„Wie Enteignung“: Protest nach Heizkosten-Schock für 7500 Hamburger Haushalte
„Das ist ein finanzieller Genickbruch“, sagt Stephan Pütz und zeigt die E.ON-Heizkostenabrechnung, die er und 7500 weitere Haushalte in Lohbrügge Anfang Oktober erhalten haben. Die monatlichen Kosten für Fernwärme sind um 150 bis 400 Prozent gestiegen. Dabei kommt ein Großteil der Energie aus Holz und nicht aus Gas. Die Lohbrügger Bewohner wollen die Preisexplosion nicht akzeptieren – und ziehen vor das Kraftwerk. Sie hegen einen ganz bestimmten Verdacht gegen den Energieriesen.
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„Das ist ein finanzieller Genickbruch“, sagt Stephan Pütz und zeigt die E.ON-Heizkostenabrechnung, die er und 7500 weitere Haushalte in Lohbrügge Anfang Oktober erhalten haben. Die monatlichen Kosten für Fernwärme sind um 150 bis 400 Prozent gestiegen. Dabei kommt ein Großteil der Energie aus Holz und nicht aus Gas. Die Lohbrügger Bewohner wollen die Preisexplosion nicht akzeptieren – und ziehen vor das Kraftwerk. Sie hegen einen ganz bestimmten Verdacht gegen den Energieriesen.
Die Wut ist groß an diesem Freitagnachmittag vor dem Holzheizkraftwerk am Havighorster Weg. Hunderte Anwohner der Siedlung rund um die Häußlerstraße sind gekommen, um ihrem Unmut über die aktuelle Heizkostenabrechnung Luft zu machen. „Ich habe für die Versorgung meines Einfamilienhauses vorher 80 Euro monatlich bezahlt. Jetzt sind es 426 Euro. Außerdem wollen sie 811 Euro Nachzahlung von mir“, sagt Stephan Pütz im Gespräch mit der MOPO. Der Familienvater hat die Protestaktion vor dem Kraftwerk organisiert. Andere würde es noch viel härter treffen: „Ein Nachbar soll 1400 Euro monatlich und 4000 Euro nachzahlen“, so Pütz.
91-Jährige soll 1900 Euro Heizkosten nachzahlen
Die Fernwärme aus dem Holzheizkraftwerk am Havighorster Weg kommt zu 72 Prozent aus Holz. Nur 22 Prozent sind Gas. „Eigentlich hieß es, dass wir mit so einem geringen Gasanteil in diesen Zeiten noch gut dastehen“, sagt Stephan Pütz. „Aber diese Rechnung übertrifft die schlimmsten Erwartungen.“ Seine 91-jährige Nachbarin Hanne-Lore Nissen, die für ihre 90-Quadratmeter-Wohnung statt 169 Euro nun 834 Euro monatlich zahlen soll, hat bereits ihr Auto verkauft. Die 1900 Euro Nachzahlung wären für sie sonst nicht zu schaffen.
In diversen Schreiben an die KWA Kraftwerk Lohbrügge GmbH & Co. KG, den Betreiber des Kraftwerks, und an den Energieversorger E.ON, der die Energie zur Verfügung stellt und die Verträge führt, haben die Bewohner bereits deutlich gemacht, dass sie weder in der Lage, noch bereit sind, diese horrenden Summen zu bezahlen. Sie vermuten auch, dass der Energieversorger Profit aus der aktuellen Situation schlagen will.
Das weist E.ON auf Anfrage der MOPO zurück. Auch sie könnten sich „den Preisentwicklungen auf den Energiemärkten dauerhaft nicht entziehen.“ Denn: „Die durch Holz erzeugte Wärme, die wir im Fernheizwerk Lohbrügge zukaufen, kaufen wir nach einem sogenannten Erdgasäquivalent ein, bei dem die Einkaufspreise an die Preisentwicklung von Erdgas gekoppelt sind“, so ein E.ON-Sprecher. „Diese Vereinbarung ist mit dem Lieferanten zu einer Zeit getroffen worden, als die Beschaffung von Erdgas deutlich günstiger war als die Beschaffung von Holz. Dies hat den Kunden also jahrelang deutliche Preisvorteile verschafft.“ Jetzt habe sich dieser Effekt „leider umgekehrt“. Man sei mit den Kunden im Gespräch und biete individuelle Beratungen über eine Hotline sowie die Möglichkeit der Ratenzahlung an.
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Stephan Pütz und seine Nachbarn wollen das nicht akzeptieren. „Das kommt einer Enteignung gleich“, sagt er. „Wir werden mit unserer Öffentlichkeitsarbeit den Druck auf E.ON erhöhen, bis sie diese Forderungen zurückziehen.“ Wenn der Protest vom Freitag zu keinem Ergebnis führt, wollen sie „vor das Rathaus ziehen“.