Hamburgs Bürgermeister im Interview: Tschentscher offen für Impfpflicht
Noch im Sommer prophezeite er ein baldiges Ende der Pandemie – jetzt sieht sich auch Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) mit der Wucht der vierten Corona-Welle konfrontiert. Um in der Pandemie endlich den entscheidenden Fortschritt zu machen, will er den Druck auf Ungeimpfte nun noch einmal erhöhen. Und Tschentscher wagt auch gleich die nächste Prognose.
MOPO: Herr Tschentscher, der Chef der Intensivmedizin des UKE, warnt, dass die kommenden zwei, drei Monate sehr hart werden.
Peter Tschentscher: Ja, das ist so. Wir werden die Entwicklung in den Krankenhäusern deshalb weiter beobachten und die Maßnahmen ausweiten, wenn es erforderlich ist. Schon aus Gründen der Klarheit habe ich im August offen gesagt, dass man es ohne Impfung sehr, sehr schwer haben wird.
MOPO: Ist für sie auch ein Lockdown für Ungeimpfte wie in Österreich denkbar?
- Deutsch (Deutschland)
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Noch im Sommer prophezeite er ein baldiges Ende der Pandemie – jetzt sieht sich auch Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) mit der Wucht der vierten Corona-Welle konfrontiert. Um in der Pandemie endlich den entscheidenden Fortschritt zu machen, will er den Druck auf Ungeimpfte nun noch einmal erhöhen. Und Tschentscher wagt auch gleich die nächste Prognose.
MOPO: Herr Tschentscher, Sie regieren seit ihrer Wahl eigentlich permanent im Krisenmodus. Wie viel Freude macht das Amt noch?
Peter Tschentscher: Es macht noch Freude, denn wir gestalten ja trotzdem. Wir haben ja nicht nur Krisenmodus in Sachen Corona, sondern setzen weiter Impulse in vielen Bereichen. Das wird nur von außen nicht so wahrgenommen wie sonst.
„Eine Impfpflicht ist nur sehr schwer umsetzbar“
MOPO: Dann lassen Sie uns gleich wieder in den Krisenmodus schalten: Aktuell wird die Impfpflicht heiß diskutiert, sind Sie dafür oder dagegen?
Peter Tschentscher: Der Bund sollte so schnell wie möglich eine Impfpflicht für Beschäftigte von stationären Einrichtungen und Diensten einführen, die vulnerable Personen versorgen – Krankenhäuser, Senioreneinrichtungen, mobile Pflegedienste. In diesem Bereich ist eine Impfpflicht besonders wichtig, denn wir haben eine besondere Fürsorgepflicht gegenüber den dort betreuten Menschen.
MOPO: Das ist keine Antwort auf die Frage.
Peter Tschentscher: Eine allgemeine Impfpflicht halte ich nicht für ausgeschlossen, wenn eine ausreichende Impfquote für die Überwindung der Pandemie sonst nicht erreichbar ist. Sie ist aber rechtlich und politisch nur schwer umsetzbar, benötigt Zeit und hilft daher in der akuten Pandemielage nicht weiter.
MOPO: Die Kanzlerin hat gerade in einem dramatischen Appell gesagt, dass 2G bei der aktuellen Lage nicht mehr reiche, um durch den Winter zu kommen. Sind Sie also anderer Meinung?
Peter Tschentscher: Ich hätte mir im August mehr Unterstützung gewünscht, als wir in Hamburg das 2G-Konzept eingeführt haben. 2G bietet mehr Sicherheit und hat sich als starker zusätzlicher Impfanreiz erwiesen. Das hätten wir in vielen anderen Ländern ebenfalls gebraucht. Stattdessen wurde dort mit 3G das falsche Signal gesendet, dass man auch mit einem Test durch die Pandemie kommt. Ich hoffe, die flächendeckende Einführung von 2G in Deutschland führt jetzt zu einer Kehrtwende und die Impflücken können schneller geschlossen werden. Darüber hinaus führen wir jetzt die von der Impfkommission empfohlenen Booster-Impfungen durch, mit der ein noch besserer Immunschutz erreicht wird. Ich hoffe, dass das ausreicht.
MOPO: Glauben Sie auch wirklich daran?
Peter Tschentscher: Wir sehen ja, welche Wirkung es hat. Die hohe Impfquote in Hamburg – mittlerweile sind 87 Prozent der Erwachsenen geimpft –, vernünftige Schutzkonzepte und Kontrollen. Das alles schützt uns. Wir haben die niedrigste Hospitalisierungsrate von ganz Deutschland. Die Lage auf den Intensivstationen ist angespannt, aber noch stabil. Auch wir haben den im Herbst erwarteten Anstieg der Inzidenz, aber die Lage ist bei weitem nicht wie in Bayern und Sachsen.
