Knallharter Anti-Auto-Kurs: Was Hamburg von Paris lernen kann
Anne Hidalgo macht keine halben Sachen: Seit 2014 ist die 63-Jährige Bürgermeisterin von Paris und hat ein klares Ziel – die Stadt muss autofrei werden. In der Pariser Innenstadt ist ihr das schon gelungen, die Uferstraßen an der Seine gehören komplett den Fußgängern und Radlern. Kann Hamburg sich etwas bei ihr abgucken? Jörg Knieling, Professor für Stadtplanung an der HafenCity Universität und stellvertretender Vorsitzender im Hamburger Klimabeirat, hat einige Ideen.
Anne Hidalgo macht keine halben Sachen: Seit 2014 ist die 63-Jährige Bürgermeisterin von Paris und hat ein klares Ziel – die Stadt muss autofrei werden. In der Pariser Innenstadt ist ihr das schon gelungen, die Uferstraßen an der Seine gehören komplett den Fußgängern und Radlern. Alles soll umgebaut werden für ihre umstrittene Idee der 15-Minuten-Stadt. Kann Hamburg sich etwas bei ihr abgucken? Jörg Knieling, Professor für Stadtplanung an der HafenCity Universität, erklärt, warum wir alle langsamer fahren sollten und warum es auch für Hamburgs Autofahrer Einschränkungen geben muss.
„Tatsächlich war ich vor ein paar Wochen selbst in Paris unterwegs“, erzählt Knieling. „Ich war sehr überrascht, weil die Stadt mal als Musterbeispiel einer Autostadt galt und durchaus gefährlich für Radfahrer und Fußgänger war. Da hat sich eine Menge geändert.“
Mobilitätswende in Paris: So verändert sich die Stadt
Am deutlichsten wird das an der berühmten Rue de Rivoli im Zentrum der französischen Hauptstadt: Früher fuhren dort einmal Autos auf zwei Spuren am Louvre und Tuilerien-Garten entlang bis zum Place de la Concorde, während die dritte Spur für Busse, Taxis und Rettungskräfte vorgesehen war. Radfahrer mussten sich mit einem schmalen Streifen begnügen.

Heute ist das Bild ein ganz anderes: Auf der einen verbliebenen Fahrspur fahren noch Busse, Taxis und Krankenwagen, während sich die Fahrradfahrer auf den ehemaligen Autospuren austoben dürfen.
Das steckt hinter der Idee der 15-Minuten-Stadt
Seit ihrem Amtsantritt hat die Sozialistin Hidalgo das Auto entschlossen aus der Innenstadt vertrieben und die ehemals verstopften Uferstraßen an der Seine den Fußgängern und Radlern übergeben. Im Mittelpunkt ihrer Politik: die 15-Minuten-Stadt. Das bedeutet, dass die Pariser innerhalb einer Viertelstunde zu Fuß oder per Rad alle wichtigen Einrichtungen, wie Geschäfte, Ärzte, Arbeitsplatz, Schule oder Kita erreichen können.
Dafür sollen in Zukunft um die 70.000 Parkplätze für Autos ersatzlos wegfallen, ganze Viertel werden komplett autofrei, und auf den verbliebenen Straßen dürfen die Fahrzeuge nur noch mit maximal 30 Kilometern pro Stunde unterwegs sein.
Was könnte sich Hamburg von Paris abgucken?
Klar ist: Hamburg ist nicht Paris. Während in der Hansestadt 1,8 Millionen Menschen auf 755 Quadratkilometern leben, sind es in der dicht bebauten französischen Hauptstadt 2,2 Millionen Einwohner auf 105,34 Quadratkilometern.
Von Tempo 30 als neuer Richtgeschwindigkeit ist Knieling trotzdem überzeugt. „Es wäre sinnvoll, die Regel einfach umzukehren. Das heißt, dass überall Tempo 30 gilt und nur auf einigen großen Straßen 50 oder 70.“ Es gehe nicht darum, den Autofahrern das Leben zu verleiden, betont er, sondern die Lebensqualität in den Wohnquartieren – etwa durch weniger Lärm und mehr Sicherheit – zu verbessern. Danach sieht es in Hamburg allerdings erstmal nicht aus. Im vergangenen Sommer wurde die Tempo-30-Debatte in der Bürgerschaft auf Eis gelegt.
Äußere Stadtteile müssen bei Mobilitätswende eine Rolle spielen
Das Thema Parkplätze bezeichnet Jörg Knieling als etwas komplizierter: „Natürlich haben diese Flächen Potenzial für eine Mobilitätswende, aber wir müssen auch realistisch sein und schauen, wo das ersatzlose Streichen möglich ist und wo nicht“, gibt er zu bedenken und spielt auf die Randbezirke an. „Bei all den sehr sinnvollen Projekten dürfen wir die äußeren Stadtteile nicht vergessen. Nötig sind auch hier attraktive Mobilitätslösungen, so dass die Bewohner den Pkw stehen lassen können.“
Das ist auch eine Kritik an Hidalgos Konzept: Ihre 15-Minuten-Idee wird als elitär bezeichnet, weil sie die noch viel dichter bevölkerten Vorstädte („banlieues“) weiterhin außen vor lässt. In der Innenstadt wohnen und zum nächsten Park schlendern, können sich eben nur wenige leisten.
So können E-Scooter bei der Mobilitätswende helfen
„Auch in den äußeren Hamburger Stadtteilen muss die Mobilitätswende ankommen“, fordert Knieling. „Das erreichen wir zum Beispiel über mehr Car-Sharing oder den On-Demand-Anbieter Moia, aber auch E-Scooter können dort eine wichtige Rolle spielen.“ Letztere hat Paris übrigens erst vor kurzem endgültig aus seiner Innenstadt verbannt: Nach dem Volksvotum werden ab dem ersten September keine elektrischen Tretroller mehr durch die Stadt fahren.

„Das ist in Hamburg nicht nötig“, sagt Knieling. „In den Randbezirken können E-Scooter zum Beispiel bei der Überwindung der sogenannten letzten Meile helfen.“ Damit wird der Weg von den Öffis bis zur Haustür bezeichnet.
Klar ist für den HCU-Professor aber auch: Nur mit Angeboten allein – zum Beispiel besserer ÖPNV-Anbindung oder E-Scootern – lässt sich die Mobilitätswende in Hamburg nicht wuppen. „Es braucht auch gezielte Push-Faktoren, also einzelne Einschränkungen – besonders für den Autoverkehr“, sagt er.