Klimawandel frisst Harburger Traditions-Werft
Elegante Holzboote aus feinster Handarbeit: Seit 100 Jahren baut die Familie Knief in Harburg Jollen und Jachten. Es sind die berühmten Elb-H-Jollen und Segler vom Typ Nordwind 32, die im Sommer über Alster und Elbe fegen. Jetzt ist der Traditionsbetrieb in Gefahr: Die Stadt will den Deich neben der Werft erhöhen – und die Werkshalle abreißen. Für Peter Knief (80) bedeutet das das Ende seines Lebenswerks.
Nur ein paar Schritte liegen zwischen dem Deich und der blauen Werkshalle der Bootswerft Peter Knief westlich der Alten Süderelbbrücke. Und diese kurze Distanz ist genau das Problem.
Elegante Holzboote aus feinster Handarbeit: Seit 100 Jahren baut die Familie Knief in Harburg Jollen und Jachten. Es sind die berühmten Elb-H-Jollen und Segler vom Typ Nordwind 32, die im Sommer über Alster und Elbe fegen. Jetzt ist der Traditionsbetrieb in Gefahr: Die Stadt will den Deich neben der Werft erhöhen – und die Werkshalle abreißen. Für Peter Knief (80) bedeutet das das Ende seines Lebenswerks. Dem Bezirk droht der Verlust eines wichtigen Freizeitstandorts.
Nur ein paar Schritte liegen zwischen dem Deich und der blauen Werkshalle der Bootswerft Peter Knief westlich der Alten Süderelbbrücke. Und diese kurze Distanz ist genau das Problem. Denn der Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG) hat angesichts des Klimawandels und der zu erwartenden Sturmfluten beschlossen, den Harburger Hauptdeich um 80 Zentimeter auf 8,70 Meter zu erhöhen.
Hamburg: Stadt will Werkshalle der Werft abreißen, um Deich zu erhöhen
Die Maßnahme ist notwendig. Keine Frage. Doch die Erhöhung bedeutet zugleich, dass der Deichfuß um sechs Meter verbreitert werden muss. Aus Stabilitätsgründen. Und genau dort liegt die Halle, in der tagsüber die Säge kreist, die Späne fliegen und Holzreste davon zeugen, dass hier noch wahre Handwerkskunst geleistet wird.
Die Werkshalle soll nach Vorstellung des LSBG abgerissen werden. Die zweite Halle, die als Winterlager dient, soll verkleinert werden. Peter Knief kann das alles nicht fassen. Mit traurigen Blick streicht er über das Teakdeck eines Neubaus und stellt fest: „Wenn man einem Bäcker den Backofen nimmt, kann er auch nicht weiterarbeiten.“
Deicherhöhungspläne: Kniefs Nachfolger sprang ab
Dass der 80-Jährige überhaupt noch arbeitet, ist schon eine Folge der geplanten Maßnahme. Denn vor drei Jahren stand Knief kurz davor, in den Ruhestand zu wechseln. Ein Nachfolger war gefunden. Dann bekamen die beiden Geschäftspartner Wind von den Deicherhöhungsplänen. Der Interessent sprang ab. Seitdem findet sich niemand mehr, der der die Werft, die zugleich wichtiger Anlaufpunkt für Reparatur- und Wartungsarbeiten in Harburg ist, übernehmen könnte.

Knief ist nicht der einzige, den das Thema Deicherhöhung hart trifft. In Cranz sind Privatgrundstücke betroffen, in Woltmershausen bei Bremen sollen 60 Kleingärten weichen. Andere EU-Länder lösen das Problem mit milliardenschweren Flutschutzmaßnahmen, die schon vor der Küste greifen, wie das kürzlich fertig gestellte Projekt Mose in Venedig oder die Sperrwerke in der Maas vor Rotterdam und in der Themse.
Spundwand mit Flutschutztor als alternative Lösung
„Es braucht eine grundsätzliche Lösung“, meint Knief. „Man kann die Deiche doch nicht immer weiter erhöhen!“ Doch es gibt auch weniger kostenintensive Möglichkeiten, die an der Elbe sogar bereits existieren – in der HafenCity oder in Brunsbüttel.
