Hamburg-Schatz: Abriss war schon beschlossen – dann gab es ein Wunder
Wer in diesen Tagen bei herrlichem Wetter über die Deichstraße flaniert, kann nur sagen: Gut gemacht! Überall sitzen die Menschen vor den geretteten 200 bis 300 Jahre alten Häusern, trinken Kaffee, essen Eis. Vor 50 Jahren wäre das fast anders ausgegangen: die Abbruchgenehmigungen waren schon erteilt, Bagger hatten bereits das erste Haus plattgemacht – doch dann lehnten sich ein paar wütende Bürger auf ...
Die Abbruchgenehmigungen waren erteilt, Bagger hatten schon das erste Haus plattgemacht – da standen Bürger auf und gründeten den Verein „Rettet die Deichstraße“. Das war vor genau 50 Jahren und jetzt ist das in Hamburg einzigartige Ensemble historischer Häuser ein Touristenmagnet. An diesem Mittwoch wird das Engagement des Vereins im Rathaus mit einem Senatsempfang gewürdigt.
Wir schreiben das Jahr 1304, als die Deichstraße in Urkunden erstmals als „Diekstraat“ erwähnt wird. Im Laufe des 14. Jahrhunderts entstanden hier erste Brauereien und bald hatte fast jedes Haus hier das „Brauerbe“ – also das Recht, Bier zu brauen. Das war nicht an den jeweiligen Eigentümer gebunden, sondern an das Gebäude.
Ab dem 17. Jahrhundert wurden die typischen Kaufmannshäuser gebaut: Unten lebten und handelten die Kaufleute und oben lagerten sie die Waren. 1842 brach in der Deichstraße Feuer aus – der Beginn des Großen Brandes in Hamburg. Doch die Straße, in der die Katastrophe begann, blieb größtenteils erhalten. Auch den Zweiten Weltkrieg überstand die Deichstraße erstaunlich gut.
Hamburg: Abrisswahn nach dem Krieg
Doch dann kam die Nachkriegszeit. Und Altbauten waren ab den 1950er Jahren nicht mehr angesagt. Vermutlich sind zwischen 1950 und 1980 Tausende historische Bauten, die den Krieg überstanden hatten, plattgemacht worden.
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Und auch die Deichstraßen-Häuser sollte es treffen. 1957 legte der Senat fest, dass die Deichstraße auf 20 Meter verbreitert werden soll, damit sie als Zubringer zur 1962 fertiggestellten Trasse Ost-West-Straße (heute Willy-Brandt-Straße) dienen kann. Da war für die ollen Kaufmannshäuser kein Platz mehr.
Kurz bevor alle Gebäude endgültig plattgemacht werden konnten, kam es zur Gründung des Vereins „Rettet die Deichstraße“. Gründer waren die Journalistin Gisela Schiefler und der Architekt Gerhard Hirschfeld. Im Gründungsaufruf hieß es: „… dass es endlich auch in Hamburg an der Zeit sei, mit diesem Straßenzug uns Hamburgern selbst, aber auch unseren Gästen aus nah und fern ein schönes Zeugnis vergangener Zeiten und heutigen Bürgersinns zu geben.“
Schön gesagt, und wer in diesen Tagen bei herrlichem Wetter über die Deichstraße flaniert, kann nur feststellen: Gut gemacht! Überall sitzen die Menschen vor den geretteten 200 bis 300 Jahre alten Häusern, trinken Kaffee, essen Eis.
Deichstraße Hamburg: Vier Alt-Bürgermeister kämpften für die Häuser
Doch zunächst war es ein langer Weg für den Verein. Aber der konnte bald alle Nachkriegsbürgermeister, darunter Max Brauer, Kurt Sieveking, Paul Nevermann und Herbert Weichmann, als Unterstützer gewinnen. Eine Lotterie spülte Geld in die Vereinskasse, reiche Spender halfen – und bald schon konnten Deichstraßen-Häuser gekauft werden. Der Preis für das erste Haus betrug 500.000 Mark (250.000 Euro), doch die Sanierung verschlang ein Vielfaches dieser Summe.
2016 wurde aus dem Verein eine Stiftung, sie besitzt bis heute vier Häuser des einmaligen Ensembles. Der Erhalt der Gebäude wird aus Mieteinnahmen finanziert. Schon 2008 hatten die Deichstraßen-Retter sich übrigens Richtung Michel ausgedehnt und damals das Grundstück Krayenkamp 10/11 gekauft – hier stehen die berühmten Krameramtsstuben.