Wegen Wohngeld: Experten fürchten Chaos in Hamburgs Verwaltung
Ab Januar werden zusätzlich viele tausend Hamburger Anspruch auf Wohngeld haben, und das, obwohl die Ämter bereits jetzt die Flut der Anträge kaum bewältigen können. Experten warnen nun vor Chaos am Jahresbeginn. Besonders ein Hamburger Bezirk fällt derzeit durch extrem lange Bearbeitungszeiten auf.
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Ab Januar werden zusätzlich viele tausend Hamburger Anspruch auf Wohngeld haben, und das, obwohl die Ämter bereits jetzt die Flut der Anträge kaum bewältigen können. Experten warnen nun vor Chaos zu Jahresbeginn. Besonders ein Hamburger Bezirk fällt derzeit durch extrem lange Bearbeitungszeiten auf.
„Ich befürchte chaotische Zustände, denn schon jetzt sind Teile der Verwaltung, vor allem die Wohngeld- und Grundsicherungsämter komplett überlastet“, sagt Klaus Wicher, Hamburger Landeschef des Sozialverbands Deutschland (SoVD). Seit längerem häufen sich die Beschwerden beim Hamburger SoVD über die schleppende Arbeit in der Verwaltung: „Uns liegt beispielsweise ein Schreiben vom Wohngeldamt Altona vor, in dem mitgeteilt wird, dass der Antrag frühestens in 20 bis 22 Wochen bearbeitet werden könne.“ 22 Wochen, das heißt: Ein Antrag, der jetzt beim Wohngeldamt Altona eingereicht würde, wäre erst nächstes Jahr zu Ostern bearbeitet – und der Januar-Ansturm hat noch nicht einmal begonnen.
Wohngeld: Hoher Andrang in Altona
Auf MOPO-Nachfrage verweist eine Sprecherin des Bezirksamtes auf die aktuell „überdurchschnittlich hohen Fallzahlen“ und betont: „Das Bezirksamt Altona erzielt trotz aller Belastungen eine überdurchschnittlich hohe Erledigungsquote.“ Man versuche, die Wohngeldstelle durch Kollegen aus anderen Abteilungen zu entlasten.
Bundesweit haben ab Januar statt wie bisher 600.000 Haushalte rund zwei Millionen ein Anrecht auf Wohngeld. Auf Hamburger Zahlen umgerechnet heißt das: Aus aktuell 12.045 Haushalten werden mehr als 36.000. „Da rollt eine große Antragswelle auf uns zu“, sagt Martin Helfrich, Sprecher der Sozialbehörde.
Auf Initiative von Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) richtet die Stadt nun auf die Schnelle eine zentrale „Wohngeld-Task Force“ mit 100 zusätzlich (und unbefristet!) eingestellten Fachkräften in der Sozialbehörde ein, die sich um die tausenden Neu-Anträge kümmern soll – quasi ein Bollwerk, das die ganz große Flut von den schon ächzenden Bezirken fernhalten soll. Bereits jetzt ist eine Hotline für alle Wohngeldfragen eingerichtet: 040 428 28 6000, werktags, 8 bis 17 Uhr.
Die Ämter vor Ort sollen sich auf die Bestandskunden konzentrieren, deren Anträge auch alle neu bearbeitet werden müssen, weil alle Empfänger mehr Geld bekommen.
Dass die gutgemeinte Wohngeld-Reform mit heißer Nadel gestrickt ist (angesichts der Energiepreise sollte Geringverdienern schnell geholfen werden), das ist auch den Erfindern in Berlin bekannt. „Es wird natürlich knirschen und knarzen, das geht gar nicht anders“, erklärte Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) vor wenigen Tagen. Man stehe vor einem „riesigen Aktenberg“, sagte die Ministerin der „Bild“. Betroffene, die ihren Antrag im Januar stellen, könnten erst im März mit Geld rechnen, wobei die Monate Januar und Februar rückwirkend mit ausgezahlt würden.
Wohngeld: Kommen Pauschalen wie bei Corona?
Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes Gerd Landsberg fordert deutliche Vereinfachungen: „Ich plädiere für eine pauschalierte Abschlagszahlung wie bei den Corona-Hilfen. Die genaue Prüfung der Anträge und die Einkommensermittlung erfolgt dann später.“
Auch der Bundesverband der Verbraucherzentralen warnt: „Da droht zum Jahresanfang ein Ämter-Chaos, so dass Menschen wochen- oder sogar monatelang auf die Bearbeitung und Auszahlung des Wohngeldes warten müssten”, so Verbandschefin Ramona Pop in mehreren Interviews.
Hamburg versucht, sich mit gut 100 zusätzlichen Sachbearbeitern auf den Kraftakt vorzubereiten, wie aus dem Umfeld der Stadtentwicklungsbehörde zu erfahren ist. Die Stellen (Verdienst bis zu 48.000 Euro im Jahr) sind bereits ausgeschrieben, einige neue Kolleginnen und Kollegen wurden auch schon eingestellt.
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Ende 2021 haben insgesamt 12.045 Hamburger Haushalte Wohngeld bezogen. Sie zahlen durchschnittlich 589 Euro Miete, die Unterstützung betrug im Schnitt 224 Euro. Ohne Wohngeld müssten diese Haushalte die Hälfte ihres Einkommens für die Miete aufbringen, mit dem Wohngeld sinkt der Anteil auf 30 Prozent.
Ab Januar soll das Wohngeld außerdem von derzeit 180 auf 370 Euro erhöht werden (bundesweite Durchschnittswerte). Bereits im Jahr 2021 zahlte Hamburg die Rekordsumme von rund 36 Millionen Euro für Wohngeld aus. Damit die Reform in Kraft treten kann, muss Ende November noch der Bundesrat zustimmen.