„Sowas haben wir noch nie gesehen“: Das Elend in Hamburgs City wird immer schlimmer
Wer sich rund um den Hamburger Hauptbahnhof aufhält, kann dem Anblick des Elends nicht entkommen: Junkies und Obdachlose betteln um Geld, pöbeln, rufen verzweifelt oder sind völlig weggetreten. Initiativen, die sich um diese Menschen kümmern, sind alarmiert: Ihnen zufolge wird die Lage immer dramatischer. Das unterstreichen neue Zahlen, wonach Hamburg die Hauptstadt der Wohnungslosen ist. Doch was sind die Gründe für diesen wenig ruhmreichen Höchstwert und die große Armut? Warum wird das Elend in Hamburgs City immer schlimmer?
Männer und Frauen schlurfen durch die S-Bahnen, liegen an den Mauern der Wandelhalle, wanken über den Platz beim ZOB oder stehen im Pulk vor der Beratungsstelle Drop Inn. Ihre Kleidung kaputt und schmutzig, die Gesichter eingefallen, die Wunden offen.
Wer sich rund um den Hamburger Hauptbahnhof aufhält, kann dem Anblick des Elends nicht entkommen: Junkies und Obdachlose betteln um Geld, pöbeln, rufen verzweifelt oder sind völlig weggetreten. Initiativen, die sich um diese Menschen kümmern, sind alarmiert: Ihnen zufolge wird die Lage immer dramatischer. Das unterstreichen neue Zahlen, wonach Hamburg die Hauptstadt der Wohnungslosen ist. Doch was sind die Gründe für diesen wenig ruhmreichen Höchstwert und die große Armut? Warum wird das Elend in Hamburgs City immer schlimmer?
Männer und Frauen schlurfen durch die S-Bahnen, liegen an den Mauern der Wandelhalle, wanken über den Platz beim ZOB oder stehen im Pulk vor der Beratungsstelle Drop Inn. Ihre Kleidung kaputt und schmutzig, die Gesichter eingefallen, die Wunden offen.
„Wir haben eine derartige soziale und psychische Verelendung in der Innenstadt, wie wir sie noch nie gesehen haben“, sagt Ronald Kelm. Er gehört zum Team des Gesundheitsmobils und hilft den Armen und Obdachlosen in Hamburg.
Hamburg: Obdachlosen-Initiativen warnen vor zunehmender Verelendung
Kelm berichtet von einer Essensausgabe am Wochenende auf St. Pauli. Ein älterer Mann schaffte es noch in die Schlange und wartete geduldig, bis er an der Reihe war. Doch als er sich gerade mit seiner Essenration einen ruhigen Platz suchen wollte, brach er zusammen. Dehydriert und ausgehungert.

Nicht nur Ronald Kelm empfindet den Zustand als dramatisch: Egal, bei welcher Initiative für Obdachlose man derzeit anruft, immer heißt es, es sei so schlimm wie lange nicht. Mitarbeiter des CaFée mit Herz auf St. Pauli sehen ebenfalls eine zunehmende Verelendung ihrer Gäste, die Arbeit werde immer anstrengender, die Stimmung sei oft aggressiv. Thorsten B. von der Initiative „Bergedorfer Engel“ verweist auf das Drop Inn (St. Georg): „Da stehen teilweise hunderte Leute auf der Wiese, alle in einem völlig desolaten Zustand. Sie können oft nicht mehr geradeaus gucken, haben offene Wunden an den Beinen und an den Händen.“
Thorsten B. hat das Gefühl, die Stadt schaue nicht mehr richtig hin. Seit 2014 verteilt er unter anderem Schlafsäcke an Bedürftige, im Jahr ungefähr 800 bis 1000 Stück. „Das zeigt schon, dass sich da nicht viel verändert“, sagt er. Robert Kelm ist weniger zurückhaltend. Er ist seit 2017 in der Obdachlosenhilfe tätig und kritisiert eine „Mentalität der Elendsverwaltung“: „Es fehlt der politische Wille, grundlegend etwas zu verbessern.“
Obdachlosigkeit und Wohnungslosigkeit sind nicht dasselbe
Wer sich die Zahlen zur Obdach- und Wohnungslosigkeit in Hamburg anschaut, muss differenzieren. Denn wohnungslos ist nicht gleich obdachlos. Wer wohnungslos ist, hat keine eigene Meldeanschrift und ist in einer öffentlichen Not- und Gemeinschaftsunterkunft untergebracht. Obdachlos ist, wer Platte macht. Sprich: Draußen auf der Straße, in Häusereingängen oder Parks lebt.

In Hamburg lag die Zahl der Wohnungslosen Ende Januar bei 18.915, in Deutschland bei rund 178.000 Menschen. Es sind vor allem Männer und viele junge Menschen betroffen: Deutschlandweit sind ein Drittel der Wohnungslosen (37 Prozent) jünger als 25 Jahre. Der Großteil von ihnen hat eine ausländische Staatsangehörigkeit (64 Prozent).
Dieser Punkt ist wichtig. Denn die hohe Zahl der Wohnungslosen bedeutet nicht, dass die Hamburger plötzlich alle verarmen. Die Zahl wird vielmehr auch durch die Geflüchteten, die in Hamburg Schutz suchen, bestimmt. Laut Sozialbehörde sind das rund 30.000 Menschen. Doch natürlich kann Wohnungslosigkeit auch schnell zur Obdachlosigkeit führen.
Hamburg für Hilfsprogramme deutschlandweit bekannt
In Hamburg leben derzeit laut Schätzungen zwischen 1000 und 2000 Obdachlose (Stand 2019), wobei die Zahl immer wieder schwankt. Zu den Betroffenen gehören auch Menschen (meistens Männer), die mit großen Hoffnungen auf einen Job und ein besseres Leben aus dem Ausland nach Hamburg kommen und hier feststellen, dass sie nicht ausreichend Deutschkenntnisse mitbringen. Die Sozialbehörde spricht in diesen Fällen von „gescheiterter Arbeitsmigration“ und bietet spezielle Rückkehrberatungen an, auch die Tickets für die Heimfahrt werden dabei übernommen.
Hamburg ist als Metropole ein Ort, der viele Menschen anlockt. Gleichzeitig gilt das Hilfssystem für Obdachlose in Hamburg – wie das Winternotprogramm – laut Sozialbehörde als so gut, dass viele von Armut betroffene Menschen aus anderen deutschen Städten her kommen. Das erzählten auch Obdachlose aus München der MOPO. Ihnen wurde dort im Vergleich zu Hamburg mit großer Härte begegnet. In der Hansestadt führt das zu ständig fluktuierenden Zahlen.
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Klar ist, einen schnellen Weg aus der Obdachlosigkeit gibt es nicht. Viele Betroffene schleppen meist einen Rucksack an Problemen mit sich, haben oft Suchterkrankungen. Die Stadt versucht dem mit Sozialarbeitern, Hilfsprogrammen und Projekten wie „Housing First“ zu begegnen.
Die Diakonie und andere Initiativen der Obdachlosenhilfe fordern zudem, dass Hamburg sich bei der Wohnungspolitik neu aufstellen muss. Es brauche mehr bezahlbaren Wohnraum, auch für niedrige Einkommen.