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Konrad Kujau, der Fälscher der „Hitler-Tagebücher“, mit der „Stern“-Ausgabe von 1983, in der die Fälschungen erstmals veröffentlicht würden.
  • Konrad Kujau, der Fälscher der „Hitler-Tagebücher“, mit der „Stern“-Ausgabe von 1983, in der die Fälschungen erstmals veröffentlicht würden.
  • Foto: dpa

Neue Recherchen: Was wirklich hinter den gefälschten Hitler-Tagebüchern steckt

Es war einer der größten Medien-Skandale der Bundesrepublik – und zieht nun, 40 Jahre später, noch größere Kreise: die Hitler-Tagebücher, die der „Stern“ 1983 in Teilen veröffentlicht hat und die sich im Nachhinein als Fälschungen entpuppten. Der NDR macht den Gesamttext am Donnerstag um 18 Uhr erstmals komplett zugänglich. So werde dem Sender zufolge deutlich, welche Absichten der Fälscher abseits aller Sensationsberichterstattung offenbar hatte – nämlich die NS-Verbrechen zu verharmlosen und Hitler vom Völkermord an den Juden freizusprechen.

„Die Geschichte des Dritten Reiches muss teilweise umgeschrieben werden“, verkündete der damalige „Stern“-Chefredakteur Peter Koch in der ersten Ausgabe mit Auszügen des vermeintlichen Sensationsfundes, den das Hamburger Magazin für mehr als neun Millionen Mark gekauft hatte. Was die Öffentlichkeit nicht ahnte: Der Blick in die Gedankenwelt des Diktators war ein erfundenes Machwerk des Kunstfälschers Konrad Kujau. Und sollte Hitler als den Juden gegenüber wohlgesonnen zeigen.

Der Grund für diese hanebüchene Geschichtsverfälschung liegt – das legen die NDR-Recherchen nahe – wohl in der politischen Einstellung ihres Schöpfers: „Wie die neuen Recherchen belegen, war der Fälscher der ,Hitler-Tagebücher‘, Konrad Kujau, tiefer in ein neonazistisches Umfeld verstrickt als bislang bekannt“, gibt der Sender bekannt.

„Positives Bild von Hitler“: Neue Recherchen zu Tagebuch-Fälschungen

Kujau habe bis in die frühen 80er hinein Kontakte zum Umfeld des Hamburger Neonazi-Führers Michael Kühnen gehabt. Er „war offenbar eng verbunden mit dem Pressesprecher Kühnens, Lothar Zaulich, mit dem er gemeinsam in den 70er Jahren Hitlerfälschungen verkaufte. So erstellte Zaulich Reproduktionen von Hitler-Portraits und brachte Kujau bei, wie man sie mit gefälschten Hitler-Unterschriften versieht.“

Die gefälschten Hitler-Tagebücher, die der Stern 1983 veröffentlichte. dpa
Die gefälschten Hitler-Tagebücher, die der Stern 1983 veröffentlichte.
Die gefälschten Hitler-Tagebücher, die der Stern 1983 veröffentlichte.

Wäre der Schwindel mit den Tagebüchern nicht schon nach wenigen Tagen aufgeflogen, hätte sich das Bild, das die Nachwelt vom schlimmsten Massenmörder der Geschichte hat, womöglich radikal gewandelt: „Hitler wusste angeblich nichts vom Holocaust. Das ist die zentrale Erzählung der gefälschten ,Hitler-Tagebücher‘“, so der NDR. Bislang lägen die Originalbände gesperrt im Safe bei Gruner + Jahr, der NDR habe mit Kopien gearbeitet.

Hitler-Tagebücher: Fälscher Kujau hatte Neonazi-Kontakte

Für den Historiker Professor Hajo Funke von der FU Berlin, der die NDR-Recherchen wissenschaftlich begleitet hat, ein klarer Akt von Geschichtsfälschung: „Diese Tagebücher sind Ausdruck von Holocaustleugnung. Das ist eindeutig. Sie wollten Hitler von den schlimmsten Verbrechen der Nazis freisprechen“, so Funke laut NDR.

Die Historikerin Heike Görtemaker, die ebenfalls Teil des wissenschaftlichen Beirats war, unterstreicht die massive historische Umdeutung. „Der fiktive Hitler hat mit nationalsozialistischen Gewaltverbrechen nichts zu tun. Er ist sogar derjenige, der versucht, andere seiner Parteigenossen im Zaum zu halten“, so Görtemaker. „Kujau erfindet hier eine positive Hitlerfigur.“

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Für die Recherche wurden die Bücher mithilfe einer Künstlichen Intelligenz digitalisiert. Die Ergebnisse der Analyse gibt es am Donnerstag bei „Reschke TV“. Die Sendung läuft um 23.35 Uhr im Ersten. Bereits ab 18 Uhr ist sie in der ARD-Mediathek abrufbar. Die gefälschten Tagebücher ediert und kommentiert stehen ab Donnerstag, 23.2., 18 Uhr auf NDR.de online. (tst)

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