Wie Fußgänger in Hamburg unter der „autogerechten Stadt“ leiden
Kaputte Bürgersteige, vollgestellt mit parkenden Autos, Mülltonnen und Verkehrsschildern, die kaum Platz zum Durchquetschen lassen, dazu immer diese Angst beim Überqueren von Straßen – all das gehört für Hamburgs Fußgänger zum Alltag. In der Politik sind die schwächsten Verkehrsteilnehmer lange zu kurz gekommen. Mit der MOPO hat die Vorsitzende des Hamburger Landesverbands von Fuß e.V., Sonja Tesch, bei einem kleinen Spaziergang über die vielen Stolperfallen gesprochen und was sich dringend ändern muss.
„Stolpergefahr! Unebener Weg!“ Für Fußgänger mag dieses Schild, das das Bezirksamt Eimsbüttel gleich an mehreren Stellen des Eppendorfer Wegs aufgestellt hat, einen leicht ironischen Beigeschmack haben. Auf der beliebten rund drei Kilometer langen Straße, die durch Eimsbüttel, Hoheluft-West und Hoheluft-Ost verläuft, ist am Nachmittag viel los: Mütter schieben sich mit ihren Kinderwagen gedrängt aneinander vorbei, ein älteres Paar macht eingehakt einen Spaziergang. „Achtung!“, warnt die Frau ihren Mann, kurz bevor der auf eine kaputte Gehwegplatte tritt.
Hamburg: Das sind die Probleme der Fußgänger
- Deutsch (Deutschland)
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Kaputte Bürgersteige, vollgestellt mit parkenden Autos, Mülltonnen und Verkehrsschildern, die kaum Platz zum Durchquetschen lassen, dazu immer diese Angst beim Überqueren von Straßen – all das gehört für Hamburgs Fußgänger zum Alltag. In der Politik sind die schwächsten Verkehrsteilnehmer lange zu kurz gekommen. Mit der MOPO hat die Vorsitzende des Hamburger Landesverbands von Fuß e.V., Sonja Tesch, bei einem kleinen Spaziergang über die vielen Stolperfallen gesprochen und was sich dringend ändern muss.
„Stolpergefahr! Unebener Weg!“ Für Fußgänger mag dieses Schild, das das Bezirksamt Eimsbüttel gleich an mehreren Stellen des Eppendorfer Wegs aufgestellt hat, einen leicht ironischen Beigeschmack haben. Auf der beliebten rund drei Kilometer langen Straße, die durch Eimsbüttel, Hoheluft-West und Hoheluft-Ost verläuft, ist am Nachmittag viel los: Mütter schieben sich mit ihren Kinderwagen gedrängt aneinander vorbei, ein älteres Paar macht eingehakt einen Spaziergang. „Achtung!“, warnt die Frau ihren Mann, kurz bevor der auf eine kaputte Gehwegplatte tritt.
Hamburg: Das sind die Probleme der Fußgänger
Ungemütlich wird es für Fußgänger in der angrenzenden Kottwitzstraße: Dort parken auf beiden Seiten Autos. Damit der Verkehr auf der Straße fließen kann, stehen die Fahrzeuge halb auf dem Gehweg. Zum Problem wird das dann, wenn mehrere Fußgänger sich entgegen kommen und es keinen Platz mehr zum Ausweichen gibt.
Die Kottwitzstraße ist hier nur ein Platzhalter für viele Straßen in Hamburg. „Wir fordern eine Mindest-Gehwegbreite von 2,50 Metern“, sagt Sonja Tesch und streckt ihre Arme zu beiden Seiten aus. „In der Realität sind die meisten Bürgersteige aber nicht viel breiter als zwei Armlängen.“ Daher solle das Parken auf zu schmalen Gehwegen gänzlich verboten werden. Auch gegen Falschparker, die mitten auf dem Gehweg halten, müsse endlich härter vorgegangen werden.
