Farb-Anschlag auf Gedenkstein für Hamburger Nazi-Arzt
Seit vielen Jahren wird um diesen Stein gestritten: An der Ecke Uferstraße und Finkenau steht ein Felsen, der an den Nazi-Arzt Julius Fressel erinnert. Nun wurde ein Farbanschlag auf den Gedenkstein verübt. Was steckt dahinter?
Seit vielen Jahren wird um diesen Stein gestritten: An der Ecke Uferstraße und Finkenau steht ein Felsen, der an den Nazi-Arzt Julius Fressel erinnert. Nun wurde ein Farbanschlag auf den Gedenkstein verübt. Was steckt dahinter?
Blutrote Farbe und das in schwarz gesprühte Wort „Nazi“ verdecken die ursprüngliche Inschrift auf der steinernen Säule. Nur ein Teil des Namens wurde nicht übermalt: „Fresse“ ist noch zu lesen. Statt „Fressel“.
Zwei Tage vor dem internationalen Holocaust-Gedenktag am 27. Januar, der an die Befreiung des NS-Vernichtungslagers Auschwitz erinnert, wollten die unbekannten Täter mit ihrer Aktion offensichtlich ihren Unmut über das Denkmal zum Ausdruck bringen. Denn: Der Arzt Julius Fressel (1857-1947) war ein glühender Nationalsozialist.
Julius Fressel koordinierte während der Nazizeit die Zwangssterilisation hunderter Frauen
Als Leiter der ehemaligen Frauenklinik Finkenau war er verantwortlich für die Zwangssterilisation hunderter Frauen auf Grundlage des „Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“. Auch 545 Zwangsarbeiterinnen aus Polen und der Sowjetunion wurden von Fressel und seinen Leuten zur Abtreibung gezwungen. Neugeborene Kinder von Zwangsarbeiterinnen wurden durch systematische Vernachlässigung getötet.
Schon lange stören sich Anwohner und geschichtsinteressierte Bürger deshalb an dem Stein mit der Aufschrift „Zum Gedenken Prof. Dr. Julius Fressel“. Als 2010 auf Antrag der CDU auch noch eine Straße nach dem Nazi-Arzt benannt wurde, war die Empörung groß.
„Nicht nachvollziehbar“: Bezirkspolitiker kritisiert Farbattacke auf Gedenkstein
Nach langem Ringen wurde die Straße schließlich nach einer jüdischen Lehrerin in Dorothea-Bernstein-Weg umbenannt, der „Stein des Anstoßes“ wurde um eine Gedenktafel erweitert, welche die Verbrechen Julius Fressels‘ erklärte.
Manch einem reichte das nicht. „Man hätte die Aufschrift auch ändern können in: ,Zum Gedenken an die Opfer von Julius Fressel‘“, findet der Unterhaltungskünstler Parsifal von Pallandt. Seiner Meinung nach sei die historische Einordnung auf der Tafel zu kurz gefasst. Für den Farbanschlag hat von Pallandt daher ein gewisses Verständnis: „,Nazi-Fresse‘ – das ist zumindest kreativ“, findet von Pallandt. Mit der Attacke selbst habe er aber nichts zu tun.
Möglicherweise ist die Aktion auch von Studenten der Hochschule für bildende Künste gleich um die Ecke ausgegangen. Deren Mitwirkung an der Gedenktafel war vor fünf Jahren zumindest vom Bezirksamt angeregt worden. Realisiert wurde die Tafel dann allerdings von der städtischen Sprinkenhof AG.
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Für den Grünen Christoph Reiffert, Vorsitzender des Regionalausschusses Barmbek-Uhlenhorst-Hohenfelde-Dulsberg, ist der Farbanschlag dagegen nicht nachvollziehbar. „Im Regionalausschuss bestand kein Zweifel daran, dass die Person Fressel kritisch eingeordnet werden müsse. Daher ist zu begrüßen, dass eine entsprechende Tafel vor dem alten Gedenkstein angebracht wurde.“
Man habe sich damals gegen eine Entfernung des Steins entschieden, weil das die Erinnerung an die Verbrechen getilgt hätte. Durch die Tafel gelinge nun eine historische Einordnung. Reiffert: „Ich kann nicht nachvollziehen, wieso ausgerechnet der Teil der Tafel, der Fressels Verstrickung in die NS-Ideologie benennt, unkenntlich gemacht wurde.“