Dort halten stählerne Spundwände das Wasser bei einer Flut zurück. Eine solche Wand könnte ohne Verbreiterung des Fußes auf den Deich drauf gesetzt werden. Allerdings müsste die Wand an einer Stelle unterbrochen und mit einem Hochwasserschutztor versehen werden, um die Zufahrt zur Knief-Werft hinter dem Deich zu ermöglichen.
Stadt bietet Peter Knief eine Ausweichfläche jenseits des Deichs an
Die Stadt lehnt das ab: „Diese Variante war Teil der Variantenuntersuchung. Sie stellt aus Sicht der Deichsicherheit keine optimale Lösung dar und weist höhere Investitionskosten auf, als die heute in Planung befindliche Variante“, heißt es in einer Stellungnahme der Umweltbehörde gegenüber der MOPO. Vor allem die Tatsache, dass diese Tore im Flut-Fall händisch geschlossen werden müssen, schließt diese Option aus Sicht der Stadt aus.

Knief wurde eine Ausweichfläche jenseits des Deichs angeboten. Dort, wo jetzt Lkw einer Spedition parken, könne Knief ab 2029 seine Werkshalle neu aufbauen. Die Zufahrt soll einmal um den Deich herum neu organisiert werden. Für Knief kommt das nicht in Frage. Denn: An gleicher Stelle ist der Bau von sechs Stadthäusern geplant. „Gewerbe neben Wohnen – das geht nicht“, sagt Knief. Sowohl der Lärm seiner Arbeiten als auch der Gestank, der bei der Kunststoffverarbeitung entsteht, würden einen Verstoß gegen das Emissionsschutzgesetz bedeuten. Zudem sei der Transport der zwölf Meter langen Boote vom Wasser über zwei scharfe 90-Grad-Kurven zur Halle nicht darstellbar.
Verlust der Werft würde Harburg als Wassersport- und Freizeit-Standort treffen
Ein weiteres Problem ist die Slipanlage direkt neben der Werkshalle, mit der Knief die Boote aus der Elbe zieht. Auch für sie ist kein Platz, wenn der Deich verbreitert wird. Zwar betont die Umweltbehörde: „Die Slipanlage soll bei Erhalt der Werft so umgebaut werden, dass diese weiter nutzbar bleibt.“ Was das genau bedeutet, hat ein Behördenvertreter Knief bei einem Besuch vor Ort erklärt: Die Rampe müsste steiler werden. Für Knief ist das hanebüchen: „Die Boote würden uns beim Raufziehen von den Trailern rutschen!“
Das könnte Sie auch interessieren: Liegeplatz gekündigt: Wohin mit diesem Hausboot?
Da es weit und breit keine vergleichbare Rampe gibt, wäre der Verlust nicht nur für die gesamte Wassersport-Szene in Harburg fatal. Auch die Wasserschutzpolizei, die Feuerwehr und der Kampfmittelräumdienst nutzen die Anlage, um ihre Boote bei Einsätzen zu Wasser zu lassen.
Laut Behörde soll bereits 2023 mit der Maßnahme begonnen werden. Doch das Planfeststellungsverfahren ist noch immer nicht eröffnet worden. Knief vermutet: „Ich bin 80 Jahre alt. Die spielen auf Zeit.“ Wenn das so ist, könnte die Stadt sich verkalkulieren. Knief ist fit wie ein 60-Jähriger. Zwar wollen seine Kinder die 1927 von Kniefs Vater Alfred gegründete Werft mit ihren vier Angestellten nicht übernehmen. Sie arbeiten in anderen Berufen. Doch es gibt noch zwei Enkel. Die gehen zwar noch zur Schule. Aber Peter Knief hat einen langen Atem. „Ich möchte die Werft erhalten. Es steckt so viel Herzblut drin. Es ist unsere Familiengeschichte.“