Wegen AfD-Nähe: Hausbewohner in Berlin zittern vor diesem Investor aus Hamburg
Die Berliner Weichselstraße 52 ist ein typisches Wohnhaus im Szene-Kiez Neukölln. Die mehr als 60 Mieter sind eine bunte Mischung aus jung und alt, schwul und hetero, Angestellte und Selbstständige, Studenten und Arbeitslose, Eltern oder Kinderlose, Behinderte und Nichtbehinderte, Menschen mit Migrationshintergrund und ohne. Für die Bewohner ist dieser Mix ein Idyll. Doch das Idyll ist in akuter Gefahr. Denn: Das Haus soll verkauft werden – an einen Investor aus Hamburg. Und der hat eine AfD-Verbindung. Ausgerechnet.
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Die Berliner Weichselstraße 52 ist ein typisches Wohnhaus im Szene-Kiez Neukölln. Die mehr als 60 Mieter sind eine bunte Mischung aus Jung und Alt, Schwul und Hetero, Angestellten und Selbstständigen, Studenten und Arbeitslosen, Eltern oder Kinderlose, Behinderten und Nichtbehinderten, Menschen mit Migrationshintergrund und ohne. Für die Bewohner ist dieser Mix ein Idyll. Doch das Idyll ist in akuter Gefahr. Denn: Das Haus soll verkauft werden – an einen Investor aus Hamburg. Und der hat eine AfD-Verbindung. Ausgerechnet.
Sie haben demonstriert, Petitionen geschrieben, Kundgebungen abgehalten und Lesungen veranstaltet. Seit Monaten wehren sich die Mieter der Weichselstraße 52 gegen den Verkauf ihres Hauses an die Hamburger Hansereal-Gruppe, hinter der laut Handelsregister die Hamburger Familie Anton und ihre „Gisela und Dr. Fred Anton Stiftung“ steht.
Investor: Stiftung weist verdächtige Nähe zur AfD auf
Die Stiftung steht im Verdacht eine Tarnorganisation der AfD zu sein. Die MOPO berichtete zuletzt über eine Veranstaltungsreihe der Stiftung, die 2017 abgesagt wurde, nachdem herauskam, dass sämtliche Redner einen AfD-Hintergrund hatten. Die Justizbehörde leitete als Stiftungsaufsicht auf eine Senatsanfrage der Hamburger Linksfraktion hin eine Überprüfung der Stiftung ein.
Ergebnis: Es „wurden keine aufsichtsrechtlichen Maßnahmen eingeleitet, also keine Verletzung des Stiftungszwecks gesehen, die sich gerichtsfest belegen ließ“, so eine Sprecherin der Behörde zur MOPO. Allerdings sei die Stiftung mit ihrer AfD-nahen Veranstaltungsreihe „auf einem Grat zwischen der gemeinnützigen Förderung politischer Bildung und parteipolitischer Arbeit“ gewandert.
Berliner Mietergemeinschaft wehrt sich gegen den Verkauf ihres Hauses
Auf Anfrage der MOPO zu seiner AfD-Verstrickung gibt Waldemar-Fred Anton zu: „Ich bin noch Parteimitglied, ohne Ämter oder Funktionen.“ Ob es die rechtsradikale Ideologie des potentiellen Käufers ist oder sein Profit-Interesse – die Mieter der Berliner Weichselstraße fürchten ihren Rauswurf.
„Unser Kiez ist ein Hotspot der Kreativität und des Berliner Lebensgefühls, zu dem Migration ebenso gehört wie Ur-Berlinertum. Wir sind bestürzt, dass ausgerechnet ein Immobilienunternehmen das Haus übernimmt, das nicht nur Interesse an Profitsteigerung auf Kosten der Mieter:innenschaft hat, sondern auch für das Gegenteil von Neukölln steht“, heißt es in einem Statement der Hausgemeinschaft an die MOPO.
Manche würden schon seit mehr als 40 Jahren im Haus wohnen. „Wir wollen nicht durch extrem hohe Mieten verdrängt werden, und schon gar nicht wollen wir mit unserer Miete eine Bewegung unterstützen müssen, die unseren ethischen Vorstellungen komplett entgegen steht.“
Bezirk Neukölln nutzt Vorkaufsrecht: Gemeinnütziger Träger gesucht
Tatsächlich gibt es guten Grund zur Sorge. Gleich um die Ecke hatte die Hansereal in der Rigaer Straße schon einmal drei Häuser erworben – und kurz darauf alles in Eigentumswohnungen aufgeteilt. Die Mieter mussten ausziehen.
Das Problem an der Weichselstraße 52 ist, dass das Haus stark sanierungsbedürftig ist. Der Putz bröckelt, das Dach ist undicht, der Keller feucht und in den Wohnungen stehen noch Kohleöfen. Dafür sind die Mieten extrem niedrig – wichtig für die teils einkommensschwachen Bewohner.
Der Bezirk Neukölln hat das Problem erkannt und sein Vorkaufsrecht in Anspruch genommen. Dadurch wird der Verkauf um drei Monate verzögert. Bis zum 25. September muss nun ein gemeinwohlorientierter Träger gefunden werden wie z.B. eine städtische Wohnungsbaugesellschaft oder eine Genossenschaft. Allerdings sind die Sanierungskosten mit geschätzten vier Millionen Euro so hoch, dass sie mit den Mieten nicht zu bezahlen wären.
Schutz vor Mieterhöhung: Käufer soll Abwendungsvereinbarung unterschreiben
Einzige Lösung wäre, dass die Stadt Berlin einen Zuschuss gewährt. Angeblich wird aktuell hinter den Kulissen daran gearbeitet. Das Ergebnis ist noch offen. Die Hansereal wiederum wurde aufgefordert, eine Abwendungsvereinbarung zu unterschreiben, die sie dazu verpflichtet, auf die Aufteilung in Eigentumswohnungen und auf umlagefähige Modernisierungsmaßnahmen zu verzichten. Mit der Unterschrift hätte Hansereal den Deal sicher in der Tasche.
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Eine Anfrage der MOPO an die Hansereal, ob man plane, die Abwendungsvereinbarung zu unterzeichnen, blieb bisher unbeantwortet. Wahrscheinlich sitzt das Unternehmen das einfach aus. Denn sollte sich keine gemeinnützige Lösung finden, fällt die Weichselstraße 52 auch ohne Abwendungsvereinbarung an die Hansereal.