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Ingenieur Heiko Mescher von der Hamburger Firma E3 mit einem IdentiFlight-Kamerasystem.
  • Ingenieur Heiko Mescher von der Hamburger Firma E3 mit einem IdentiFlight-Kamerasystem.
  • Foto: Bettina Blumenthal

Windräder: Hamburger Hightech soll Vögel vor Rotoren schützen

Mit bis zu 150 km/h jagen sie durch die Luft, den Blick konzentriert nach unten gerichtet, auf der Suche nach Beute am Boden: Bei ihrer Jagd nehmen unsere Seeadler und Rotmilane Windenergieanlagen nicht als Gefahr wahr. Sie haben keine natürliche Feinde – schon gar nicht in 250 Metern Höhe. Doch so hoch sind moderne Windräder. Und so geraten diese imposanten Greifvögel immer wieder in die Rotorblätter. Doch es gibt Hoffnung.

Seit vier Jahren prüft die Hamburger Firma Erneuerbare Energien Europa E3, ein Kamerasystem aus den USA für den deutschen Markt. Es ist ein automatisiertes Erkennungssystem für Groß- und Greifvögel. Bei Bedarf kann es die Abschaltung von Windenergieanlagen, einleiten. Und die Testergebnisse sind so vielversprechend, dass schon in diesem Jahr mit einer Zulassung zu rechnen ist.

IdentiFlight nennt sich das Kamerasystem. Acht Weitwinkelobjektive erfassen in einem Radius von 360 Grad den Luftraum von bis zu drei Windenergieanlagen. Schon in einer Entfernung von ca. einem Kilometer erkennt es, ob es sich um eine unbedeutende Flugbewegung wie Flugzeug, Ballon oder Wolke handelt – oder um eine bedeutende Flugbewegung, wie beispielsweise die eines Seeadlers.

Kamerasystem aus Hamburg soll Vögel vor Windrädern schützen

Fliegt ein solcher Seeadler näher als 600 Meter an eine Windenergieanlage heran, verfolgen ihn zwei weitere hochauflösende bewegliche Kameras auf den Flügelschlag genau. Nähert sich der Greifvogel nun auf einem Kollisionskurs der Anlage bis auf 400 Meter, leitet das IdentiFlight-System den Abschaltvorgang ein. Das Windrad geht in den sogenannten Trudelbetrieb. Die Rotorblätter verändern ihren Winkel und drehen sich aus dem Wind. Innerhalb von etwa 30 Sekunden fahren die Blätter auf etwa zwei Umdrehungen pro Minute runter.

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„Seit 2018 testen wir das System für Seeadler und Rotmilan“, erklärt Heiko Mescher, 52, Diplom-Ingenieur und Projektleitung von E3. „Wir erreichen eine Erfassungsrate von circa 90 Prozent und können so die Kollisionsgefahr nachhaltig verringern.“

Hamburger Firma E3 will IdentiFlight auf den Markt bringen

Entwickelt wurde das Kamerasystem ursprünglich von der Firma Boulder Imaging aus den USA. In Deutschland wurde es nun in fünf Bundesländern an elf Standorten für die Erfassung von Seeadlern und Rotmilanen getestet. Mit mehreren Hunderttausend Flugbildern einer Vogelart wird das System zunächst angelernt. Hierbei überprüfen unter anderem Ornithologen die Kameras, und folgen den Vögeln zeitgleich mit Laserferngläsern.

Der linke Flügel dieses jungen Seeadlers wurde von einem Windrad-Rotorblatt gebrochen. Er erholt sich zur Zeit in der Wildtierstation Offenseth-Sparrieshoop. Bettina Blumenthal
Der linke Flügel dieses jungen Seeadlers wurde von einem Windradrotorblatt gebrochen.
Der linke Flügel dieses jungen Seeadlers wurde von einem Windrad-Rotorblatt gebrochen. Er erholt sich zur Zeit in der Wildtierstation Offenseth-Sparrieshoop.

Die Ergebnisse sind sehr vielversprechend. Das Kompetenzzentrum für Naturschutz und Energiewende befürwortet das Zulassungsverfahren. Das Kamerasystem wäre zur Vermeidung von Vogelkollisionen an Windkraftanlagen reif für die Praxis.

Nabu zurückhaltend bei Nutzen von IdentiFlight

Der Nabu ist da hingegen vorsichtiger. Man brauche mehr als eine Studie, um die Wirksamkeit eines solchen neuen Systems einzuschätzen. „Mit mehr Daten und mehr Untersuchungen, erweitert um mehr Arten und um unterschiedliche Geländesituationen, sowie einer Debatte um die artspezifischen Mindestanforderungen für solche Systeme, können IdentiFlight und ähnliche Systeme eine wichtige Maßnahme beim Ausbau der naturverträglichen Energiewende darstellen“, so Katharina Stucke, vom Nabu Deutschland.


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Seeadler fliegen bis zu 3000 Meter hoch. Nur leider sind ihnen auf ihrer Jagd dabei viel zu oft Windkraftanlagen im Wege. Die Rotorblätter erreichen eine Höhe von bis zu 250 Metern. Für einen Adler also vergleichsweise niedrig. Doch auf der Suche nach einem Beutetier haben Seeadler Windräder oft nicht im Blick. Christian Ermann, Leiter der Wildtier-und Artenschutzzentrum in Offenseth-Sparrieshoop: „ Die Windräder sind für die Vögel ja auch völlig unnatürlich. Vögel haben den Umgang mit Windkraftanlagen noch nicht gelernt.“

Vor wenigen Monaten hatte sich ein Seeadler so bei einem Zusammenstoß einen Flügel gebrochen. Die OP verlief sehr gut. Bis zum Frühjahr wird er noch in der Station bleiben, dann kann er ausgewildert werden, so Erdmann. Bleibt zu hoffen, dass das IdentiFlight-System die Greifvögel bald besser schützt.

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