Zehn Jahre Rückkauf der Energienetze: „Wir haben richtig was bewegt!“
Sie war eine Kämpferin der ersten Stunde: Wiebke Hansen war die Kampagnenleiterin der Volksinitiative „Unser Hamburg – Unser Netz“. Die heute 44-Jährige spielte eine wichtige Rolle bei der Bündelung der Kräfte zur Durchsetzung des Volksentscheids zum Rückkauf der Energienetze in Hamburg am 22. September 2013. Sie blickt mit Stolz auf das Erreichte zurück.
Sie war eine Kämpferin der ersten Stunde: Wiebke Hansen war die Kampagnenleiterin der Volksinitiative „Unser Hamburg – Unser Netz“. Die heute 44-Jährige spielte eine wichtige Rolle bei der Bündelung der Kräfte zur Durchsetzung des Volksentscheids zum Rückkauf der Energienetze in Hamburg am 22. September 2013. Sie blickt mit Stolz auf das Erreichte zurück.
MOPO: Seit dem Rückkauf der Netze sind zehn Jahre vergangen. Sind Sie stolz auf Ihren Erfolg?
Wiebke Hansen: Auf jeden Fall! Es war eine super-intensive Zeit, in der ich viel gelernt habe: Wie man auf nichtparlamentarischem Wege politisch etwas erreichen kann. Wir haben eine Riesenwelle in der Stadt ausgelöst und unglaublich viele Unterstützer gefunden. Privatmenschen, Künstler, Unternehmen, Organisationen. Sie haben für unser Anliegen gestimmt und das trotz erheblicher Widerstände und viel stärkerer Möglichkeiten der Öffentlichkeitsarbeit sowohl von Hamburgs damaligen Bürgermeister Olaf Scholz, der SPD, CDU, FDP, Handelskammer und natürlich Vattenfall und E.on. Der erfolgreiche Volksentscheid war ein krönender Abschluss jahrelanger harter Arbeit.
Die Gegner hatten damals vor der enormen Verschuldung der Stadt durch den Rückkauf gewarnt. War die Rekommunalisierung der Netze die Schulden wert?
Ja. Die Stadt hat den Rückkauf der Energienetze vollzogen, die Unternehmen laufen gut. Jetzt stehen sie im Mittelpunkt der Energiewende und es ist umso wichtiger, dass nicht private Gewinninteressen bestimmen. Nur so konnten wir verhindern, dass das Kohlekraftwerk Moorburg an das Fernwärmenetz angeschlossen wird, was nicht nur ein Klimadesaster, sondern auch eine völlige Fehlinvestition gewesen wäre. Im Nachgang zum Energienetze-Volksentscheid konnten wir 2019 mit der Volksinitiative Tschüss Kohle durchsetzen, dass der Kohleausstieg in der Fernwärme bis spätestens 2030 Gesetz wird und die Planungen zum Ersatz des Kohlekraftwerks Tiefstack beginnen. Das bringt am Ende frühere CO2-Einsparungen und mehr Erneuerbare. Und die Energienetzunternehmen führen immerhin jedes Jahr Millionen an die Stadt ab, die sonst weiterhin bei Vattenfall und E.on gelandet wären.
Die Gegner hatten gewarnt, der Rückkauf würde Hamburg als Investitionsstandort schaden. Ist das aus Ihrer Sicht eingetreten?
Nein, dem kann ich nicht zustimmen. Im Gegenteil: Gerade die Wärme Hamburg legt große Investitionsprogramme für den Kohleausstieg in der Fernwärme auf. Auch das geplante Wasserstoffnetz für die Industrie im Hafen ist sicher ein Pluspunkt für den Standort.
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Wird die Zielsetzung von Stromnetz Hamburg „sozial gerecht, klimaverträglich und demokratisch kontrolliert“ aus Ihrer Sicht erfüllt?
Hamburg tut etwas für alle drei Bereiche, aber die Zielsetzung wird noch nicht erfüllt. Am sichtbarsten sind gute Vorhaben für die Energiewende, z. B. die Nutzung erneuerbarer Energien und Abwärme in der Fernwärme. Für alle drei Netze werden derzeit die Grundlagen geschaffen, um deren Ausbau oder Veränderungen in den nächsten Jahrzehnten zu planen.
Was läuft nicht so gut?
Bei der Klimaverträglichkeit gibt es sehr zweifelhafte Entwicklungen: Im heutigen Kohlekraftwerk Tiefstack soll Biomasse verbrannt werden, was erst mal grün klingt, aber bei näherem Hinsehen weder klimaneutral noch umweltschonend ist. Offensichtlich soll aus Erdgas gewonnener Wasserstoff aus Norwegen importiert werden, für den Norwegen Erdgasfelder in noch unberührten Arktisgebieten erschließen will.
Und wie gut funktioniert die demokratische Kontrolle?
Informationen zu anstehenden Entscheidungen sind nicht transparent genug. Die Beteiligung ist zum Teil zu spät, zu elitär und fraglich, was sie eigentlich bewirkt. Es gibt noch keine Lösung, wie die Bürger:innen direkter in die demokratische Kontrolle eingebunden werden. Zu dem ganzen Komplex der Sozialverträglichkeit, also faire Preise und Verträge, Gewinnabführung der öffentlichen Unternehmen an die Stadt, Gewinnverwendung für Investitionen in Klimaschutz oder sogar Gewinnverzicht für Klimaschutz gibt es zu wenig Informationen und es fehlt die Debatte.
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Was wünschen Sie sich?
Es müsste für jede Hamburgerin und jeden Hamburger klar sein: Diese Entscheidungen stehen an, diese Entscheidungen werden getroffen und aus folgenden Gründen werden sie so getroffen. Im Moment stehen Entscheidungen zu Themen wie das Gasnetz, Wasserstoff, kommunale Wärmeplanung und erneuerbare Energien an. Die Kommunikation darüber müsste viel transparenter stattfinden.