Wo ist denn hier die Speisekarte? Gastro-Trend irritiert Gäste
Die Restaurant-Bestellung per Handy oder iPad abgeben: Immer mehr Lokale in Hamburg schaffen ihre Speisekarten aus Papier ab. Doch ist das Getippsel auf dem Handy wirklich praktischer? Gastronomen sind euphorisch, der „Dehoga“-Chef warnt jedoch auch vor einem echten Verlust.
- Deutsch (Deutschland)
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Die Speisekarte auf dem Handy oder iPad ansehen – und auch digital das Essen bestellen. Immer mehr Restaurants in Hamburg schaffen ihre Menükarten aus Papier ab. Doch ist das wirklich praktischer? Und geht da nicht ein gewisser Charme flöten? Was Gastronomen dazu sagen. Und warum der „Dehoga“-Chef nicht allzu viel davon hält.
Burger, Pommes und Salat per iPad bestellen: In den Restaurants von „Burgerlich“ in der Innenstadt ist das schon lange üblich. Hier sind die Tablets direkt in den Tischen verbaut, sie lassen sich zum Ansehen der Speisekarte und zur Bestellung ausfahren. Für Lena Ullmann, Teamassistentin bei „Burgerlich“, hat das nur Vorteile: „Wir können die Produktverfügbarbeit immer tagesaktuell abbilden und der Gast kann in aller Ruhe, ohne Störung, bestellen und auch nachbestellen.“
Ein Trend, den immer mehr Gastronomen übernehmen. Im „Überquell“ am St. Pauli-Fischmarkt rufen die Gäste die Speisekarte draußen im Biergarten per Handy über den QR-Code auf – so ordern und bezahlen sie auch. „Das Hamburger Wetter lässt das Außengeschäft oft schlecht planen. Durch digitale Bestellungen und Zahlungen bleibt der Personalbedarf relativ gleich und planbar“, sagt Tina Küster, Leiterin des „Überquell“. „Jetzt im Winter können die Gäste so auch an unserer Eisstockbahn Getränke ordern. Ein Mitarbeiter dort permanent würde sich nicht lohnen.“
Hamburgs Gastro: immer mehr digitale Speisekarten
Doch es gibt auch Nachteile: „Mehrere Gänge nacheinander zu bestellen ist nur mit mehreren Bestellprozessen möglich. Und wenn Gäste nicht gleichzeitig ordern, kommt das Essen auch nicht zeitgleich zum Tisch“, so Tina Küster. Trotzdem sei die digitale Speisekarte für sie die Zukunft der Gastro-Branche.
Jens Stacklies versteht die Euphorie der Gastronomen: „Sie sparen Papier und Druckkosten und können Änderungen auf der Karte schneller kommunizieren“, sagt der Vizepräsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) in Hamburg. „Für den Service ist es so auch leichter, weil die Bestellung direkt in der Küche landet.“
Aus Sicht des Gastes sieht Jens Stacklies die digitale Speisekarte aber kritisch: „Zum einen möchte ich als Gast doch persönlich angesprochen werden, eine Empfehlung bekommen, Wünsche loswerden“, sagt er. „Außerdem hat das Tippen auf dem Handy für mich was Unromantisches. Beim Essengehen möchte ich meinen Freunden in die Augen sehen und mich mit ihnen unterhalten, und nicht mit meinem Handy beschäftigt sein.“ Vor allem ältere Gäste hätten mit der digitalen Speisekarte ein Problem.
„Das Tippen auf dem Handy hat was Unromantisches“
Auch er habe es schon erlebt, dass bei einer digitalen Bestellung das Essen nicht zeitgleich zum Tisch kam. „Wenn mehrere Leute einer Gruppe eine Vorspeise bestellen, aber einige nicht, gerät doch schon alles durcheinander.“ Auch die digitale Bezahlung sei nichts für ihn: „Ich möchte nicht überall meinen digitalen Fingerabdruck hinterlassen, bezahle auch gerne mal bar.“
Wird die digitale Speisekarte in Hamburg trotzdem zur Normalität? „Viele Gastronomen sind auf dem digitalen Trip, aber noch ist der Trend nicht überwältigend“, so Stacklies.
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Im „Überquell“ und bei „Burgerlich“ kämen die Gäste mit der digitalen Bestellung überwiegend gut zurecht. „Einige vermissen schon den Kontakt zum Mitarbeiter“, so Lena Ullmann. Für den Notfall gäbe es aber auch die Möglichkeit, Personal per „Service-Button“ an den Tisch zu rufen. Von Unromantik will Ullmann nichts wissen: „Ganz im Gegenteil. Nach der Bestellung werden die Tablets wieder im Tisch versenkt. Danach kann man ein ganz romantisches Date haben, eben ohne dass man gestört wird.“