Wie ein Suizid in Hamburgs berüchtigtem Schießclub eine Krise auslöste
In der arabischen Welt, Tausende Kilometer entfernt von Hamburg, herrscht seit ein paar Tagen große Aufregung. Der Grund: ein angeblich vertuschter Mord an einem Jordanier in Hamburg, über den arabische Medien und pro-palästinensische Influencer empört berichten. Auch das jordanische Außenministerium schaltete sich ein, die Hamburger Polizei sieht sich plötzlich massiven Anfeindungen ausgesetzt. In der Realität sieht der Fall aber deutlich anders an.
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In der arabischen Welt, Tausende Kilometer entfernt von Hamburg, herrscht seit ein paar Tagen große Aufregung. Der Grund: ein angeblich vertuschter Mord an einem Jordanier in Hamburg, über den arabische Medien und pro-palästinensische Influencer empört berichten. Auch das jordanische Außenministerium schaltete sich ein, die Hamburger Polizei sieht sich plötzlich massiven Anfeindungen ausgesetzt. In der Realität sieht der Fall aber deutlich anders aus.
Das war passiert: Am 19. Dezember rückten Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr mittags zum Hanseatic Gun Club in der Hamburger Altstadt aus. Dort sollte sich ein 21-jähriger jordanischer Staatsbürger eine tödliche Schussverletzung selbst beigebracht haben. Er wurde schwerverletzt in die Klinik gebracht, starb allerdings kurz darauf.
Schuss im Hanseatic Gun Club: Junger Mann stirbt
Es ist selten, dass die Polizei über Suizide öffentlich informiert und die Presse darüber berichtet – wegen des Nachahmereffekts. Auch die MOPO entschied sich gemäß dem Pressekodex am 19. Dezember zunächst dagegen, über den Vorfall zu berichten, so auch die meisten anderen Medien in der Stadt. Im Falle des 21-jährigen Studenten aus Jordanien hat sich diese Einschätzung mittlerweile geändert, da sein Tod große politische Wellen schlägt.
Denn das jordanische Außenministerium veröffentlichte am 23. Dezember eine Meldung über den Tod eines seiner Staatsbürger in Hamburg. Dieser werde untersucht, die Botschaft sei in Kontakt mit den deutschen Behörden und verfolge die Ermittlungen.
Zahlreiche Berichte spekulieren über Tod des 21-Jährigen
Dann kamen die arabischen Medien und pro-palästinensische Influencer ins Spiel: Sie berichteten, der 21-Jährige sei wahrscheinlich aufgrund israelkritischer Beiträge ermordet worden, die er kurz vor seinem Tod gepostet hatte. Ein Foto des Studenten mit dieser Botschaft wurde auf „X“ (früher Twitter) geteilt. „Erste Untersuchungen der Polizei weisen auf Hasskriminalität hin“, schrieb die Nutzerin „Shahd Hm“ und sprach von „staatlich subventioniertem Rassismus“. Der Tenor: Antimuslimische Gewalt werde immer schlimmer, Medien und Behörden decken die Täter.
Die Spekulationen nahmen derart zu, dass die Hamburger Polizei sich am 23. Dezember und am zweiten Weihnachtsfeiertag auf „X“ äußerte und die Darstellung als „Fake News“ zurückwies. Grundsätzlich berichte man in Anlehnung an den Pressekodex nicht über Suizide, hieß es. In Anbetracht der Gerüchte über das Tötungsdelikt wolle man sich aber äußern: „Es gibt bislang keine Hinweise auf ein Fremdverschulden oder einen politischen bzw. extremistischen Hintergrund“, stellte die Polizei klar. Das führte wiederum zu Vorwürfen der pro-palästinensischen Aktivisten, man vertusche einen Mord.
Wie der Journalist und Waffensachverständige Lars Winkelsdorf auf „X“ postete, sei die komplette Anlage des Hanseatic Gun Club videoüberwacht. „Nach meinen Informationen fand die Tat direkt beim Übungsschießen statt, die Person hielt sich die Waffe an den Kopf und drückte ab“, schrieb er.
Hilfe in schweren Stunden
Ihre Gedanken hören nicht auf zu kreisen? Sie befinden sich in einer scheinbar ausweglosen Situation und spielen mit dem Gedanken, sich das Leben zu nehmen? Hier finden Sie Beratungs- und Seelsorgeangebote:
Telefonseelsorge: Unter 0800 – 111 0 111 oder 0800 – 111 0 222 erreichen Sie rund um die Uhr Mitarbeiter, mit denen Sie Sorgen und Ängste teilen können. Auch ein Gespräch via Chat ist möglich. telefonseelsorge.de
Kinder- und Jugendtelefon: Das Angebot des Vereins „Nummer gegen Kummer“ richtet sich vor allem an junge Menschen. Erreichbar montags bis samstags von 14 bis 20 Uhr unter 11 6 111 oder 0800 – 111 0 333. Samstags nehmen die jungen Berater des Teams „Jugendliche beraten Jugendliche“ die Gespräche an. nummergegenkummer.de.
Muslimisches Seelsorge-Telefon: Die Mitarbeiter von MuTeS sind 24 Stunden unter 030 – 44 35 09 821 zu erreichen. Viele sprechen Türkisch. mutes.de
Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention: Unter suizidprophylaxe.de gibt es eine Übersicht aller telefonischer, regionaler, Online- und Mail-Beratungsangebote in Deutschland.
Der deutsche pro-palästinensische Blogger Tarek Baé, der das Thema in Deutschland wesentlich vorangetrieben hatte, postete trotzdem: „Den Behörden in Hamburg sollte klar sein: In Jordanien wird ihnen nicht geglaubt und vorgeworfen, nicht kooperativ zu sein.“ Er selbst war einmal bei der Stiftung für politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Forschung (Seta) tätig, die der türkischen Regierung nahesteht. Seinen Ursprungsbeitrag, in dem er fälschlich behauptet hatte, die Hamburger Polizei habe bestätigt, dass wegen Mordes ermittelt werde, hat er inzwischen gelöscht.
Der Schießclub, in dem sich der 21-jährige Jordanier offenbar mit einer Waffe das Leben nahm, war bereits Anfang des Jahres in die Schlagzeilen geraten. Hier erlernte Amokläufer Philipp F. das Schießen, der am 9. März sieben Menschen und sich selbst in einem Saal der Zeugen Jehovas tötete. In der Folge wies der Schießclub Vorwürfe zurück, dem 35-Jährigen unrechtmäßig zum Waffenbesitz verholfen zu haben. Die Generalstaatsanwaltschaft ermittelte gegen Mitglieder des Prüfungsauschusses, darunter auch Mitglieder des Gun Club.