„Wir sind die Töchter“: 2650 Menschen demonstrieren gegen Merz‘ „Stadtbild“
Ob Friedrich Merz wohl damit gerechnet hat, was seine „Stadtbild“-Aussage auslösen würde? Von den „Töchtern“, die er so gerne schützen möchte, sind jedenfalls viele wütend, auch in Hamburg – und das haben sie am Samstag im anhaltenden Regen auf dem Rathausmarkt auch in Hamburg deutlich gemacht. Die Frauen folgten damit Demonstrationen in Berlin, Köln und weiteren Städten. Neben vielen jungen Frauen waren unter den Demonstranten auch zahlreiche Menschen mit Migrationshintergrund, die sich vom Kanzler als „Problem im Stadtbild“ verunglimpft fühlen.
„Man kann nie genug gegen Merz auf die Straße gehen!“, sagt Maike. „Rage against Merz“, hat sie auf ihr Plakat geschrieben, die Demo besucht sie zusammen mit ihren Freunden Nils, Meli, Larissa, Carina und Laura, alle aus Hamburg und um die 30. Maike fügt hinzu: „Wir haben keinen Bock auf Rassismus und Mysogynie, wir wollen nicht instrumentalisiert werden!“
Töchter, Mütter und Oma: Alle gegen Merz‘ „Stadtbild“
2650 Menschen kamen nach Angaben der Polizei am Nachmittag ab 13 Uhr. Die Anmelder, ein Bündnis aus der Hamburger Linksfraktion und weiteren Gruppen, hatten die doppelte Anzahl erwartet. Grund für die Demo ist eine Aussage des Kanzlers zu Deutschlands Migrationspolitik: Die Bundesregierung korrigiere frühere Versäumnisse in der Migrationspolitik und mache Fortschritte, „aber wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem, und deswegen ist der Bundesinnenminister ja auch dabei, jetzt in sehr großem Umfang auch Rückführungen zu ermöglichen und durchzuführen“. Später ergänzte er: „Fragen Sie mal Ihre Töchter, was ich damit gemeint haben könnte.“
- Pauline Reibe Immer wieder wird der Vergleich zu den Anfängen der Nazi-Diktatur gezogen.

Immer wieder wird der Vergleich zu den Anfängen der Nazi-Diktatur gezogen. - Pauline Reibe Mit diesem Wagen wurde die Demo am frühen Samstagnachmittag angeführt.

Mit diesem Wagen wurde die Demo am frühen Samstagnachmittag angeführt.
Viele dieser „Töchter“ machen in Hamburg deutlich, was sie von diesen Aussagen halten. Neben vielen jungen und älteren Frauen sind auch junge Mädchen dabei. „Unsere Töchter sollen vorurteilsfrei aufwachsen“, sagt Maren (47), die mit ihrer 10-jährigen Tochter, ihrer Freundin Vivian (47), deren 8-jähriger Tochter und Oma Anna (75) gekommen ist – drei Generationen gegen Merz. „Wir wollen in einer offenen Gesellschaft bleiben, in der niemand ausgegrenzt wird!“, so Vivian.
Am vergangenen Mittwoch konkretisierte Marz seine raunende Stadtbild-Aussage dahingehend, dass diejenigen Migranten ein „Problem im Stadtbild“ seien, die keinen dauerhaften Aufenthaltsstatus hätten, nicht arbeiteten und sich nicht an die in Deutschland geltenden Regeln hielten. Für diese nachträgliche Aufzählung bekommt Merz laut einer ZDF-Umfrage Zuspruch von 63 Prozent der Bevölkerung.
Die Plakate, die die Teilnehmer im Hamburger Daueregen tapfer in die Höhe halten, zeigen ein breites Spektrum an Meinungen, Vorwürfen und Forderungen. „Die CDU flirtet mit 1933“, steht da zum Beispiel, oder „Suche: Kanzler; biete: Brandstifter“, oder auch „Töchter schützen? Getötete Frauen: 69 Prozent durch häusliche Gewalt“. Das mit Abstand häufigste Schild ist aber wohl das mit der Aufschrift „Wir sind die Töchter“.
Stadtbild-Aussage: „Er schert sich sonst einen Dreck um uns Frauen!“
Auch Julie (24, aus Borgfelde) und Malin (26, aus Hamburg-Nord) haben sich für diesen Spruch entschieden. „Alle Übergriffe, die ich bisher erlebt habe, gingen von deutschen Männern aus“, sagt Julie. „Es wird immer auf die geschoben, die sich am wenigsten wehren können.“
Es wird klar, dass es den Teilnehmern um mehr geht als „nur“ um die „Stadtbild“-Phrase. Auch Merz‘ Aussage in Bezug auf eine Regenbogenfahne am Bundestag, dieser sei kein „Zirkuszelt“ aus dem Juli wird kritisiert. In den Redebeiträgen wird Merz vorgeworfen, mit seinen Aussagen von eigentlichen sozialen Problemen wie Armut ablenken zu wollen – und dass ihm die „Töchter“-Aussage gar nicht zustehe, weil er sich sonst „einen Dreck“ um Frauen schere. „Das Problem im Stadtbild ist nicht Migration, es ist ein Mann und heißt Friedrich Merz!“, so eine Aussage. Eine Rednerin mit Migrationsgeschichte sagt: „Wir lassen uns nicht in gute und schlechte Ausländer:innen aufteilen“.
Anne, Julia und Lars sind mit drei Kindern gekommen. „Wir müssen jeden Tag unsere Rechte verteidigen. Und das müssen wir unseren Kindern beibringen“, sagen sie.
- Pauline Reibe Nils, Maike, Meli, Larissa, Carina und Laura (v.l.n.r.) haben ihr „Rage against Merz“-Schild eingepackt.

Nils, Maike, Meli, Larissa, Carina und Laura (v.l.n.r.) haben ihr „Rage against Merz“-Schild eingepackt. - Pauline Reibe Anne, Daniel und Christine (v.l.n.r.) sind gekommen, um gegen Merz zu demonstrieren.

Anne, Daniel und Christine (v.l.n.r.) sind gekommen, um gegen Merz zu demonstrieren. - Pauline Reibe Maren, Anna und Vivian sind mit ihren Töchtern bzw. ihrer Enkeltochter gekommen.

Maren, Anna und Vivian sind mit ihren Töchtern bzw. ihrer Enkeltochter gekommen. - Pauline Reibe „Wir sind die Töchter“ und „Es waren nie MigrantInnen, es waren IMMER MÄNNER“ steht auf den Plakaten von Julie und Anne.

„Wir sind die Töchter“ und „Es waren nie MigrantInnen, es waren IMMER MÄNNER“ steht auf den Plakaten von Julie und Anne.
Einer weiteren Anne (34) aus Altona ist es wichtig zu betonen, wie frauenfeindlich Merz‘ Aussagen und Verhalten sind. „Dagegen wollen wir jnd ganz klar positionieren“. Sie ist mit Daniel (46) aus Altona und Christine (44) aus Ahrensburg angereist.
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Laut Polizei zog der Demonstrationszug friedlich vom Rathausmarkt über die Mönckebergstraße, den Gerhart-Hauptmann-Platz und den Steintordamm bis zur Kirchenallee.
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