„Weltfremd! Grotesk!“ In Hamburg gehen jetzt die Ärzte aufeinander los
Der Streit um die überfüllten Notaufnahmen eskaliert, die Kassenärztliche Vereinigung Hamburg (KVH) schäumt und nennt die Vorwürfe der Asklepios-Kliniken „weltfremd“ und „an Absurdität kaum zu überbieten“. Es geht um die Frage, ob die niedergelassenen Ärzte ihre Kollegen in den Notaufnahmen in der dramatischen Lage derzeit alleine lassen – und die Lobby der Kassenärzte kämpft mit harten Bandagen.
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Der Streit um die überfüllten Notaufnahmen eskaliert, die Kassenärztliche Vereinigung Hamburg (KVH) schäumt und nennt die Vorwürfe der Asklepios-Kliniken „weltfremd“ und „an Absurdität kaum zu überbieten“. Es geht um die Frage, ob die niedergelassenen Ärzte ihre Kollegen in den Notaufnahmen in der dramatischen Lage derzeit alleine lassen – und beide Seiten kämpfen mit harten Bandagen.
Mit einem dramatischen Hilferuf hatten die Asklepios-Kliniken sich an die Politik gewandt: Die Versorgung der Patienten in den Notaufnahmen sei gefährdet, die Not sei größer als zu den schlimmsten Pandemiezeiten. An dem drohenden Kollaps seien aber teilweise auch die niedergelassenen Kollegen Schuld: Viele Patienten, die eigentlich keine Notfälle sind, tauchen in den Notaufnahmen auf, weil sie in den Praxen keine Termine bekommen. „Einmal mehr werden die Krankenhäuser in die Verantwortung genommen, während niedergelassene Haus- und Fachärzte keinen zusätzlichen Anteil an der Versorgung der Notfälle – oder scheinbaren Notfälle – beitragen müssen“, so Dr. Sara Sheikhzadeh, langjährige Leiterin der Asklepios-Notaufnahmen Harburg und St. Georg.
Auch Arztpraxen sind derzeit überfüllt
Die Praxen halten sich raus? Das weist KVH-Chef John Afful entrüstet zurück: „Die Behauptung von Asklepios, dass die Krankenhäuser die aktuelle Ausnahmesituation überwiegend alleine stemmen würden, ist an Absurdität kaum zu überbieten. Die Praxen der Haus- und Kinderärzte und vieler Fachärzte sind derzeit überfüllt, die Praxisteams am Limit.“ Die Vorwürfe seien „weltfremd und unsinnig“.
Asklepios hatte unter anderem gefordert, dass der Rettungsdienst nicht nur die Krankenhäuser, sondern auch die Notfallpraxen und Versorgungszentren der KV anfahren sollte. Die seien aber die falsche Adresse, entgegnet Afful: „Wer vom Rettungsdienst mitgenommen wird, ist kein Fall für die ambulante Versorgung, sondern für das Krankenhaus.“ Und setzt bissig hinzu: „Der Asklepios-Konzern soll bitte seine ureigenen Aufgaben selbst erfüllen und nicht versuchen, diese auf andere abzuwälzen.“ Die niedergelassenen Ärzte hätten die Versorgung von Notfällen bereits massiv ausgebaut, so der KVH-Chef.
„Im Gegensatz zu den Krankenhäusern erhält das ambulante System dabei keinerlei Unterstützungspakete“, ergänzt Dr. Dirk Heinrich. Der HNO-Arzt ist Vorsitzender der Vertreterversammlung der KVH, wurde als Leiter des Hamburger Impfzentrums bundesweit bekannt – und giftet in Richtung Klinikkonzern: „Wir können uns nicht einfach von der Versorgung abmelden, so wie es die Krankenhäuser im Rettungsdienst gern tun. Die Vorwürfe von Asklepios sind wirklich grotesk.“
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Zum Schluss wird es doch noch versöhnlich seitens der Kassenärztlichen Vereinigung. Schuld an der Misere sei die falsche Gesundheitspolitik der Bundesregierung: „Seit Jahren weisen wir auf einen Ärztemangel hin“, so HNO-Arzt Heinrich: „Außerdem fordern wir seit Jahren die volle Vergütung aller erbrachten Leistungen. So lange die Politik diese Kernprobleme nicht abschafft, wird sich die Situation verschärfen. Das, was wir jetzt erleben, ist erst der Anfang.“