Wer hinter den Corona-Protesten in Hamburgs Stadtteilen steckt
Seit Monaten protestieren Gegner der Corona-Schutzmaßnahmen in Hamburg. Neben den Großdemos gibt es nun auch fast täglich „Spaziergänge“ in Hamburgs Stadtteilen – teils mit Hunderten Teilnehmern und oft unangemeldet. Die Polizei warnt die Protestierenden deshalb vor dem Begehen einer Straftat und versucht, gegen die Demos vorzugehen. Anmelder gibt es oft nicht, Organisatoren bleiben im Verborgenen. Die MOPO erklärt, wie die Proteste organisiert werden und wer führende Köpfe der Bewegung in Hamburg sind.
Wer sich dieser neuen Protestbewegung nähern will, kommt an der berüchtigten App „Telegram“ nicht vorbei. Hier organisieren sich diverse Gruppen mit bis zu 10.000 Teilnehmern, die sich aus verschiedenen Strömungen speisen: Esoterik, Verschwörungstheorien, Antisemitismus, Fake News, aber vor allem Wut auf „die da oben“ treibt viele Protestierende an. Und doch gibt es leitende Figuren.
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Seit Monaten protestieren Gegner der Corona-Schutzmaßnahmen in Hamburg. Neben den Großdemos gibt es nun auch fast täglich „Spaziergänge“ in Hamburgs Stadtteilen – teils mit Hunderten Teilnehmern und oft unangemeldet. Die Polizei warnt die Protestierenden deshalb vor dem Begehen einer Straftat und versucht, gegen die Demos vorzugehen. Anmelder:innen gibt es oft nicht, Organisator:innen bleiben im Verborgenen. Die MOPO erklärt, wie die Proteste organisiert werden und wer führende Köpfe der Bewegung in Hamburg sind.
Wer sich dieser neuen Protestbewegung nähern will, kommt an der berüchtigten App „Telegram“ nicht vorbei. Hier organisieren sich diverse Gruppen mit bis zu 10.000 Teilnehmern, die sich aus verschiedenen Strömungen speisen: Esoterik, Verschwörungstheorien, Antisemitismus, Fake News, aber vor allem Wut auf „die da oben“ treibt viele Protestierende an.
Wie eine Frau aus Wandsbek die Corona-Proteste in Hamburg antreibt
Und doch gibt es leitende Figuren. Eine alte Bekannte ist Selina Fullert. Sie war bis zum 1. Mai diesen Jahres die Pressesprecherin von Querdenken40 und stieg laut eigener Pressemitteilung wegen der „immer härter werdenden Repressalien für legale Demonstrationen” aus. „Querdenken“ wird mittlerweile bundesweit vom Verfassungsschutz beobachtet.
Die zweifache Mutter aus Wandsbek, ehemals angestellt bei der Handwerkskammer, teilt fleißig Verschwörungstheorien und Falschinformationen auf ihrem Telegram-Kanal, der immerhin mehr als 1000 Abonnent:innen hat. Dort teilt sie z.B. Aufrufe an Reichsbürger, Querdenker, Hells Angels usw., sich doch bitte zu vereinen.
Corona-Proteste in Hamburg: Gewalt wird salonfähiger
Bisher sind die Proteste friedlich, doch die Behörden sehen sie mit Sorge. „In Hamburg ist der überwiegende Teil des Protestes derzeit noch nicht extremistisch, und auch Rechtsextremisten und Reichsbürger stellen wir als Mitläufer fest, diese wirken aber nicht steuernd oder prägend, aber wir registrieren sehr aufmerksam manch aggressive Intonierung und auch das wiederkehrende Widerstands-Narrativ“, sagt der Verfassungsschutz zur MOPO. Die „Querdenker“-Szene soll künftig noch stärker beobachtet werden.
Immer wieder kommt es auch in den Hamburger „Telegram“-Gruppen der Protestbewegung zu Gewaltaufrufen – doch diese werden stets schnell unterbunden. Fraglich ist aber, ob aus Überzeugung oder Kalkül. Denn die Begründung ist meist, dass man es den „Feinden“ nicht leichter als nötig machen will. So schreibt ein Nutzer: „Sie haben Angst vor friedlichem Protest, denn Gewaltprotest lässt sich schnell auflösen.“
Livestreams nach Corona-Protesten in Hamburg
Auch Fullert verbreitete vergangene Woche Aufrufe zu friedlichen, aber nicht angemeldeten „Spaziergängen“ in Hamburg, wollte selbst einen in Wandsbek besuchen. Später nahm sie an einer Online-Diskussion teil. Ein weitere Gast: Eugen Urich, in der Szene seit längerem bekannt. In Sibirien geboren, kam der Russlanddeutsche 1996 nach Deutschland und war zunächst ein unscheinbarer Liedermacher – bis Corona kam.
Wer organisiert die Corona-Proteste in Hamburg?
Bei den Großdemos war er zuletzt als Fahrer des Lautsprecherwagens und auch als Redner zu sehen. Vor einiger Zeit wurde sein Auto beschädigt – Urich vermutete linke Aktivisten dahinter und drohte öffentlich mit seiner bereits „eingeschalteten russischen Community“, die Namen, Adressen, Gesichter der Täter herausfinden werde.
Videos von Ulrichs Demo-Auftritten sind auf dem Kanal von „Ehrenfrau TV“ zu sehen. Betrieben wird der Kanal von der Hamburgerin Juni Malsiner. Auch ihr Folgen im Netz auf YouTube, Facebook, Instagram und Telegram jeweils Tausende. Inwieweit genau Malsiner organisatorisch in die Bewegung ist, bleibt wie bei Ulrich und Fullert im unklaren. Doch ihre Äußerungen deuten einen engen Kontakt zu den Organisator:innen an. So reagiert sie auf ihrem Kanal auf die Beschwerden ihrer Anhänger:innen, dass die für Anfang Januar geplante Großdemonstration in Hamburg zu spät komme. In ihrer Nachricht entschuldigt sie den Zeitpunkt damit, dass die Organisation der Proteste sehr aufwendig sei und man nur begrenzte personelle Ressourcen habe.
Der Januar dürfte zeigen, wohin sich Hamburgs Corona-Protestszene entwickelt. Hamburgs Politik ist alarmiert. Innensenator Andy Grote (SPD): „Es besteht die Gefahr, dass sich der Protest selbst radikalisiert. Das Opfer-Narrativ ist sehr ausgeprägt. Und je näher beispielsweise eine Impfpflicht rückt, desto unversöhnlicher wird der Ton.“