„Ohne Impfung wird man es sehr schwer haben“
MOPO: Der Chef der Intensivmedizin des UKE warnt allerdings, dass die kommenden zwei, drei Monate sehr hart werden.
Peter Tschentscher: Ja, das ist so. Wir werden die Entwicklung in den Krankenhäusern deshalb weiter beobachten und die Maßnahmen ausweiten, wenn es erforderlich ist. Schon aus Gründen der Klarheit habe ich im August offen gesagt, dass man es ohne Impfung sehr, sehr schwer haben wird.
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MOPO: Ist für sie auch ein Lockdown für Ungeimpfte wie in Österreich denkbar?
Peter Tschentscher: Wir werden alle Entscheidungen treffen, die nötig sind, um das Gemeinwesen zu schützen. Vor allem Ungeimpfte müssen mit weiteren Beschränkungen rechnen, wenn die Lage es erfordert. Aber selbstverständlich bleibt alles möglich, was man für den täglichen Bedarf braucht.
„Ein Problem wäre nur, wenn der Bund zu wenig Impfstoff liefert“
MOPO: Derzeit bilden sich lange Schlangen in Hamburg, um an die begehrte dritte Spritze zu kommen – wird das nun zum Dauerzustand?
Peter Tschentscher: Nein, wir weiten die Impfkapazitäten stark aus. Gemeinsam mit den Hausarztpraxen, den Krankenhäusern und der Betriebsmedizin werden wir allen ein Impfangebot machen, die eine Auffrischimpfung benötigen. Ein Problem wäre nur, wenn der Bund zu wenig Impfstoff liefert.
MOPO: Sie spielen auf die von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) angekündigte Rationierung des Biontech-Impfstoffs an.
Peter Tschentscher: Ja, diese Ankündigung kam zu einem unpassenden Zeitpunkt. Gerade hatten Bund und Länder gemeinsam beschlossen, die Booster-Impfungen massiv auszuweiten.
MOPO: Droht denn wirklich ein Engpass?
Peter Tschentscher: Wenn Hausarztpraxen, die ganz andere Planungen hatten, jetzt nur 30 Biontech-Impfdosen pro Woche erhalten, ist das schon ein Engpass. Die Ankündigung von Herrn Spahn hat viel Frust und Ärger verursacht. Aber es gibt auch noch den Moderna-Impfstoff, der genauso sicher und wirksam ist. Wir werden als Stadt jedenfalls alles tun, damit alle Auffrischimpfungen im empfohlenen Zeitraum erfolgen können.
MOPO: Haben Sie eigentlich ein mulmiges Gefühl, wenn angesichts der Zahlen noch munter und eng an eng auf dem Kiez getanzt wird?
Peter Tschentscher: Es kommt nur darauf an, dass die Regeln eingehalten werden. Dafür kontrollieren Polizei und Ordnungskräfte jetzt verstärkt die kritischen Bereiche.
MOPO: Clubschließungen stehen erst mal also nicht zur Debatte?
Peter Tschentscher: Erstmal nicht. Sollte sich die Lage ändern, müssen wir die Regeln aber noch einmal strenger fassen. Und ich sage auch, wenn es nötig ist, dann entscheiden wir lieber früher als zu spät.
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MOPO: Die Schulen bleiben aber dieses Mal offen?
Peter Tschentscher: Ja, die Schulen sollen offen bleiben. Wir haben es geschafft, als einzige in Deutschland die Maskenpflicht aufrechtzuerhalten und für alle Klassenräume Luftfilter beschafft. Hinzu kommen regelmäßiges Lüften und gute Hygienekonzepte. Von den Zwölf- bis Siebzehnjährigen sind mittlerweile schon über die Hälfte geimpft. Auch das macht die Schulen von Woche zu Woche sicherer.
MOPO: Im Juli haben Sie sich zu der Prognose vorgewagt, dass die Pandemie hier Ende dieses Jahres vorbei ist. Da lagen Sie wohl falsch.
Peter Tschentscher: Wir haben es selbst in der Hand, die Pandemie durch Schließung der Impflücken zu beenden. Das kann schnell gehen, wenn alle mitmachen. Die Entwicklung im Norden zeigt, welche Bedeutung eine hohe Impfquote hat. Aber die Lage in Bayern, Sachsen und Thüringen ist ein Rückfall in der Pandemie. Das müssen wir jetzt alle gemeinsam bewältigen, damit dies der letzte harte Winter in der Pandemie ist.