Kaum noch Sozialwohnungen: „SPD-Rezept für Hamburg ist krachend gescheitert“
3000 neue Sozialwohnungen will Hamburg jährlich genehmigen. Doch schon im September ließ die Baubehörde mitteilen, dass es in diesem Jahr allerhöchstens 1750 bis 2000 werden. Der Grund: die enorm gestiegenen Baukosten. Auch im vergangenen Jahr wurde das Ziel knapp verfehlt. Dabei ist der Bedarf an günstigem Wohnraum in Hamburg so groß wie nie zu vor. Die Bau- und Wohnenexpertin der Hamburger Linken, Heike Sudmann, sieht die Baupolitik des Senats als gescheitert an, dieser müsse das auch endlich anerkennen. Aber was dann? Sudmann fordert einen kompletten Kurswechsel – und hat auch einen konkreten Vorschlag.
3000 neue Sozialwohnungen will Hamburg jährlich genehmigen. Doch schon Ende September ließ die Baubehörde mitteilen, dass es in diesem Jahr wohl weniger werden als ursprünglich geplant. Der Grund: die enorm gestiegenen Baukosten. Auch im vergangenen Jahr wurde das Ziel knapp verfehlt. Dabei ist der Bedarf an günstigem Wohnraum in Hamburg so groß wie nie zu vor. Die Bauexpertin der Hamburger Linken, Heike Sudmann, sieht die Baupolitik des Senats als gescheitert an, dieser müsse das auch endlich anerkennen. Aber was dann? Sudmann fordert einen kompletten Kurswechsel – und hat auch einen konkreten Vorschlag.
MOPO: Frau Sudmann. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Hamburg auch in diesem Jahr das Ziel von 3000 Sozialwohnungen verfehlen wird. Was muss sich ändern?
Sudmann: Als die SPD 2011 in die Regierung gekommen ist, hat sie eine Diagnose aufgestellt: Wir haben zu wenig bezahlbaren Wohnraum und brauchen mehr Neubau. Diese Diagnose war richtig. Elf Jahre später sagen aber alle in der Bürgerschaft, dass wir immer noch zu wenig bezahlbaren Wohnraum haben. Das zeigt doch deutlich, dass das bisherige SPD-Rezept für den Wohnungsmarkt krachend gescheitert ist.
In den Jahren vor 2021 wurde die Zielmarke für die Sozialwohnungen aber erreicht…
Schön wär‘s, doch nur 2019 und 2020 wurden je 3000 geförderte Wohnungen fertiggestellt. Der sogenannte Drittelmix wurde aber nie erreicht. In der Theorie soll der Wohnungsneubau zu einem Drittel aus öffentlich geförderten, zu einem Drittel aus frei finanzierten und zu einem Drittel aus Eigentumswohnungen bestehen. Von allen seit 2011 fertiggestellten Wohnungen sind jedoch nur 27 Prozent öffentlich gefördert. Rot-Grün hat von Anfang nicht bedacht, dass mehr als zwei Drittel neue, teure Wohnungen die restlichen Mieten durch die Decke schießen lassen. Im vergangenen Jahr hatten wir den höchsten Anstieg im Mietenspiegel seit Jahrzehnten. Da reicht es nicht, dass die SPD sich mit ihren Neubauzahlen auf die Schultern klopft – denn den meisten Mieter:innen nützen diese nichts.
Es ist ja in der Realität ziemlich schwierig, Bauherren zu finden, die öffentlich-geförderten Wohnraum errichten…
Ja, für alle, die auf Profit aus sind, ist Sozialwohnungsbau nicht attraktiv. Er war es noch, als es die 15-Jahre-Preisbindung gab. Das bedeutet, dass die Mieten 15 Jahre lang niedrig gehalten werden mussten. Da war dann die Einstellung: Diese 15 Jahre überstehe ich schon und danach kann ich die Mieten erhöhen. Böse Zungen nannten es soziale Zwischennutzung. Jetzt, wo die Preisbindung auf 30 Jahre erhöht wurde, fällt das erstmal weg.
Was ist also Ihre Lösung?
Wenn die privaten Unternehmen nicht bauen wollen und die Genossenschaften noch mit dem Erbbaurecht hadern, dann muss die Stadt das selbst in die Hand nehmen. Dazu muss sie eine sogenannte „Bauhütte“ errichten.
Was ist das genau?
Das ist ein städtisches Unternehmen, das selbst plant und baut. In Berlin ist ein derartiges Modell bereits in Verhandlungen. Damit schlägt man zwei Fliegen mit einer Klappe: Denn zum einen hast du als Stadt die Baukapazitäten, und zum anderen ist das für Handwerker:innen ein attraktives Angebot, weil es ein fester Arbeitsplatz zu einem anständigen Lohn wäre.
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Aber macht nicht genau das bereits das städtische Wohnungsunternehmen SAGA?
Ja, die SAGA soll 2000 Wohnungen jährlich neu bauen, schafft in der Praxis meistens um die 1000. Die neue „Bauhütte“ wäre viel größer aufgestellt. Wir haben als Linke-Fraktion gerade eine Studie beantragt, ob das komplett über die SAGA laufen könnte oder ein Tochterunternehmen dafür gegründet werden müsste. So oder so: Die Stadt müsste nicht mehr dafür sorgen, dass das Bauen für andere attraktiv wird, sondern sie kann es selbst machen.
Wäre das nicht ein Minusgeschäft?
Nein. Das lässt sich auch sehr gut mit der SAGA belegen, die ja im Durchschnitt Mieten von sieben Euro pro Quadratmeter hat und jährlich einen Überschuss von über 200 Millionen Euro vorweist. Die SAGA zeigt also, dass man einen ordentlichen Wohnbestand zu günstigen Preisen anbieten kann, der dazu noch profitabel ist. Öffentlich geförderter Wohnraum rechnet sich – und der Bedarf ist riesig! 340.000 Haushalte könnten in Hamburg eine Sozialwohnung beanspruchen. Doch es gibt nur noch 80.000 dieser Wohnungen.
Gab es bereits erste Reaktionen auf Ihren Vorschlag einer „Bauhütte“?
Bei solchen neuen Vorschlägen heißt es oft erst einmal nur, die „Linke meckert“. Doch es ist ja die Aufgabe der Opposition, Alternativvorschläge zu machen. Die Mieter:innen in Hamburg haben nicht die Zeit, zu warten, bis SPD und Grüne sich entschließen, anzuerkennen, dass sie so nicht weiterkommen und ernsthaft ihre Politik ändern. Noch versuchen sie, sich mit ihren schönen Zahlen zu retten.