Gehwege in Hamburg: kaputt, zu schmal, zugeparkt
„Das ist von Bezirk zu Bezirk wirklich sehr unterschiedlich“, erzählt Tesch, während wir weiter in Richtung Eppendorf spazieren. „Manche Bezirke klammern sich förmlich an die Parkplätze und wollen keinen einzigen davon aufgeben, andere sind da nicht so empfindlich.“ In der Heiderstraße in Hoheluft-Ost etwa hat der Bezirk Hamburg-Nord das beidseitige Parken schon verboten, Autos dürfen jetzt nur noch auf einer Seite auf der Fahrbahn stehen.
Angekommen in der Wrangelstraße bemängelt die Vorsitzende das nächste Problem. „Dass die Bäume Platz weg nehmen, das ist vollkommen in Ordnung“, sagt sie. „Aber dazwischen ist wieder Platz fürs Parken gemacht worden, anstatt diese Stellen für eine Verbreiterung des Gehwegs zu nutzen.“
Hamburg: Verkehrsschilder oft mitten auf dem Trottoir
Besonders Verkehrsschilder und Straßenlaternen, mitten auf den Gehwegen, sind der leidenschaftlichen Fußgängerin ein Dorn im Auge. Häufig handelt es sich dabei um provisorisch aufgestellte Halteverbotsschilder. Eins davon steht gerade dermaßen quer auf dem Bürgersteig, das sogar eine Person Probleme hat, daran vorbeizukommen.
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„Die Fußgänger wurden in Verkehrsplanungen lange überhaupt nicht berücksichtigt“, sagt die Vorsitzende. Und das, obwohl jeder immer mal wieder zum Fußgänger wird – egal, ob er anschließend ins Auto, in die Bahn oder aufs Rad steigt: „Das ist das Problem der autogerechten Stadt, die nach dem 2. Weltkrieg auch in Hamburg etabliert wurde. Breite Straßen nur fürs Auto.“
Wie lassen sich Konflikte zwischen Rad- und Fußverkehr lösen?
Ein weiteres Problem: Radwege, die auf Bürgersteige gequetscht wurden, anstatt auf die Straße. „Das kann für Fußgänger ziemlich gefährlich werden“, so Tesch. In der Politik will man sich den Problemen jetzt endlich annehmen. „Die Konflikte zwischen Rad- und Fußverkehr lassen sich vor allem durch Flächenänderung lösen“, ist Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) überzeugt. „Haben Radfahrer ihre eigene Spur, kommen sie Fußgängern nicht mehr in die Quere. Das funktioniert am Jungfernstieg, an der Esplanade oder bei der Pop-Up-Bikelane am Schlump.“ Gehwege sollen zudem in Zukunft besser beleuchtet werden.
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Große Pläne gibt es auch für den Eppendorfer Weg. „Als wichtiger Teil der Veloroute 13 soll der Eppendorfer Weg so umgestaltet werden, dass sich die Aufenthaltsqualität und Sicherheit für zu Fuß Gehende und Radfahrende erhöht“, hieß es Anfang Januar es aus der Verkehrsbehörde. Verantwortlich dafür ist der Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG). „Wir schauen uns das Gebiet jetzt an und planen, wie wir das aufteilen können“, heißt es dort auf MOPO-Nachfrage. „Es wird eventuell Verkehrszählungen geben und wir prüfen, ob dort Protected Bikelanes oder ähnliches eingerichtet werden können.“
Vorsitzende von Fuß e.V. fordert mehr Rücksicht
Sonja Tesch ist gespannt, ob die ganzen Vorhaben auch wirkliche Verbesserungen für Fußgänger mit sich bringen. Trotz allem brauche es aber auch mehr Rücksicht. „Die Aggressionen zwischen den Verkehrsteilnehmern haben unglaublich zugenommen“, sagt sie. Die drei Kinder auf den Fahrrädern machen es jedenfalls schon einmal richtig, als sie einem entgegenkommenden älteren Herr mit Rollator auf dem Bürgersteig rechtzeitig ausweichen, warten und ihn vorbeilassen.