„Wer plündert, wird erschossen“: Wie die Nazis auf die Zerstörung Hamburgs reagierten
Die „Geheimakte Gomorrha“: Die MOPO hatte exklusiv Gelegenheit, sie eingehend zu studieren. Polizeipräsident Hans Julius Kehrl (1892-1962) unternimmt in seinem Bericht gar nicht erst den Versuch, irgendetwas zu beschönigen. Im Gegenteil. Die Luftangriffe im Sommer 1943 seien die schlimmste Katastrophe der Stadtgeschichte. „Die Sprache versagt vor der Größe des Grauens, das zehn lange Tage und Nächte die Menschen schüttelte und dessen Spuren unauslöschlich in das Gesicht der Stadt und der Menschen geschrieben wurden.“ Kehrl schreibt vom „Heulen und Toben der Feuerstürme, vom Höllenlärm der krepierenden Bomben und von den Todesschreien gemarterter Menschen“.
Die „Geheimakte Gomorrha“ enthält auch Angaben darüber, wie rigoros die Nazi-Führung nach den Luftangriffen mit Plünderern umging: Da ist etwa von der Inhaberin einer Schneiderei die Rede, die selbst ausgebombt und bei einer Bekannten untergekommen war und dann anfing, in Ruinen Herren- und Damengarderobe und Betten zu stehlen. Sie wurde wurde erwischt, zum Tode verurteilt und am 25. September 1943 hingerichtet.
Die „Geheimakte Gomorrha“: Die MOPO hatte exklusiv Gelegenheit, sie eingehend zu studieren. Polizeipräsident Hans Julius Kehrl (1892-1962) unternimmt in seinem Bericht gar nicht erst den Versuch, irgendetwas zu beschönigen. Im Gegenteil. Die Luftangriffe im Sommer 1943 seien die schlimmste Katastrophe der Stadtgeschichte, schreibt der hochrangige SS-Offizier. „Die Sprache versagt vor der Größe des Grauens, das zehn lange Tage und Nächte die Menschen schüttelte und dessen Spuren unauslöschlich in das Gesicht der Stadt und der Menschen geschrieben wurden.“ Kehrl schreibt vom „Heulen und Toben der Feuerstürme, vom Höllenlärm der krepierenden Bomben und von den Todesschreien gemarterter Menschen“.
Die „Geheimakte Gomorrha“ enthält auch Angaben darüber, wie rigoros die Nazi-Führung nach den Luftangriffen mit Plünderern umging: Da ist etwa von der Inhaberin einer Schneiderei die Rede, die selbst ausgebombt und bei einer Bekannten untergekommen war und dann anfing, in Ruinen Herren- und Damengarderobe und Betten zu stehlen. Sie wurde wurde erwischt, zum Tode verurteilt und am 25. September 1943 hingerichtet.

Nach den Bombenangriffen auf Hamburg galt: „Wer plündert, wird erschossen!“ Tatsächlich wurden etliche Todesurteile gesprochen und vollstreckt: Ein SA-Mann, der in Häusern der Straße An der Alster plünderte, die Frau eines Tierarztes, die Gegenstände aus einer Nachbarwohnung in ihren Besitz brachte, ein Büroangestellter, der in einer ausgebombten Wirtschaft ein Radio und Zigaretten an sich nahm, ein Schlosser, der in der Tarpenbekstraße mit zwei fremden Fahrrädern angetroffen wurde, ein 72-jähriger Rentner, der zwei Paar Schuhe, fünf Krawatten und zwei silberne Damenuhren entwendete – sie alle bezahlten mit ihrem Leben. Und dies sind nur ein paar Beispiele.
