9-Euro-Ticket führt laut HVV zu mehr Autoverzicht – das sehen nicht alle so
Selten stieß eine Initiative der Bundesregierung auf so viel Begeisterung wie das 9-Euro-Ticket. Plötzlich ist das Reisen mit Bussen und Bahnen billig und unkompliziert. Bundesweit wird bereits über Nachfolgepläne diskutiert. Die offene Frage bleibt: Hat das 9-Euro-Ticket einen maßgeblichen Effekt auf den Autoverkehr? Der HVV sagt ja, doch es gibt auch Kritik: Die Zahlen seien zu optimistisch interpretiert worden.
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Selten stieß eine Initiative der Bundesregierung auf so viel Begeisterung wie das 9-Euro-Ticket. Plötzlich ist das Reisen mit Bussen und Bahnen billig und unkompliziert. Bundesweit wird bereits über Nachfolgepläne diskutiert. Die offene Frage bleibt: Hat das 9-Euro-Ticket einen maßgeblichen Effekt auf den Autoverkehr? Der HVV sagt ja, doch es gibt auch Kritik: Die Zahlen seien zu optimistisch interpretiert worden.
Für Hamburgs Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) und HVV-Chefin Anna-Theresa Korbutt ist das 9-Euro-Ticket bereits jetzt eine Erfolgsgeschichte (die MOPO berichtete): Im HVV-Gebiet wurden bis Anfang August insgesamt 1,8 Millionen 9-Euro Tickets verkauft, die Fahrgastzahlen übertrafen im Juni 2022 erstmals die vom Juni 2019 – also der Vor-Corona-Zeit.
Mit Blick auf die Mobilitätswende lassen sich die Zahlen auch sehen, finden Tjarks und Korbutt: 54 Prozent der Ticketkäufer im HVV-Bereich gaben an, dass sie ihr Auto seit dem 1. Juni seltener genutzt haben und zwölf Prozent haben Fahrten, die sie sonst mit dem Auto unternommen hätten, nun mit dem HVV gemacht. Wie ein Pressesprecher der Verkehrsbehörde gegenüber der MOPO bestätigt, ist das ein „sehr hoher Wert, gerade auch im Vergleich zu früheren Aktionen“.
Hamburg: 9-Euro-Ticket sorgt für gute Fahrgastzahlen
Wichtig ist hierbei, dass sich die Prozentangaben auf Fahrten im HVV beziehen. Bedeutet: Von insgesamt 100 Prozent HVV-Fahrten sind zwölf Prozent der Fahrten aus einer Verlagerung vom Pkw zum ÖPNV entstanden.
Mit Blick auf die Autofahrten als Grundlage der Berechnungen sind die Prozentzahlen deutschlandweit – und auch in Hamburg – deutlich geringer: „Aus den bisherigen Untersuchungen lässt sich nur ein leichter Verlagerungseffekt von der Straße auf den Öffentlichen Verkehr von bestenfalls zwei bis drei Prozent erkennen“, sagt Bahnexperte Christian Böttger von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW). Diese Zahlen sind auch auf Hamburg übertragbar, so der Sprecher der Verkehrsbehörde.
9-Euro-Ticket: Leichte Verlagerung vom Pkw auf den ÖPNV
Diese zwei bis drei Prozent hören sich erstmal extrem wenig an, machen aus Sicht der Behörde aber durchaus einen Unterschied: Es gäbe dadurch weniger Stau und CO2-Emissionen. „Eine Veränderung von diesem Ausmaß hätte zuvor eher Jahrzehnte in Anspruch genommen“, sagt der Sprecher.
Die Datenlage ist bislang noch dünn, doch die genannten Zahlen legen nahe, dass der Autoverkehr durch das 9-Euro-Ticket tatsächlich ein Stück weit reduziert wurde – was gut für Umwelt und Klima ist. Zu dieser Einschätzung kommt auch eine Untersuchung des Verkehrsdatenunternehmens TomTom, die von der „Zeit“ in Auftrag gegeben wurde. Die Analytiker haben Daten aus Navigationsgeräten und Handys von Autofahrern ausgewertet. Nach eigenen Angaben kann das Unternehmen so jederzeit den Aufenthaltsort etwa jedes vierten Fahrzeugs bestimmen – das reicht zumindest für eine Stichprobe. Es lässt sich erkennen, wann und wo besonders viele Autos auf der Straße sind.
TomTom untersucht Hamburger Straßenverkehr
TomTom hat hierbei den Hamburger Straßenverkehr im Mai (also vor der Einführung des 9-Euro-Tickets) mit dem Verkehr im Juni in 37 Stadtteilen verglichen. Das Ergebnis: Im Juni waren weniger Autos unterwegs als im Mai, fast immer und überall. Werktags nahm der Verkehr in 35 der 37 Stadtteile ab, meist im einstelligen Prozentbereich, manchmal etwas mehr. Am Wochenende waren die Unterschiede geringer, in einigen Stadtteilen nahm der Verkehr sogar geringfügig zu. Dennoch zeigt sich eine klare Tendenz: weniger Straßenverkehr nach der Einführung des 9-Euro-Tickets.
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Eine Ausnahme ist St. Pauli: Hier verringerte sich der Stoßverkehr zwar ähnlich wie im Rest der Stadt, doch der gesamte Verkehr wuchs hier im Tagesverlauf, einschließlich am Abend und in der Nacht – nicht verwunderlich bei einem Party- und Ausgehviertel im Sommer. Die andere Ausnahme sind die Dörfer der Vier- und Marschlande im Osten der Stadt, wo der HVV nur sehr eingeschränkt vertreten ist. Zwischen Dove- und Norderelbe hat sich der Werktagsverkehr seit Einführung des Tickets kaum verringert, in Ochsenwerder nahm er sogar zu.
Die Untersuchung zeigt also auch, dass der Erfolg des 9-Euro-Tickets mit dem Angebot des HVV verbunden ist. Der Autoverkehr geht dort zurück, wo öffentliche Verkehrsmittel eine gute Alternative sind.