Warum Hamburgs Hospitalisierungs-Inzidenz wenig taugt
In Hamburg ist die Corona-Lage derzeit vergleichsweise entspannt. Das suggerieren zumindest die vom RKI veröffentlichten Hospitalisierungs-Inzidenzen. Gerade einmal 1,62 beträgt die Zahl aktuell, weit entfernt vom ersten Schwellenwert 3 also. Währenddessen gilt seit Montag in ganz Hamburg fast überall 2G und die Kliniken werden gebeten, Operationen zu verschieben. Wie passt das zusammen?
Die schnelle Antwort: Die Hospitalisierungsrate, die täglich vom RKI veröffentlicht wird, taugt in der derzeit verwendeten Form fast nichts. Das ist schon länger bekannt, aber nun in der 4. Welle ganz besonders auffällig. Die MOPO hat die Zahlen der vergangenen zwei Monate ausgewertet. Sie zeigen, wie eklatant sich die tatsächlichen Werte von den tagesaktuell vermeldeten unterscheiden.
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In Hamburg ist die Corona-Lage derzeit vergleichsweise entspannt. Das suggerieren zumindest die vom RKI veröffentlichten Hospitalisierungs-Inzidenzen. Gerade einmal 1,62 beträgt die Zahl aktuell, weit entfernt vom ersten Schwellenwert 3 also. Währenddessen gilt seit Montag in ganz Hamburg fast überall 2G und die Kliniken werden gebeten, Operationen zu verschieben. Wie passt das zusammen?
Die schnelle Antwort: Die Hospitalisierungsrate, die täglich vom RKI veröffentlicht wird, taugt in der derzeit verwendeten Form fast nichts. Das ist schon länger bekannt, aber nun in der 4. Welle ganz besonders auffällig. Die MOPO hat die Zahlen der vergangenen zwei Monate ausgewertet. Sie zeigen, wie eklatant sich die tatsächlichen Werte von den tagesaktuell vermeldeten unterscheiden.
Als Tschentscher Verschärfungen ankündigt, ist Schwellenwert längst überschritten
So mag es den einen oder anderen überrascht haben, dass Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) vergangene Woche verkündete, die 2G-Regelung noch einmal ausweiten zu wollen, obwohl die Hospitalisierungsrate offiziell die niedrigste der Republik war und unter 3 lag. Doch Peter „better safe than sorry“ Tschentscher (SPD) ließ sich nicht beirren.
Die Regelverschärfung war nämlich gar keine weitsichtige Entscheidung, sondern längst geboten. Das ging nur nicht aus den tagesaktuellen Daten hervor, denn die dem RKI gemeldeten Hospitalisierungszahlen hinken mindestens zwei Wochen hinterher. Als Tschentscher die 2G-Ausweitung vergangenen Dienstag verkündete, lag der Wert nicht, wie an jenem Tag angegeben, bei 2,92; sondern wahrscheinlich mindestens doppelt so hoch.
Hospitalisierungsrate hat mindestens zwei Wochen Melderückstand
Das RKI korrigiert rückwirkend die einzelnen Tageswerte der Hospitalisierungsinzidenz. Wie der Vergleich zwischen den ursprünglich veröffentlichten und den nachgemeldeten Daten seit Anfang Oktober bis Mitte November zeigt, liegt der tatsächliche Wert durchschnittlich rund drei Mal so hoch. So lag Hamburg bereits seit dem 19. Oktober wieder über dem kritischen Wert von 3, der bis heute offiziell tagesaktuell noch gar nicht geknackt wurde. Am 11. November wurde wiederum tagesaktuell ein Wert von 1,46 ausgegeben, dabei kletterte die Hospitalisierungs-Inzidenz in Hamburg schon merklich in Richtung des nächsten Schwellenwerts 6 (5,02), ab dem 2G-Plus-Regeln gelten.
Das hat laut RKI folgende Gründe: Erstens melden die Krankenhäuser im Zweifel nicht tagesaktuell, weil sie mit anderen Dingen beschäftigt sind. Zweitens melden die Krankenhäuser erst an die Gesundheitsämter, danach gehen die Hospitalisierungsdaten ans RKI. Warum das technisch nicht anders gelöst wird, weiß die Sozialbehörde nicht und verweist aufs RKI. Das wiederum sieht derzeit keine Alternative zum aktuellen Vorgehen.
RKI empfiehlt strengere Schwellenwerte
Fatalerweise sind die politischen Entscheidungen an den tagesaktuellen ermittelten Wert des RKI gekoppelt, obwohl es natürlich möglich wäre, präzisiere Werte zu schätzen. Oder einfach so zu handeln, wie es das RKI selbst empfohlen hat. Laut einer Handlungsempfehlung des Instituts würde ab einer Schwelle von 1,5 die gelbe Stufe greifen und ab 5 eine rote Stufe: Dann würde wieder über Schließungen von Bars, Clubs und Absagen von Veranstaltungen beraten werden. Die Werte waren den Ministerpräsident:innen aber offensichtlich zu hoch, so dass es zu den Grenzwerten 3, 6 und 9 beim letzten Bund-Länder-Treffen kam.
Der Sprecher der Sozialbehörde, Martin Helfrich, betont, dass Hamburg „die eigenen Maßnahmen nicht allein vom Erreichen dieser Schwellenwerte abhängig macht.“ Der Senat werde auch künftig gegebenenfalls Maßnahmen ergreifen, die das Ziel hätten, „die genannten Schwellen möglichst gar nicht erst zu überschreiten“.
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Es passt daher ins Bild, dass Bürgermeister Tschentscher am Montag verschärfte Maßnahmen ankündigte, die am heutigen Dienstag im Senat diskutiert werden sollen. Denn die Hospitalisierungsinzidenz lag wohl kaum, wie zuletzt angegeben, bei knapp unter 3, sondern wahrscheinlich eher zwischen 6 und 9.