Der wilde Wald von Wilhelmsburg: Protest-Camper kämpfen gegen Rodung
Ein 60 Jahre alter Pionierwald mit großen Bäumen, malerisch am Ernst-August-Kanal gelegen, eine Oase der Ruhe im lauten, dicht besiedelten Wilhelmsburg. Dieses große Biotop will die Stadt Hamburg trotz vollmundig verkündeter Klimaschutzziele bald für Wohnungsbau roden lassen. Umweltschutzverbände sind entsetzt. Jetzt campen Anwohner und Aktivisten aus ganz Hamburg Tag und Nacht im „wilden Wald“ – gerichtlich genehmigt. Kann das grüne Paradies noch gerettet werden?
Ein 60 Jahre alter Pionierwald mit großen Bäumen, malerisch am Ernst-August-Kanal gelegen, eine Oase der Ruhe im lauten, dicht besiedelten Wilhelmsburg. Dieses große Biotop will die Stadt Hamburg trotz vollmundig verkündeter Klimaschutzziele bald für Wohnungsbau roden lassen. Umweltschutzverbände sind entsetzt. Jetzt campen Anwohner und Aktivisten aus ganz Hamburg Tag und Nacht im „wilden Wald“ – gerichtlich genehmigt. Kann das grüne Paradies noch gerettet werden?
„Hamburgs grüne Lunge muss erhalten bleiben!“ Das beteuerte gerade die Koalition aus CDU, SPD und FDP im Bezirk Mitte und pflanzt nun in den nächsten Jahren 10.000 neue Bäume. „Doch gleichzeitig wird hier in Wilhelmsburg ein wertvolles, über 60 Jahre gewachsenes Biotop vernichtet“, sagt Jürgen Baumann, mit 63 Jahren fast genauso alt wie die Bäume, die er retten will. „Das passt doch nicht zusammen.“ Der ehemalige Ottenser lebt seit zehn Jahren auf der Elbinsel und kämpft jetzt im Protestcamp für den Erhalt des wilden Waldes.
Auf der kleinen Lichtung mitten im verwilderten Biotop sitzen Aktivisten auf Plastikstühlen um eine Feuerstelle herum, im Versorgungszelt wird gerade Geschirr gespült. Es gibt ein grünes Schlafzelt für Mitstreiter, das tagsüber in der Sonne allerdings sehr warm wird. Für Besucher wurden ein Infozelt und Schautafeln errichtet. Es gibt auch viele Veranstaltungen. Gerade kommt eine Polizeistreife vorbei und spricht ein paar Worte mit dem Campleiter. Duschen gibt es nicht, aber saubere Dixi-Klos.
Wilder Wald in Wilhelmsburg: Stadt will Wohnungen bauen
Zwei Wochen lang campen verschiedene Gruppen und Anwohner aus Wilhelmsburg und ganz Hamburg nun im wilden Wald, um mit Mahnwachen auf die drohende Abholzung aufmerksam zu machen. Laut Initiative Waldretter hatte die Versammlungsbehörde zunächst versucht, das Rund-um-die-Uhr-Campen zu verhindern, das wurde im Eilentscheid von einem Gericht gekippt: Es darf im Wald übernachtet werden.

Der wunderschöne, verwilderte Grünstreifen entlang des Ernst-August-Kanals im Norden von Wilhelmsburg ist massiv bedroht. Er soll für die Bebauung des Spreehafenviertels gerodet werden. Dort baut die städtische IBA Hamburg in den nächsten Jahren 1100 Wohnungen plus Gewerbeflächen. Im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens geben derzeit die Umweltverbände ihre Einschätzungen ab.
Spreehafenviertel: 1100 Wohnungen sind dort geplant
„Der Senat hält sich nicht an seine eigenen Klimaziele“, ärgert sich Jürgen Baumann. „Die Versiegelung muss gestoppt werden. Es gibt genug leerstehende Gewerbe- und Bürogebäude und brachliegende Hafenflächen, auf denen die benötigten Wohnungen gebaut werden könnten.“ Er sei es leid, dass in der Argumentation der Stadt ständig Naturschutz gegen Wohnungsbau ausgespielt werde. „Was ist mit dem groß angekündigten Magistralenkonzept von 2019, bei dem entlang der großen Ausfallstraßen Wohnungsbau entstehen soll? Das kommt nicht voran.“
„Hier fällt ein letztes Wohlfühlplätzchen in Wilhelmsburg weg“, sagt Arne V. (32), der in der Nähe des Waldes wohnt. „Und das ist hier auch der einzige Puffer zwischen dem Hafen und der Wohnbebauung.“ Wenn die Bäume fallen, werde es noch einmal lauter werden. Und schon jetzt hört man selbst im Wald den Industrielärm von Hafen und Güterbahn.
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„Es geht hier auch um Umwelt-Gerechtigkeit“, argumentiert Sigrun Clausen. Sie ist Kämpferin der ersten Stunde bei den Waldretter:innen. „Der Zugang zu Natur und Gesundheit muss für alle gegeben sein und viele hier auf der Insel können sich eine Reise an die See oder in die Berge gar nicht leisten.“
Für die Mahnwache werden noch Mitstreiter:innen gesucht, sie werden täglich um 17 Uhr vor Ort in Empfang genommen. Auch Besucher sind herzlich willkommen. Die Mahnwache läuft noch bis Sonntag, 8. Oktober.