hierher. Ein letzter Halt vor dem Schlafen, ein Absacker. Den trinken er und seine Freunde auch heute.
Erika’s Eck: Manchmal scheint hier die Zeit stillzustehen
Neben ihnen beginnt eine Gruppe junger Männer, einen Geburtstag zu feiern. Sie ziehen gleich noch weiter. An der Wand über ihnen hängt eine Pendeluhr, so eine, wie sie in Omas Wohnzimmer hing. Um 23.35 Uhr zeigt sie viertel vor Elf. In „Erika‘s Eck“ habe ich manchmal das Gefühl, die Zeit steht still.
Das Publikum wird jünger und die Stimmung „flüssiger“. Es wird Bier bestellt, Wein, ab und an mal ein Schnitzel. An der Jukebox sitzen Bastian und Jan. Anti-Veganer sind sie. Sagen sie zumindest. Deshalb essen sie in „Erika‘s Eck“ nach einem Abend im Theater Mettbrötchen. Die sehen ehrlich gesagt richtig lecker aus und riechen scharf nach roher Zwiebel.
Erika‘s Eck kommt auf die Bar-Karte!
Es ist fast Mitternacht, „Erika‘s Eck“ ist zur Hälfte gefüllt. Ich setze mich in die Ecke, bestelle noch ein Bier, aus den Boxen tönt „Radio Gaga“ von Queen. Aus dem Restaurant ist jetzt endgültig eine Bar geworden.
Die Nacht wird länger. Felix, Sebastian und Vikky – sie studieren Politik – sind hier für ein ganz besonderes Projekt. Als sie im vergangenen Oktober nach Hamburg kamen, wussten sie nicht, welche Bars sich lohnen. Deshalb erstellen sie jetzt eine Bar-Karte und bewerten dafür heute Abend „Erika‘s Eck“.
Ihre Einschätzung: „mittelmäßige Hackbrötchen“. Vikky und Felix kommen aus Thüringen, haben da offenbar eine falsche Anspruchshaltung.
Es ist mittlerweile halb eins. Mit dem neuen Tag kommen die Taxifahrer. Sie verbringen hier ihre Pause, trinken Kaffee. Einen eigenen Tisch haben sie, an dem können sie in Ruhe sitzen.
Auch Charlie macht Pause. Seit 14 Jahren kommt er in „Erikas Eck“. Er arbeitet bis früh in den Morgen. Für ihn ist das „Eck“ wie ein Stammtisch. Manchmal sitzen sie hier zu sechst, reden über den Job, über das Leben. „Erika‘s Eck“ ist der einzige Ort, an dem man nachts in der Schanze noch ein deftiges Essen und einen heißen Kaffee bekommt, sagen sie.
Die Nacht geht zu Ende
Um mich herum werden die Gäste betrunkener. Ist ja auch eine Kneipe. Andreas isst Bauernfrühstück, Jendrick und Jannick trinken einen Absacker. Drei junge Männer diskutieren schon seit Stunden über Politik. Immer lauter und gelallter werden ihre Argumente.
An der Theke bedienen Heidi und Agnieszka die Gäste. Sie bringen Bier und Essen und schnacken gerne dabei. Agnieszka ist seit 13 Jahren Geschäftsführerin des „Ecks“ – auch nach dem Wechsel der Besitzer ist sie geblieben. In „Erika‘s Eck“ ist die Zeit stehen geblieben, und das ist gut so.
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Um 3.30 Uhr kaufe ich mir an der Theke zwei frische belegte Brötchen und gehe. Vielleicht sitze ich ja in 35 Jahren auch wieder in „Erika‘s Eck“ und schwelge in diesen Erinnerungen?