Von wegen frohes Fest: „Weihnachten ist für uns die Hölle!“ Paketbote klagt an
Paketzusteller Michael Radler (Name geändert) gehört zu denen, die während der Corona-Pandemie als „systemrelevant“ beklatscht wurden: Bis zu 360 Pakete, die in Hamburg verteilt werden müssen, liegen täglich in seinem gelben Sprinter. Michael Radler hat in den vergangenen Jahrzehnten die ganze Branche kennengelernt und berichtet von grausigen Zuständen – von Druck, Überwachung und Ausbeutung. Denn während Hamburger ungeduldig auf ihre Weihnachtspakete warten, ist in der Zustellerbranche die Hölle los.
- Deutsch (Deutschland)
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Paketzusteller Michael Radler (Name geändert) gehört zu denen, die während der Corona-Pandemie als „systemrelevant“ beklatscht wurden: Bis zu 360 Pakete, die in Hamburg verteilt werden müssen, liegen täglich in seinem gelben Sprinter. Michael Radler hat in den vergangenen Jahrzehnten die ganze Branche kennengelernt und berichtet von grausigen Zuständen – von Druck, Überwachung und Ausbeutung. Denn während Hamburger ungeduldig auf ihre Weihnachtspakete warten, ist in der Zustellerbranche die Hölle los.
Vor einigen Tagen wurde bei der Deutschen Post DHL der Einlieferungsrekord geknackt: Mehr als elf Millionen Pakete an nur einem Tag. Michael Radler ist seit Jahrzehnten bei der Deutschen Post DHL in Hamburg beschäftigt, zu seinem Schutz hat die Redaktion seinen Namen geändert.
Eines war in all den Jahren gleich: „Die Weihnachtszeit ist für uns die Hölle. Das beginnt mit der sogenannten Black Week im November.“ Bis zu 360 Pakete müsse er in diesen Zeiten täglich ausliefern, normalerweise seien es um die 150. Dem widerspricht auch das Unternehmen auf MOPO-Nachfrage nicht.
Hermes und Amazon: „Arbeitsbedingungen inakzeptabel“
„Das ist machbar, weil die Bezirke zur Weihnachtszeit kleiner geschnitten werden und man weniger fahren muss“, sagt er. „Aber der Stress und der Druck sind groß. Zumal kaum neue Mitarbeiter nachkommen und wir einen hohen Krankenstand haben.“ Und: „Als langjähriger Mitarbeiter werde ich gut bezahlt. Bei den jüngeren Kollegen ist das Geld dagegen oft knapp.“
Bei der „ehemaligen Bundespost“ seien die Arbeitsbedingungen aber vergleichsweise human, sagt Radler: bezahlte Überstunden, Tarifverträge und ein freundliches Miteinander.
Viel schlimmer ergehe es den „Kollegen von der Konkurrenz“, für die er sich als Gewerkschaftsmitglied ebenfalls einsetzt – zum Beispiel Hermes und Amazon. „Die Arbeitsbedingungen dort sind inakzeptabel“, sagt Radler. „Menschen mit wenig Deutschkenntnissen werden ausgenutzt. Per GPS werden sie überwacht und bei ineffizienter Arbeit droht ihnen die Kündigung. Damit eine Firma Profit machen kann, muss es Leidtragende geben – und das sind eben oft die von Subunternehmen beschäftigten Zusteller.“
Vorwürfe eines Paketboten: Das sagen die Unternehmen
Amazon kennt diese Vorwürfe und verteidigt sich auf MOPO-Nachfrage. „Die erwähnten Zustände entsprechen in keiner Weise der Realität für die tausenden von Menschen, die bei Lieferpartnern in ganz Deutschland beschäftigt sind und täglich Pakete an Amazon Kund:innen ausliefern“, sagt ein Sprecher. „Wir stellen hohe Anforderungen an die Unternehmen, die mit uns zusammenarbeiten, und die überwiegende Mehrheit sind großartige, zuverlässige Partner.“
Die Unternehmen müssten sich an Gesetze halten, Überstunden würden ausgeglichen und es gebe eine Fahrer-Hotline, bei der auch anonym Verstöße angezeigt werden könnten. Hilfsangebote stünden „in verschiedenen Sprachen“ zur Verfügung. Doch die Vorwürfe sind bekannt: Michael Radler ist längst nicht der Erste, der darüber berichtet.
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Und Hermes? Wie auch Amazon weist das Unternehmen die Vorwürfe von sich: „Die Einhaltung von Arbeits- und Pausenzeiten nehmen wir grundsätzlich sehr ernst und überprüfen dies auch regelmäßig im Rahmen der Auditierung unserer Servicepartner.“ Auch den Vorwurf der GPS-Überwachung weist Hermes zurück. Wenn es bei Servicepartnern etwas zu beanstanden gebe und es nicht sofort behoben werde, trenne sich Hermes „in aller Konsequenz von dem betreffenden Partnerunternehmen“.
Michael Radler fällt dazu nur eines ein: „Die Leistung der Kollegen ist enorm. Chapeau, dass sie überhaupt noch jeden Tag zur Arbeit fahren.“