UKE-Chefarzt Kluge: Corona-Isolationspflicht aufheben? Ja, aber erst …
Hamburg schnieft und hustet. Ob nun wegen Corona oder einer anderen Erkältung – überall fallen Mitarbeiter aus. Sind daran die Corona-Maßnahmen der vergangenen Jahre Schuld? Und was kommt da noch auf uns zu? Darüber und über die Frage, wie lange uns Corona überhaupt noch beschäftigen wird, hat die MOPO mit Stefan Kluge, Chef der Intensivmedizin am UKE, gesprochen.
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Hamburg schnieft und hustet. Ob nun wegen Corona oder einer Erkältung – überall fallen Mitarbeiter aus. Sind daran die Pandemie-Maßnahmen der vergangenen Jahre Schuld? Und was kommt da noch auf uns zu? Darüber und über die Frage, wie lange uns Corona überhaupt noch beschäftigen wird, hat die MOPO mit Stefan Kluge, Chef der Intensivmedizin am UKE, gesprochen.
MOPO: Herr Kluge, viele Hamburger sind krank. Wie schlimm wird der Winter?
Stefan Kluge: Das ist schwer einzuschätzen. Derzeit grassieren viele Atemwegserkrankungen: Corona, RSV, Influenza und andere. Erfahrungsgemäß flauen die Wellen ab, wenn viele Menschen die Krankheiten hatten. Allerdings ist man ja nicht gegen Influenza immun, weil man Corona hatte. Auch die bevorstehenden Festtage können zu weiteren Infektionen führen. Es kann sein, dass die aktuelle Krankheitswelle erst im Januar abflaut. Aber genau weiß das niemand.
Sie nennen Corona als ein Virus unter vielen. Hat es seine Sonderrolle schon verloren?
Ja, Corona hat sich in vielen Aspekten Influenza angenähert. Jede Atemwegsinfektion hat allerdings gerade bei Hochbetagten und Patienten mit schweren Vorerkrankungen ein gewisses Risiko, da bildet auch das Corona-Virus keine Ausnahme. Im UKE sehen wir aktuell viele Patient:innen mit einer Sars-Cov-2-Begleitinfektion, aber nur wenig Schwerkranke. Bei Kindern spielt gerade RSV eine riesige Rolle, nicht Corona. Ein Thema bleibt aber: Long Covid. Wenige Wochen nach der Infektion haben noch bis zu zehn Prozent Beschwerden, nach einem Jahr sind es zwar deutlich weniger, jedoch entwickeln einige Patient:innen durchaus Langzeitbeschwerden. In jedem Fall macht es Sinn, Infektionen zu verhindern. Und klar ist auch: So, wie wir es jeden Winter mit Influenza zu tun haben, wird auch Corona bleiben.
Brauchen wir dann die Isolationspflicht noch?
Wir sehen ja in vielen Bereichen gerade Personalausfälle aufgrund von Infektionen, daher wäre ein Aufheben der Isolationspflicht zum jetzigen Zeitpunkt nicht ideal. Andererseits nähert sich Corona Influenza an, und dort gibt es auch keine Isolationspflicht. In fünf Bundesländern wurde sie aufgehoben und die Zahlen explodieren nicht. Man muss abwägen: In sensiblen Bereichen wie Krankenhäusern sollten keine coronapositiven Mitarbeiter:innen eingesetzt werden. In anderen Berufen, wo man zum Beispiel draußen und mit Abstand arbeitet, ist es vielleicht unproblematischer. Ich gehe davon aus, dass die letzten Maßnahmen im Frühjahr angepasst werden.
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Haben die Maßnahmen der vergangenen Jahre jetzt zu dieser Krankheitswelle geführt?
Nein, das glaube ich nicht. Es gab auch vor Corona beispielsweise starke Grippewellen, zuletzt in der Saison 2017/2018. Ich halte es auch für abwegig, sich selbst oder seine Kinder einer Infektion auszusetzen, um das Immunsystem zu stärken. Bei vielen Atemwegsinfektion hat man nur einen kurzzeitigen Immunschutz durch die Infektion. Zudem gibt es ja bei jeder Infektion ein Risiko für Komplikationen. Das ist bei Jüngeren sehr gering und bei Älteren höher, aber ein gewisses Risiko bleibt. Man sollte jede Infektion vermeiden. Und Risikopatient:innen sollten sich auch gegen Influenza impfen lassen. Es bringt nichts, gegen Corona geimpft zu sein, aber dann an einer schweren Lungenentzündung durch die Grippe zu erkranken.
Blüht uns noch mal eine gefährlichere Corona-Variante?
Es kann natürlich nicht ausgeschlossen werden, aber ich halte es für unwahrscheinlich. Viele Virolog:innen gehen davon aus, dass sich keine krankmachendere Variante entwickelt.
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Der Virologe Christian Drosten schaut aber besorgt auf China.
Ja, China gibt Anlass zur Sorge. Dort gab es eine Zero-Covid-Strategie und man hat radikal versucht, jede Infektion zu verhindern. Und jetzt wird ad hoc laufen gelassen. Der Impfstatus in der Bevölkerung ist nicht gut, es ist mit vielen Kranken zu rechnen. Und wenn die Infektionslast in einer Bevölkerung sehr hoch ist, könnten sich auch neue Mutationen ergeben. Aber wie es sich genau entwickelt, ist schwer abzuschätzen.