Wir bauen Hamburgs erstes Haus aus Hanf – und das ist sogar günstiger
Aus Hanf kann man Drogen herstellen, Medizin, Kleidung. Und: ein Zuhause! In Lurup entsteht gerade Hamburgs erstes Hanf-Haus – passenderweise am Hanfstieg. Warum eine Hamburger Familie diesen Baustoff wählte, welche Vor- und Nachteile er hat – und wer die Bauherren überhaupt erst auf diese ungewöhnliche Idee brachte, lesen Sie hier.
Aus Hanf kann man Drogen herstellen, Medizin, Kleidung. Und: ein Zuhause! In Lurup entsteht gerade Hamburgs erstes Hanf-Haus – passenderweise am Hanfstieg. Warum eine Hamburger Familie diesen Baustoff wählte, welche Vor- und Nachteile er hat – und wer die Bauherren überhaupt erst auf diese ungewöhnliche Idee brachte, lesen Sie hier.
Ein kleiner Bagger rumpelt über den hügeligen Erdboden. Zwischen dem kargen Gemäuer des Rohbaus wuseln drei Handwerker herum. Sie flexen, hämmern und spachteln. Wenn sie die Mauersteine durchsägen, wirbelt der weiße Kalk durch die Luft. Gut, dass die sechsjährige Jette ihre Latzhose angezogen hat. Stolz zeigt sie die Handsäge, mit der die Handwerker hier arbeiten: „Das ist ein Alligator. Mit dem kann man die Steine viel besser durchschneiden.“ Denn auf dieser Baustelle werden nicht wie üblich Betonsteine verbaut: Jettes neues Zuhause ist aus Hanf. Decken, Böden und Wände: Alles aus Hanfsteinen – einem gepressten Gemisch aus Kalk, Wasser und Hanf, der in Belgien geerntet wurde.

Gemeinsam mit ihrem Bruder Bo (8) und ihren Eltern Birte (38, Pädagogin) und Gordon G. (43, Bankkaufmann) wird sie in das erste Hanf-Haus Hamburgs ziehen. Auch Oma Christine (64) und Opa Hartmut B. (66) werden hier wohnen, denn hier entsteht ein Mehrgenerationenhaus.
„Wir wollen nur einmal im Leben bauen – und das bewusst nachhaltig“
„Wir kauften das Grundstück im Hanfstieg vor zwei Jahren. Da wussten wir noch nicht, dass es ein Hanf-Haus wird“, erzählt Gordon G. Für die ganze Familie habe aber schon immer festgestanden: „Wenn wir bauen, dann nachhaltig.“ Das Haus aus Hanf zu errichten, war ein Ratschlag von Birtes Tante, die seit mehr als 20 Jahren aus Hanf-Fasern Jersey-Kleidung herstellt. Von ihr kam der Tipp, den Hanf-Ingenieur Henrik Pauly anzurufen.
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Jetzt ist es zwei Wochen her, dass Henrik Pauly mit Paletten voller Hanfsteinen auf die Baustelle kam. Pauly trommelte alle Handwerker zusammen und zeigte ihnen, wie man mit den Blöcken baut: „Gelernten Handwerkern muss ich nicht viel beibringen, nur die Geräte sind ein bisschen anders“, erzählt Pauly.
Hanfsteine: „Das Zeug ist pures Gold“
Eine Woche später standen die ersten Wände der unteren Etage des Hanf-Hauses. Das Besondere: Auf Dämmmaterial, wie etwa Glaswolle, kann beim Bau mit Hanfsteinen komplett verzichtet werden. Wände aus Hanfsteinen sind nicht nur von Natur aus gedämmt, sondern speichern die Wärme und geben sie wieder ab. Und das werde die Familie fühlen, meint Pauly.

Durch die Hanfsteine werde das Raumklima auch besser, weil die Wände die Luftfeuchtigkeit regulieren könnten. „Der Hanfkalk nimmt überschüssige Feuchtigkeit auf und gibt sie nach draußen oder – bei trockener Luft – in den Innenraum wieder ab“, sagt der Tübinger Hanf-Ingenieur. Damit die ganze Familie dieses natürliche Raumklima genießen kann, kommt nur ein Kalkputz auf die Wände. „So verhindern wir auch Schimmel und Schwamm“, sagt Gordon G.
„Das Hanf-Haus ist über den Lebenszyklus deutlich günstiger“
Doch der Familie geht es nicht nur um den eigenen Wohnkomfort: Ihr Mehrgenerationenhaus soll ökologisch sein. Und genau das ist ein Hanf-Haus, versichert Henrik Pauly im Gespräch mit der MOPO: „Die Hanfsteine haben eine negative CO2-Bilanz.“ Bei der Herstellung wird der verholzte Stängel der Hanfpflanze getrocknet, mit Kalk und Wasser gemischt und anschließend zu den baufertigen Steinen gepresst. Das verbrauche kaum CO2. „Damit speichert Hanfkalk mehr CO2 in sich, als bei der Verarbeitung ausgestoßen wird“, meint Pauly.
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Als Gordon und Birte G. die Idee hatten, ihr Haus aus Hanfsteinen zu bauen, machten sie sich Sorgen um die Kosten. Doch der Hanf-Ingenieur konnte Entwarnung geben: „In der Anschaffung ist ein Hanf-Haus zwar um die zehn Prozent teurer. Aber wenn man die Abrisskosten mitrechnet, ist ein Hanf-Haus über seinen Lebenszyklus deutlich günstiger.“ Und das wird wohl auch so bleiben: Weil die konventionellen Baustoffe immer teurer werden, sinken die Mehrkosten für ein Hanf-Haus.
Günstiger und ökologisch – und wo ist der Haken?
Trotz vieler Vorteile sind Hanfsteine noch keine Alleskönner auf dem Bau: „Momentan können die Hanfsteine noch keine schweren Lasten tragen, sie sind zu porös.“ Deswegen werden in dem ersten Hanf-Haus Hamburgs noch 17 Stahlbetonstützen verbaut. Und auch das Treppenhaus wurde noch aus Kalksandsteinen gebaut.

„Aber unser Dach bekommt noch eine Photovoltaik-Anlage und es wird so begrünt sein, dass es das Regenwasser speichert“, erzählt Christine. So möchte die ganze Familie ökologisch nachhaltig und möglichst unabhängig leben. Ihr neues Hanf-Zuhause soll planmäßig im August nächsten Jahres fertig sein. Enkel Bo kann es kaum abwarten, dann nur durch den Keller klettern zu müssen, um Oma und Opa zu besuchen – es ist schon jetzt „sein Geheimgang“.