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Eindrucksvoll sind die in der Akte enthaltenen Berichte, in denen Menschen schildern, wie sie dem Feuersturm entkamen. Den Texten ist anzumerken, dass den Verfassern der Schrecken noch in den Gliedern steckte, als sie ihre Erinnerungen niederschrieben: „… Die Feuersbrunst hatte eine Gewalt von Windstärke 10“, berichtet ein Feuerwehrmann, der die Nacht vom 27. auf den 28. Juli 1943 – die Nacht des Feuersturms – in Hammerbrook erlebte. „Das Treppenhaus stand in Flammen und stürzte ein. Qualm und Dreck wurden durch eine Detonation in den Keller gedrückt. Dieser Zustand wurde nunmehr unerträglich. Wir versuchten, die Brandmauer zum Nebenkeller zu durchbrechen, stellten aber fest, dass es im Nebenkeller ebenfalls brannte. Am Kellerausgang schlugen die Flammen mit solchem Druck herein, dass drei Männer die Tür nicht halten konnten. Ich habe dann die anderen aufgefordert, sich mit Decken und Mänteln zu versehen und den Keller zu verlassen. Die Hausbewohner hatten großes Vertrauen zu meinem Handeln, doch hatten sie keine Ahnung, was ihnen noch bevorstand und durch welche flammende Hölle sie sich noch durchkämpfen mussten…“
„Höllenlärm krepierender Bomben, Todesschreie gemarterter Menschen“

„Das Haus brannte lichterloh vom Boden bis zur Haustür. Das Verlassen des Kellers verlief vollkommen diszipliniert“, schreibt Erika Wilken aus Hamm. „Draußen war bereits die Hölle los. Die Losung lautete: Deckung, Deckung. Wir sind deshalb in die kleine Bedürfnisanstalt unter dem Grevenweg am Ende der Kanalbrücke geflüchtet. Nach wenigen Minuten war die gesamte Toilette von 80 bis 100 flüchtenden Menschen überfüllt. Im Wasserkasten eines Klos fanden wir zum Glück Wasser vor. Mein Mann hat ungefähr eine halbe Stunde auf dem Beckenrand gestanden und nur Tücher nass gemacht. Fürchterliche Szenen spielten sich ab, sahen wir doch alle unseren sicheren Tod vor Augen, denn der einzige Ausgang war ein Flammenmeer und wir waren gefangen wie die Maus in der Falle…“
„Flammenmeer vor dem Ausgang: Gefangen wie die Maus in der Falle“
Ein Feuerwehrmann berichtet, was sich auf der Trabrennbahn Farmsen ereignete: „Die durch die Brände wild gewordenen Tiere tollten unter dauerndem Gewieher auf der Rennbahn umher und versuchten immer wieder, zu den brennenden Ställen durchzubrechen. Zwei Drittel der Mannschaft war zunächst einmal erforderlich, die Pferde am Durchbrechen zu hindern, bis es nach großen Mühen gelang, durch Wagen und Karren und Balken die Zugänge zu versperren.“ Bilanz des Einsatzes: 200 Pferde wurden gerettet, 25 Pferde verbrannten, zwei mussten am nächsten Tag notgeschlachtet werden.
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„Die sibirischen Tiger waren unter den Fußboden gekrochen und wurden hier später erschossen“, heißt es in einem Bericht des Tierparks Hagenbeck, der am 25. Juli 1943 von britischen Bombern angegriffen wurde. „Mit Ausnahme von zwei Jaguaren, die sich in den Außenkäfigen befanden und erschossen wurden, sind alle anderen Raubtiere im Raubtierhaus verbrannt. Drei Wagen mit Raubtiergruppen wurden gerettet und sind, nachdem sie am zweiten Tag in Hamburg nach Wien verladen waren, auf einem Hamburger Bahnhof dem zweiten Angriff zum Opfer gefallen. Die Wisente und die alte Rotbüffelkuh wurden unter den Häusern begraben. Die junge Rotbüffelkuh wurde morgens im Tierpark erschossen. Der Bulle gelangte durch die zerstörte Tierparkeinfriedung in die Kaiser-Friedrich-Straße und wurde hier von einem Polizeiwachtmeister umgelegt.“