Wovor jüdische Kinder in Hamburg am meisten Angst haben
Sie lernen gleich neben dem Platz, auf dem schon bald Hamburgs spannendstes Bauprojekt entstehen wird. Gleichzeitig blicken die Schüler der jüdischen Schule im Grindelviertel jeden Tag auf einen Ort des Schreckens und der Zerstörung. Was das mit ihnen macht, haben sie am Mittwoch mit Zeichnungen und Texten zu Papier gebracht. Es sind Zeugnisse, die berühren.
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Sie lernen gleich neben dem Platz, auf dem schon bald Hamburgs spannendstes Bauprojekt, die neue Bornplatzsynagoge, entstehen wird. Gleichzeitig blicken die Schüler der jüdischen Schule im Grindelviertel jeden Tag auf einen Ort des Schreckens und der Zerstörung. Was das mit ihnen macht, haben sie am Mittwoch mit Zeichnungen und Texten zu Papier gebracht. Es sind Zeugnisse, die berühren.
Um kurz nach 11 Uhr öffnete sich das Schulhoftor der jüdischen Schule am Grindelhof. Heraus strömten die 230 Schüler:innen des vor 15 Jahren neu gegründeten Bildungshauses. Die Jungen und Mädchen aus Grundschule, Mittel- und Oberstufe versammelten sich auf dem benachbarten Joseph-Carlebach-Platz, benannt nach dem 1941 deportierten und später ermordeten Oberrabbiner.
Die neue Bornplatzsynagoge als Zeichen gegen Antisemitismus
Dort, wo einst die prächtige Bornplatzsynagoge stand, die 1938 in der Reichspogromnacht zerstört wurde, sprach Eli Fel, zweiter Vorsitzender der jüdischen Gemeinde zu den Kindern. Er erinnerte an die Nacht, in der die Synagoge brannte. Aber auch an die antisemitischen Vorfälle in der jüngsten Vergangenheit. sprach Eli Fel, zweiter Vorsitzender der jüdischen Gemeinde, zu den Kindern. Er erinnerte an die Nacht, in der die Synagoge brannte. Aber auch an die antisemitischen Vorfälle in der jüngsten Vergangenheit.
„Ihr fragt euch, ist jüdisches Leben in Hamburg sicher?“, so Fel. Dann richtete er den Blick in die Zukunft, um hoffnungsvolle Worte auszusprechen. „Der Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge ist ein Bekenntnis, dass jüdisches Leben zu Hamburg gehört, und ein Zeichen gegen Antisemitismus.“
Auch zwei Schülerinnen der zwölften Klasse griffen zum Mikrofon, um ihre Zuversicht zum Ausdruck zu bringen. „Hier entsteht ein Ort, an dem jüdisches Leben wieder sichtbar wird. Ein Ort, an dem wir uns versammeln können“, so die eine. „Wir freuen uns auf diesen Ort des Austauschs und des respektvollen Miteinanders.“
Fantasievolle Bilder: Kinder malen die neue Bornplatzsynagoge
Wie groß dieser Wunsch nach Toleranz und Frieden bei den Kindern ist, ließ sich bald darauf auf den bunten Zetteln ablesen, die von den Schüler:innen auf mehrere Stellwände gepinnt wurden. Da waren zum einen beeindruckende Zeichnungen von der künftigen Synagoge und wie sie in der Fantasie der Kinder aussehen könnte. „Ich wünsche mir, dass das Dach eine Glaskuppel hat“, hieß es neben der Zeichnung eines Jungen. Die Überschrift eines anderen Bildes lautete: „Ich wünsche mir bunte Fenster.“
Ein Junge namens Ben drückte es auf seiner Skizze so aus: „Dass die Synagoge wieder sehr groß wird und dass diese lang bleiben wird.“ Ein Kind verzichtete auf eine Zeichnung und nutzte den Platz auf dem Papier, um seinen Wunsch in Worte zu fassen: „Ich wünsche mir, dass die neue Synagoge nicht kaputt geht.“
Bedrückende Worte: „Ich will, dass niemand Juden tötet“
Wie sehr Angst den Alltag der jüdischen Kinder bestimmen mag, ließ sich auch aus bedrückenden Botschaften ablesen, etwa „Ich will, dass niemand die Juden tötet. Dass jeder die Juden respektiert wie die anderen Menschen.“ Oder: „Juden wurden gejagt, gequält und getötet. (…) Wir sind alle gleich. Wieso versteht es niemand?“
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Ein rührend kindlich verfasster Brief wurde von einem Elfjährigen aufgehängt: „Ich finde es scheiße, dass Synagogen abgebrannt sind. Ich finde an sich Judenfeindlichkeit scheiße.“
Auch die aktuelle weltpolitische Lage beschäftigt die Kinder. Viele drückten ihren Wunsch nach Frieden in der Ukraine aus. Ein Mädchen namens Mara malte ein buntes Bild mit vielen Betten und spielenden Kindern. Ihr Wunsch: „Ich möchte in die Synagoge ein Zimmer für geflüchtete Menschen bauen. Das wäre toll!“
Die jüdische Gemeinde will die Bilder und Wünsche der Kinder aufheben und in eine Zeitkapsel tun, um sie ins Fundament der neuen Bornplatzsynagoge einzubetonieren.