Miese Tricks der Vermieter: Wie radikal muss es werden, um den Wahnsinn zu stoppen?
Indexmieten, möblierte Wohnungen oder zeitlich begrenzte Mietdauer: Mit kreativen Modellen finden Hamburger Vermieter immer wieder Schlupflöcher, um die Quadratmeterpreise in die Höhe zu treiben. Die Initiative „Hamburg enteignet“ will das mit einer Verstaatlichung großer Immobilienkonzerne beenden. Kommen jetzt Zwangsenteignungen? Was Politik und der Hamburger Mieterverein zu dem Vorstoß sagen.
Indexmieten, möblierte Wohnungen oder zeitlich begrenzte Mietdauer: Mit kreativen Modellen finden Hamburger Vermieter immer wieder Schlupflöcher, um die Quadratmeterpreise in die Höhe zu treiben. Die Initiative „Hamburg enteignet“ will das mit einer Verstaatlichung großer Immobilienkonzerne beenden. Kommen jetzt Zwangsenteignungen? Was Politik und der Hamburger Mieterverein zu dem Vorstoß sagen.
18.000 Unterschriften konnte „Hamburg enteignet“ nach eigenen Angaben bereits sammeln. Fast doppelt so viele, wie für den Start einer Volksinitiative nötig sind. In dieser Woche reichte die Initiative die Unterschriften im Rathaus ein.
Hamburger Mieterverein sieht Neubauten in Gefahr
Ziel der Initiative ist die Enteignung großer Wohnungsgesellschaften mit mehr als 500 Wohnungen, um die Mieten zu senken. Rolf Bosse, Vorsitzender des Hamburger Mietervereins, freut sich zwar, dass die Debatte über bezahlbaren Wohnraum ins Rollen kommt, allerdings „sehen wir die Gefahr, dass die Wohnungswirtschaft keinen neuen Wohnraum mehr baut und auch nicht mehr saniert, wenn das Risiko einer Zwangsenteignung bevorstehen würde.“ Angesichts der Reaktion aus der Wohnungswirtschaft könnte er damit Recht behalten.

Andreas Breitner, Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), sprach von Enteignungsfantasien und Tagträumereien, die das solidarische Miteinander in der Stadt gefährdeten. Die Lage auf dem Wohnungsmarkt habe „sehr viel mit steigenden Baukosten sowie höheren Anforderungen für den Klimaschutz und wenig mit der Profitgier von Immobilienspekulanten zu tun“.
Die Tricks der Vermieter sind vielfältig
Unterstützung für die Initiative gab es auch in der Bürgerschaft nur von einer Seite. Die Wohnexpertin der Linken, Heike Sudmann, begrüßte den „Erfolg“ der Initiative, weil „Spekulanten“ jetzt „zu Recht Enteignung“ fürchten müssten. Die anderen Fraktionen befürchten ähnlich wie der Mieterverein, dass mit einer Enteignung die Neubauten ins Stocken geraten.
Mieter haben selbst jedoch kaum Chancen, den Tricks der Vermieter etwas entgegen zu setzen. Da wären zunächst die Indexmieten. Sie sind an die Inflationsrate gekoppelt, wenn also die Verbraucherpreise steigen, geht auch die Miete nach oben. Für Vermieter lukrativ: Im vergangenen Jahr betrug die Steigerung des Verbraucherindex in Hamburg gegenüber 2021 durchschnittlich 7,9 Prozent. „Wir beobachten seit Jahren eine Zunahme von Indexmietverträgen. Nach unserer Schätzung ist in Hamburg jeder zweite Mietvertrag indexiert, außer von SAGA und Genossenschaften“, sagt Bosse.
Gallina warnt vor „Preisspirale auf dem Wohnungsmarkt“
Hamburgs Justizsentaorin Anna Gallina (Grüne) hat sich schon im vergangenen Jahr für eine stärkere Regulierung von Indexmieten eingesetzt. Doch eine Initiative des Hamburger Senats fand im Bundesrat keine Mehrheit. „Ohne entsprechende Änderung droht eine weitere Preisspirale auf dem Wohnungsmarkt“, warnt Gallina auf MOPO-Anfrage.

20 Quadratmeter in Barmbek für 600 Euro kalt oder 33 Quadratmeter in Hoheluft für 1280 Euro kalt – diese Angebote gibt es tatsächlich. Ein weiterer Trick der Vermieter: Möbliertes Wohnen. Ein Bett, ein Sofa, ein Tisch und schon steigt die Miete erheblich. Eigentlich darf auch in diesem Fall der Preis nicht mehr als zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. In der Praxis ist das kaum nachprüfbar, weil Vermieter nicht angeben müssen, wie viel vom Mietpreis die Möblierung ausmacht. Wie hoch der Zuschlag auf Möbel sein darf, ist auch nicht geregelt.
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Der nächste Trick: Die Vermietung auf Zeit. Denn Wohnungen, die nur kurzzeitig vermietet werden, unterliegen nicht der Mietpreisbremse. Damit möbliertes Wohnen und das Wohnen auf Zeit stärker reguliert werden, hatte Hamburg im vergangenen Jahr ebenfalls eine Initiative im Bundesrat gestartet. Auch die wurde abgeschmettert. „Hamburg prüft zurzeit, wie und wann ein Wiederaufgreifen der Drucksache im Bundesrat in erfolgsversprechender Weise erfolgen kann“, heißt es auf Nachfrage aus der Stadtentwicklungsbehörde.

Ein paar Möglichkeiten zur Regulierung hätte Hamburg aber auch ohne den Bund. „Hamburg sollte Wohnungen unter 25 Quadratmeter in den Mietenspiegel aufnehmen. Denn wenn ich Mietpreisverstöße anprangern will, brauche ich Vergleichswerte. In diesem Zug sollte es auch Empfehlungen für Möblierungszuschläge geben“, fordert Rolf Bosse vom Mieterverein.
Bürgerschaft befasst sich mit Volksinitiative
Immerhin: SPD und Grüne wollen mit einem gemeinsamen Antrag in der Bürgerschaft beschließen, dass die Kappungsgrenze in Hamburg weiterhin bei 15 Prozent verbleibt. Die Grenze legt fest, um wie viel Prozent die Miete innerhalb von drei Jahren maximal erhöht werden darf. Eigentlich liegt sie bei 20 Prozent, kann aber gesenkt werden, wenn die „Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen gefährdet“ ist. Zusätzlich soll sich der Senat auf Bundesebene für eine Mieterhöhungsbremse von elf Prozent innerhalb von drei Jahren einsetzen.
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Vier Monate hat die Bürgerschaft außerdem Zeit, sich mit der Forderung von „Hamburg enteignet“ zu befassen. Sollte es keine Zustimmung geben, kann sich die Initiative um ein Volksbegehren bemühen. Dafür müssten rund fünf Prozent aller Wahlberechtigten unterschreiben – also etwa 66.000. Ob so ein Volksbegehren überhaupt mit der Verfassung vereinbar wäre, ist allerdings fraglich. Eine Enteignung würde teilweise ins Grundrecht eingreifen und könnte daher verfassungswidrig sein.