Wochenmärkte bedroht: Der Kampf um die Stände
Nur zwei Verkaufsstände stehen am Donnerstag auf dem Wochenmarkt am Bahnhofsvorplatz Bergedorf. Zugegeben: Das hier ist ein Extrembeispiel. Doch es steht sinnbildlich für alle Hamburger Wochenmärkte, die nach und nach schrumpfen. Interessiert mich nicht, sagt der bequeme Supermarkt-Gänger. Doch das Sterben der Wochenmärkte betrifft eben doch uns alle – und zwar mehr, als wir zunächst denken.
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Nur zwei Verkaufsstände stehen am Donnerstag auf dem Wochenmarkt am Bahnhofsvorplatz Bergedorf. Zugegeben: ein Extrembeispiel. Doch es steht sinnbildlich für alle Hamburger Wochenmärkte, die nach und nach schrumpfen. Interessiert mich nicht, sagt der bequeme Supermarkt-Gänger. Doch das Sterben der Wochenmärkte betrifft eben doch uns alle – und zwar mehr, als wir zunächst denken.
Es ist ein klägliches Bild: Nur der Wurst- und der Brotstand sind an diesem Mittag auf dem Platz – und das Zelt der Bezirksamtsleiterin Cornelia Schmidt-Hoffmann. Sie ist gekommen, um mit den Bürgern zu reden – nicht nur, aber auch über die Wochenmärkte im Bezirk, die immer weiter schrumpfen. Der Öko-Markt zwischen dem Bahnhof und dem Einkaufszentrum am Weidenbaumsweg umfasst normalerweise um die sechs Stände, wegen des Wetters sind heute noch weniger da. Doch auch die beliebten Märkte an der Chrysanderstraße oder in Lohbrügge sind heute teilweise nur noch halb so groß wie vor ein paar Jahren.
„Hätten uns gewünscht, dass sich die Stadt schützend vor uns stellt“
„Die Entwicklung ist besonders für Bergedorf schade, weil hier viele Erzeuger leben und der Bezirk eine besonders enge Bindung zu den Wochenmärkten hat“, sagt Schmidt-Hoffmann. „Wir versuchen gegenzusteuern: In Gesprächen mit den Marktbeschickern und mit mehr Werbung am Straßenrand.“ Sie ist sich sicher: „Wochenmärkte bleiben auch in Zukunft wichtig, weil die Menschen Wert auf regionale und gute Produkte legen.“
Dass es so kommen würde, haben er und seine Kollegen schon vor 15 Jahren gesehen, sagt Wilfried Thal, Präsident des Landesverbandes des ambulanten Gewerbes und der Schausteller (LAGS) in Hamburg. „Die immer absurderen bürokratischen Auflagen aus EU und Bund sind eine große Bürde vor allem für kleine Erzeugerbetriebe“, sagt er im Gespräch mit der MOPO. „Deshalb geben viele auf oder finden keine Nachfolger. Diese Gesetze werden für große Betriebe gemacht. Wir hätten uns von der Stadt gewünscht, dass sie sich schützend vor uns stellt.“ Das Problem ziehe sich durch alle Hamburger Bezirke. In Bergedorf sei es aber besonders sichtbar, da dort viele kleine Erzeuger aus den nahen Vier-und-Marsch-Landen verkaufen.
Einer der weniger betroffenen Betriebe ist der Wurst- und Fleischverkauf des „Erdmannshofs“ in Krukow auf dem Bergedorfer Öko-Markt. „Die Märkte werden kleiner, aber wieder besser angenommen“, sagt Mitarbeiter Dominik Haesele. Den hohen bürokratischen Hürden stehe nämlich ein wachsendes Bewusstsein der Bürger für saisonale und gute Produkte gegenüber. „Denn die Supermärkte sind sehr standardisiert, und das merken die Kunden.“
Wochenmärkte sind auch Treffpunkte für einsame Menschen
Doch sie sind nicht nur standardisiert. Die vier Einzelhandelsriesen Edeka, Rewe, Aldi und Schwarz (Kaufland, Lidl) machen 85,5 Prozent des Umsatzes im Lebensmittel-Einzelhandel aus. So berichtet es das Magazin „agrarheute“ unter Berufung auf eine Studie aus dem Jahr 2023. Damit machen sie nicht nur am meisten Gewinn, sondern bestimmen auch die Preise – und heizen die Inflation in ihrem Streben nach möglichst viel Profit weiter an. Kleinere Super- oder gar Wochenmärkte haben auf diesem Markt kaum noch Chancen.
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„Das ist so schade“, sagt die Bergedorfer Rentnerin und Wochenmarkt-Besucherin Ruth Nikley-Zwick (66), die Kassler bei Dominik Haesele eingekauft hat. „Vor allem für einsame Menschen sind die Märkte ein wichtiger Treffpunkt. Ich erinnere mich gern an meine Kindheit, in der es an jeder Ecke einen gab.“
Ob wir dahin zurückkommen? Oder bald gar keine Wochenmärkte mehr haben? „Ganz verschwinden werden sie nicht, denn sie waren schon immer sehr wandelbar“, sagt der LAGS-Vorsitzende Wilfried Thal. „Aber die Politik muss endlich anpacken – sonst entlädt sich der Frust, wie wir es schon bei den Bauernprotesten gesehen haben.“