Wird die CDU zur neuen Herzlos-Partei, Herr Professor Wiese?
Die CDU will das Bürgergeld in seiner jetzigen Form abschaffen und in „Neue Grundsicherung“ umbenennen, hat der Bundesvorstand beschlossen. Wichtigste Änderung: Menschen, die die Aufnahme einer zumutbaren Arbeit ablehnen, sollen in Zukunft kein Geld mehr vom Staat bekommen, so die Partei. Dabei ist die Zahl der „Totalverweigerer“ verschwindend gering. Laut Jobcenter Hamburg gibt es im Monat keine 2000 Fälle – in ganz Deutschland. Die meisten Kürzungen werden verhängt, weil die Empfänger die Termine bei ihrem Jobcenter geschwänzt haben. Das Verfassungsgericht hat außerdem festgestellt, dass Kürzungen um 100 Prozent nicht zulässig sind, weil der Staat ein Existenzminimum sichern muss. Wie steht die Hamburger CDU zu den harten Vorschlägen aus Berlin? Die MOPO sprach mit dem Rechtsprofessor Götz Wiese, wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion.
MOPO: Ist die CDU die neue Herzlos-Partei, Herr Professor Wiese?
- Deutsch (Deutschland)
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Die CDU will das Bürgergeld in seiner jetzigen Form abschaffen und in „Neue Grundsicherung“ umbenennen, hat der Bundesvorstand beschlossen. Wichtigste Änderung: Menschen, die die Aufnahme einer zumutbaren Arbeit ablehnen, sollen in Zukunft kein Geld mehr vom Staat bekommen, so die Partei. Dabei ist die Zahl der „Totalverweigerer“ verschwindend gering. Laut Jobcenter Hamburg gibt es im Monat keine 2000 Fälle – in ganz Deutschland. Die meisten Kürzungen werden verhängt, weil die Empfänger die Termine bei ihrem Jobcenter geschwänzt haben. Das Verfassungsgericht hat außerdem festgestellt, dass Kürzungen um 100 Prozent nicht zulässig sind, weil der Staat ein Existenzminimum sichern muss. Wie steht die Hamburger CDU zu den harten Vorschlägen aus Berlin? Die MOPO sprach mit dem Rechtsprofessor Götz Wiese, wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion.
MOPO: Ist die CDU die neue Herzlos-Partei, Herr Professor Wiese?
Prof. Dr. Götz Wiese: Ganz im Gegenteil. Wir wollen den Sozialstaat und die Hilfe für die wirklich Bedürftigen langfristig sichern! Aber wir müssen immer auch sehen: Gibt es genügend Anreize, den Lebensunterhalt selbst zu verdienen? Das ist bei den meisten der Fall. Aber manche meinen, sich für ein Bürgergeld entscheiden zu können, obwohl sie arbeitsfähig sind. Muss dann der Staat einspringen? Das halte ich nicht für gerecht. Wir wollen ein System des Förderns und Forderns, und ich bin sicher: Die große Mehrheit der Menschen in Grundsicherung möchte arbeiten und dieses System verlassen. Die „Neue Grundsicherung“ der CDU zeigt auf, wie Menschen in Arbeit kommen.
Das Bundesverfassungsgericht hat die komplette Streichung von Zuwendungen ausgeschlossen. Wie will die CDU das durchsetzen?
Wer Sozialleistungen bezieht, der muss seinen Mitwirkungspflichten nachkommen. Heißt umgekehrt: Bei sogenannten „Totalverweigerern“ können Leistungen am Ende ganz gestrichen werden. Diesen Menschen muss klar sein, dass die Gemeinschaft nicht für ihren Lebensentwurf aufkommt. Wie soll man das den Millionen Steuerzahlerinnen und Arbeitnehmern sonst erklären? Natürlich werden dabei die Vorgaben des Grundgesetzes zu beachten sein, das ist doch klar.
Wissen Sie, wie hoch der Anteil von Totalverweigerern unter Hamburger Bürgergeldempfängern ist?
Hier liegen noch keine konkreten Zahlen vor. Jetzt gilt es, die „Neue Grundsicherung“ auszuarbeiten, und dann müssen die Zahlen, wie viele sich warum nicht melden und keiner angemessenen Arbeit nachgehen, vorliegen. Wer einer angemessenen Arbeit nachgehen könnte, aber sich weigert, der muss mit spürbaren Einschnitten rechnen. Das halte ich für richtig.
Stichwort Schonvermögen. Bisher darf man im ersten Jahr als Bürgergeldempfänger 40.000 Euro Vermögen haben. Das betrifft ja in erster Linie Selbstständige, die ins Bürgergeld rutschen. Ist es klug, denen etwa die Altersversorgung zu nehmen?
Auch hier gilt: Augenmaß ist gefragt. Aus diesem Grund soll die Verschonung von der Zahl der Arbeitsjahre und vom vorhandenen Vermögen abhängig gemacht werden. Ziel muss es sein, die Menschen ab dem ersten Tag der Grundsicherung wieder in Arbeit zu bringen. Das ist der beste Weg, um eine hinreichende Altersversorgung aufzubauen.
Der Europarat hat gerade die wachsende Ungleichheit in Deutschland angeprangert. Wie schätzen Sie die „Neue Grundsicherung“ vor diesem Hintergrund ein?
Kein ein anderes Land mit einer derart hohen Bevölkerungszahl bietet so umfängliche soziale Leistungen wie Deutschland. Diejenigen, die wirklich Hilfe benötigen, können auch mit der „Neuen Grundsicherung“ weiterhin sicher sein, von der Solidargemeinschaft aufgefangen werden. Für uns als CDU ist es aber zugleich das Ziel, den Menschen mehr Eigenständigkeit und individuelle Freiheit zu ermöglichen. Darauf zielen auch die höheren Zuverdienstgrenzen ab, die die „Neue Grundsicherung“ vorsieht. Damit soll den Bürgerinnen und Bürgern mehr Geld verbleiben.